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"Hart aber fair" über Spaltung in Deutschland Immerhin zivilisiert

Frank Plasberg will mit seinen Gästen über das "sprachlose, verständnislose, wütende" Deutschland diskutieren. Er legt zwar einen sportlichen Einstieg hin - schaltet dann aber in den vorweihnachtlichen Autopiloten.
Moderator Plasberg (r.) mit seinen Gästen

Moderator Plasberg (r.) mit seinen Gästen

Foto: WDR/Dirk Borm

In "Streit um Asterix" kann man schon sehen, wann die Stimmung der Figuren kippt, noch bevor es die jeweiligen Charaktere selbst merken. Dann färbt sich die Sprechblase grün ein, ganz zart zunächst, später dann so richtig. Vergleichbares ist kaum zu vermeiden, wenn man in einer Talkrunde darüber redet, warum die Gesprächskultur in Deutschland so vergiftet ist.

Der Reihe nach fragt Frank Plasberg seine Gäste, wie sie ihren eigenen "Anteil am heftiger werdenden Diskussionsklima" einschätzen. Ein sportlicher Einstieg. Um eine Antwort auf die Frage bemühen sich ein Journalist (Claus Strunz), eine ehemalige Politikerin (Antje Hermenau), ein Unternehmer (Dirk Roßmann), eine Pastorin (Annette Behnken) und ein weiterer Journalist, der auch als Literat und Künstler tätig ist (Michel Abdollahi).

Sich selbst, immerhin den Moderator einer der drei wöchentlichen Talkshows im Öffentlich-Rechtlichen, fragt Plasberg nicht.

"Zu rechts - was ist das überhaupt? I don't know!"

Dafür fühlt Klaus Strunz sich durchaus gemeint. Er habe "ja nichts anderes getan als Dinge scharf benannt", erklärt er, und zwar "passioniert", und das könnten manche Leute nicht ertragen. Als es um die Migrationsfrage als "Mutter aller Probleme" geht, sagt der Journalist: "Ich habe vermisst, dass jemand Seehofer mit Argumenten widerlegt. Das ist nicht geschehen." Strunz, immerhin Journalist, hat das auch nicht getan. Jetzt fragt er: "Zu rechts - was ist das überhaupt? I don't know!"

Es bleibt viel stehen und unwidersprochen an diesem Abend. So erklärt die ehemalige Grüne Antje Hermenau, vorgestellt als "Sachsenerklärerin", die Sachsen "ironisch" zum "Volksstamm". Die AfD habe dort "eine breite Unmutsstimmung aufgenommen" und sei "die einzige Gruppe gewesen", die diesen Unmut dann in Frageform wieder in die Politik eingespeist habe.

Proteste in Chemnitz? Ja, aber Hetzjagden habe es keine gegeben. "Den Leuten war das wichtig, emotional", und "die Bürgermeisterin hatte die Haare schön, aber nichts gemacht". Übel sei es erst wegen der zugereisten Neonazis geworden, am Montag. Schlimm auch der SPIEGEL-Titel damals, mit "Sachsen" in brauner Fraktur.

Gegrummel knapp unter der Hörbarkeitsgrenze

Plasberg widerspricht nicht, fragt nicht nach, hat schon den vorweihnachtlichen Autopiloten aktiviert. Auch Michel Abdollahi gibt nicht Kontra, sondern begleitete die Hermenauschen Ausführungen mit grünem Gegrummel knapp unter der Hörbarkeitsgrenze.

Seinen Satz, dass er - als "Migrant" - in diesem Land mit seinen Steuern ja auch die Infrastruktur mitfinanziere, "die dafür sorgt, dass diese Leute mir überhaupt diese Botschaften schicken können", hat Abdollahi da schon gesagt.

Als es, wir kommen von Hölzchen auf Stöckchen hier, um die Ablehnung des Kindes eines AfD-Politikers an einer Berliner Waldorfschule geht, halten alle das für bedenklich. Hermenau hält das für "Sippenhaft". Abdollahi: "Sippenhaft? Das macht die Gesellschaft mit Migranten jeden Tag!"

Ein erster Vorschlag zur Sache kommt von Strunz. Er hegt den Verdacht, dass ganz andere Sachen "hochkommen", wenn von "Islam" oder "Migranten" die Rede ist - nämlich Fragen der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Schulen, der Löhne. Migration nicht als Mutter aller Probleme, sondern als Lupe, unter der alle Probleme eben besser sichtbar würden. Grund: "Totalversagen" der politischen Erklärkultur.

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Dirk Roßmann von Rossmann beschäftigt Menschen aus 97 Nationen, migrationsspezifische Probleme hat er noch keine gehabt in seinen Filialen. Ihm brennt unter den Nägeln, dass es keinen bezahlbaren Wohnraum mehr gibt in Deutschland. Bekanntlich eine Folge verfehlter Politik, etwa durch die Veräußerung kommunaler Baugesellschaften am "freien Markt". Ob diese Situation "am unteren Rand" durch den Zuzug von Migranten faktisch oder nur gefühlsmäßig noch verschärft wurde, darüber wird gestritten.

Allerdings nicht bei "Hart aber fair", da wird das als gegeben hingenommen. "Die Situation zu beschreiben verändert die Situation nicht", sagt Roßmann und fordert leidenschaftlich "erbschaftssteuerfreie Investitionen in den sozialen Wohnungsbau". Das Geld sei da. Statt es aber in die Hand zu nehmen, streite die Regierung über das Gehalt eines Herrn Maaßen: "Da ist doch so blöd, das kann doch kein Mensch aushalten!"

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Stellvertretend darf Brigitte Büscher einmal ausführlicher Auskunft über ihren Job erteilen, die Spreu vom Weizen zu trennen bei den Zuschriften zum Thema. Der Ton sei inzwischen heftiger, sagt sie, sodass "wir häufiger gucken müssen, ob wir das auch vorlesen können, was manche Menschen so schicken".

Sie gibt ein Beispiel für einen gesperrten Kommentar (irgendwas Wirres mit Flüchtlingen und Gulags und Sibirien) und die Auskunft, 50 von 700 "Meinungsäußerungen" würden von der Redaktion aus dem Verkehr gezogen. Es sei "kein Spaß, das lesen zu müssen", sagt Büscher, und man glaubt ihr das aufs Wort.

Auch diese Sendung wird den Diskussionsklimawandel nicht aufhalten. Immerhin hat sie sich an die Grenzwerte gehalten. Es blieb zivilisiert.