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Googles Charmeoffensive Mr. Schmidt umschmeichelt Deutschland

Googles scheidender Chef Eric Schmidt kommt zu Besuch nach Deutschland - und er hat Geschenke im Gepäck. Ein Internet-Bezahlsystem für Verlage, ein Forschungsinstitut für Berlin - und viel Lob für das Land der Dichter, Denker und Ingenieure. Googles neuer Chefdiplomat bewies sich als Charmeur.
Google-Chef Schmidt an der Humboldt-Uni: Ganz viel Liebe für Deutschland

Google-Chef Schmidt an der Humboldt-Uni: Ganz viel Liebe für Deutschland

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Eric Schmidt

Berlin - , Noch-Chef und designierter Außenminister des weltgrößten Suchmaschinenkonzerns, ist vorübergehend schwer zu verstehen. Die Mikrophone funktionieren nicht richtig, und das Publikum im vollgepackten Audimax der Humboldt-Universität zu Berlin kann nicht mehr klar hören, was der freundliche Mann mit den grauen Schläfen dort oben auf dem Podium mitzuteilen hat. Als das Tonproblem schließlich behoben ist, scherzt Schmidt, das sei sicher "kein deutsches Mikrophon." Gelächter und Applaus.

Google

Genau deshalb ist Schmidt hier: um nett zu sein. Der Mann, der jahrelang Googles Gesicht und Lenker war, unter dessen Führung der Konzern zur Weltmacht aufstieg, ist unter die Diplomaten gegangen. Mit-Gründer Larry Page wird den CEO-Job übernehmen, und der plötzlich ganz väterliche Schmidt erklärt der Welt ab jetzt, warum ihr Freund ist. Und das macht er gut. Vor allem aber preist er das Netz, insbesondere das mobile: Transparenz, Ermächtigung der Bürger, Information, Wissen, all das. Ägypten, Sie wissen schon. Schließlich sind wir an der Humboldt-Universität.

Street View

Datenschutz

Schmidt ist nach Deutschland gekommen, um uns zu umarmen. Genauer: Um den einen Arm um die deutsche Politik zu schlingen, die Google im vergangenen Jahr so viel Ärger gemacht hat und noch mehr zu machen droht. Stichworte: , , Leistungsschutzrecht für Verlage. Und den anderen Arm um die deutschen Verleger, die sich ebenfalls durch viel Kritik am Konzern mit den bunten Buchstaben hervorgetan haben. Stichworte: Werbeerlöse, Zitatrecht, Google News, und noch mal Leistungsschutzrecht.

"Deutschland bleibt ein Vorbild"

Beide, Politik und Verlage, haben dafür gesorgt, dass Google hierzulande an Ansehen verloren hat, so sieht man das wohl in der Konzernzentrale in Mountain View. Und weil dort kluge Menschen arbeiten, hat man sich eine Charmeoffensive ausgedacht, um die Verstimmungen zu beseitigen. Der Startschuss war ein Gastbeitrag in der "Welt", in dem Schmidt unter der Überschrift "Deutschland bleibt ein Vorbild" genau die Dinge pries, für die man sich hierzulande besonders gerne loben lässt: erfolgreiche Industriebetriebe, Innovationspotential, wirtschaftliche Durchschlagskraft, Erfindergeist. Es spreche einiges dafür, dass Deutschland eine solche Vorreiterrolle "auch im Internet" einnehmen könne, schrieb Schmidt.

Das ist, wenn man sich dien reale Rolle deutscher Unternehmen in der globalen Netzwirtschaft ansieht, an der Grenze zwischen Schmeichel- und Heuchelei. Derzeit, um es brutal zu sagen, ist Deutschland in der digitalen Welt ein Entwicklungsland. Kein einziges deutsches Unternehmen hat globale Bedeutung auf diesem neuen Markt. Natürlich weiß Schmidt das. Aber er ist ja nicht gekommen, um den Finger in die Wunde zu legen. Sondern um nett zu sein.

Für die beiden umworbenen Parteien hat er Geschenke mitgebracht. Die Politik bekommt ein Forschungsinstitut, das in Berlin angesiedelt werden und die Auswirkungen des radikalen Wandels erkunden und debattieren soll, die das Internet der Gesellschaft bringt (Stichworte: Street View, Datenschutz…). Wie viele Millionen dafür genau ausgegeben werden, wer die Partner sein sollen, wie das alles im Detail organisiert wird, bleibt auch auf Nachfrage unklar. Aber die Botschaft ist ja auch nur: Wir haben verstanden, dass ihr Dichter und Denker gerne noch ein bisschen nachdenken wollt über all den Wandel, den wir und andere euch täglich bringen.

"Manchmal versuchen wir einfach so, das Richtige zu tun"

Die Entscheidung, dieses Institut zu gründen sei erst "Ende vergangenen Jahres" gefallen, verrät Schmidt später in einer Presserunde - also unmittelbar nach dem Street-View-Aufschrei in Deutschland. Man tue aber nicht alles aus PR-Gründen, sagt Schmidt mit einem schiefen Grinsen, sondern "manchmal versuchen wir auch einfach so, das Richtige zu tun". Der Mann hat Charme, da sind sich die Gäste an diesem Abend an symbolträchtigem Ort - Humboldt! Bildung! Wissen! - alle einig.

Springer

Stern

Focus

Apple

Apps

Für die Verleger präsentierte Schmidt eine Plattform namens OnePass, ein Bezahlsystem für Medieninhalte im Netz, vom Artikel bis zum Dokumentarfilm. Verlage sollen online endlich auch anders Geld verdienen können als mit Anzeigen. , der " " und " " sind von Anfang an dabei, wenn auch zum Teil mit gesunder Skepsis. Von einem "Experiment" ist da die Rede. Aber wenigstens eins auf Augenhöhe. Auf dem Podium kann sich Schmidt ein paar verklausulierte Seitenhiebe auf den Konkurrenten , der die Verleger gerade mit seiner restriktiven neuen Abo-Politik für vergrätzt hat, nicht verkneifen. Bei uns, das ist die Botschaft, könnt ihr besser Geld verdienen als bei denen.

"Sehr verlegerfreundlich", sei das Modell, sagt Schmidt. Google sei nicht an eigenen Umsätzen interessiert, sondern decke mit einer Provision von 10 Prozent der Umsätze nur seine Kosten ( Apple nimmt 30 Prozent). "Wir wollen", sagt Schmidt, "dass die Verlage das ganze Geld bekommen". Die Verleger würden außerdem vollen Zugriff auf die Kundendaten bekommen - "anders als andere Leute das machen". Im Saal wird gelacht: Vielen ist klar, dass Schmidt sich hier auf Apples restriktive und bei den Verlagen äußerst unbeliebte Daten-Regelungen bezieht.

Ein High-School-Lehrer in braunen Slippern

Ob Apples neue Abo-Politik eine Steilvorlage für eine Verbrüderung mit den Verlegern war? "Apple hat ein gutes, geschlossenes Modell", sagt Schmidt, wieder diplomatisch. "Googles Modell ist das genaue Gegenteil" - nämlich offen und "mit weniger polizeilicher Überwachung": "Wir haben keine Regeln dafür, wie Sie Geld verdienen dürfen." Der Rest sei - das sagen US-Manager bei solchen Fragen immer - "Wettbewerb", und er sei ja immer gut. Tatsächlich wird an dem Bezahlsystem schon lange gearbeitet. Apples neues Abomodell ist eher ein PR-Glücksfall für Google: Endlich steht man bei den Verlegern mal als der Gute da. Nicht als der Böse, der von der Arbeit anderer lebt.

Träfe man Schmidt auf der Straße oder im Supermarkt, man würde ihn für einen freundlichen High-School-Lehrer oder einen Bank-Filialleiter halten. Er trägt braune Slipper, die sehr benutzt (und bequem) aussehen, genauso wie die grauen Flanellhosen und das blaue Wollsakko. Die blaugestreifte Krawatte ist breit und furchtbar unmodisch, genau wie das stählerne Brillengestell. Der Mann sieht nicht aus wie ein Superreicher. Dabei ist er natürlich genau das: ein unfassbar wohlhabender Firmenlenker, der sich jetzt darauf spezialisiert hat, das Imperium, das er mit aufgebaut hat, öffentlich gut aussehen zu lassen. Aus Überzeugung, das nimmt man ihm ab.

Als ein Wirtschafsjournalist ihn fragt, ob denn all die Nebenaktivitäten, selbstlenkende Autos, Fahrrad-Schwebebahnen und so weiter, die nicht wirklich Geld einbringen, wirklich sein müssten, ob man nicht lieber mal eine Dividende ausschütten wolle, wirkt Schmidt zum ersten Mal wirklich entspannt und völlig unverstellt.

"So arbeitet Google nicht", sagt er und grinst. "Wir glauben an Innovation. Daran, dass wir die Welt verändern können. Und wir haben jede Menge Geld."