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Gescheiterter E-Mail-Nachfolger Google lässt Wave verebben

Schluss, aus, Feierabend: Die Entwicklung von Google Wave wird gestoppt. Damit setzt der US-Konzern einen Schlussstrich unter eines der am meisten beachteten Web-Projekte des letzten Jahres. Die Wave-Technologie soll aber weiter genutzt werden - in noch geheimen neuen Google-Diensten.
Google-Wave-Blog: Das Ende der Google-Welle

Google-Wave-Blog: Das Ende der Google-Welle

Von wegen "perfekte Welle". Gut ein Jahr nach der ersten Ankündigung des neuen Über-E-Mail-Dienstes Wave stellt Google die Arbeit an dem ambitionierten Projekt ein. Mit einem Eintrag im Google-Blog  kündigte Googles Senior Vice President Urs Hölzle an, die Wave-Website werde noch bis mindestens Ende 2010 weiter geführt werden, technische Neuerungen werde es dort aber nicht mehr geben. "Wir haben nicht vor, Wave als eigenständiges Produkt fortzuführen", sagt Hölzle.

Die für Wave entwickelte Technologie wolle man aber weiterentwickeln, um sie in anderen Google-Produkten zu verwenden. Ohnehin habe man die grundlegenden Software-Bestandteile als Open Source veröffentlicht, so dass diese auch außerhalb von Google genutzt werden können. Es sei darüber hinaus geplant, Tools anzubieten, mit denen Wave-Anwender ihre Daten in andere Formate überführen können.

Mit dieser pragmatischen Mitteilung trägt der amerikanische Internetkonzern ein Projekt zu Grabe, das vom ersten Tag an daran krankte, dass es extrem erklärungsbedürftig war und seinen Anwendern möglicherweise zu viele Freiheiten dabei ließ, wie sie das Angebot nutzen konnten. Schon der Versuch zu erklären, was Wave eigentlich ist, scheiterte daran, dass es etwas vergleichbares bisher nicht gab.

Das Schweizer Taschenmesser für Internet-Junkies

Der Begriff Echtzeit-Wiki trifft es wohl am ehesten, denn mit Wave kann man nahezu verzögerungslos mit mehreren Personen gleichzeitig kommunizieren und an Dokumenten arbeiten. Dabei erinnert die Geschwindigkeit der Kommunikation an die eines Chats, wobei man aber nicht an die Einschränkungen von Kurznachrichten gebunden ist, sondern Nachrichten wie E-Mails austauschen kann. Zudem enthält Wave Elemente von Social Networks und kann auch via Handy genutzt werden. Im Grunde ist Googles Wave das Schweizer Taschenmesser des sozial vernetzten Internet-Junkies - oder hätte es zumindest sein können.

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Daran glaubten nach der ersten Ankündigung offenbar viele Netznutzer. Die ersten 100.000 Test-Accounts waren in Rekordzeit vergriffen. Wer einen der begehrten Zugänge ergattert hatte, wurde von Freunden bestürmt, sie einzuladen, denn weitere Nutzer konnten zunächst nur auf Einladung Zugang bekommen. Die Ernüchterung ließ allerdings auch nicht lange auf sich warten. Nach all den Vorschusslorbeeren gelang es Google nicht, mit Wave eine echte Welle loszutreten, der Hype hatte überhöhte Erwartungen erzeugt, die das Produkt nicht erfüllen konnte.

Zu viel Rauschen, zu viel Ablenkung

Web-Profis wie der US-Blogger Robert Scoble kritisierten, es gebe in Wave zu viel Ablenkung, "zu viel Rauschen", weshalb Wave unterm Strich unproduktiv sei. Auch Blogger Steve Rubel erkannte diese Probleme, sah in Wave aber großes Potenzial und mahnte zu Geduld. Zwar mache Wave bisher "mehr Probleme, als es lösen kann", doch wolle er abwarten, "ob Wave 2.0 das behebt." Diese Hoffnung wird nun nicht erfüllt werden.

Das Scheitern von Wave sei aber kein Beinbruch, erklärte Google-Chef Eric Schmidt auf der Techonomy-Konferenz im kalifornischen Lake Tahoe. "Wir probieren Dinge aus und wie feiern unser Scheitern", erklärte er auf die Frage einer Reporterin nach dem Ende von Wave. Bei Google sei es vollkommen in Ordnung, "etwas besonders schwieriges zu versuchen, damit keinen Erfolg zu haben und daraus zu lernen." Wenn ein neues Produkt allerdings erfolgreich sei, würde Google sich auch mit aller Kraft dahinter stellen. Schmidt spricht aus der komfortablen Position eines Firmenlenkers, der sich derartige Experimente leisten kann.

Bleibt abzuwarten, was Google tatsächlich mit den Wave-Technologien anfängt. Es gebe dazu einige Ideen und manche davon haben auch mit Google Mail zu tun, erklärte Schmidt, ohne weitere Details zu nennen. Aber schon das reichte aus, um im Netz neue Gerüchte zu streuen: Bastelt das Suchmaschinenunternehmen womöglich mit Hilfe von Wave an einem Sozialen Netzwerk auf der Basis des hauseigenen E-Mail-Angebots?

mak

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