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Delphi-Studie Jobperspektive für Jugendliche mit niedriger Schulbildung immer schlechter

Knapp 15 Prozent der jungen Erwachsenen haben keinen Berufsabschluss. Die Zahl der Ungelernten dürfte weiter steigen, das Angebot für Geringqualifizierte dagegen sinken – für Deutschlands Arbeitsmarkt ein echtes Problem.
Schüler und Lehrer im Unterricht: »Berufliche Perspektiven für Jugendliche mit niedriger Schulbildung werden sich in den nächsten Jahren verschlechtern«

Schüler und Lehrer im Unterricht: »Berufliche Perspektiven für Jugendliche mit niedriger Schulbildung werden sich in den nächsten Jahren verschlechtern«

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UWE ANSPACH/ picture alliance / dpa

Es ist eine gefährliche Mischung: Auf der einen Seite ein Arbeitsmarkt, auf dem die Qualifikationsanforderungen immer höher geschraubt werden – und auf der anderen Seite immer mehr junge Erwachsene, die ohne Abschluss aus dem Bildungssystem kommen. »Die beruflichen Perspektiven für Jugendliche mit niedriger Schulbildung werden sich in den nächsten Jahren verschlechtern«, heißt es in einer neuen Studie von Bertelsmann Stiftung und Deutscher Kinder- und Jugendstiftung.

Bereits heute gibt es in Deutschland den Angaben zufolge 2,16 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss. Das entspricht einem Anteil von 14,7 Prozent der jungen Erwachsenen in dieser Altersgruppe. Diese Zahl, warnen die Autoren, werde bis 2030 noch steigen, das Jobangebot für Geringqualifizierte werde sich gleichzeitig jedoch verringern. Das sei »keine gute Nachricht für den Arbeitsmarkt«.

Einmütiger Blick in die Zukunft

Basis der Prognose der beiden Stiftungen ist eine sogenannte Delphi-Studie. Dabei werden ausgewählte Fachleute um ihre Einschätzungen von zukünftigen Entwicklungen gebeten. Für die Befragung zu den Ausbildungsperspektiven von Jugendlichen im Jahr 2030 hatten die Verfasserinnen und Verfasser rund hundert Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Verwaltung, Bildungspraxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kontaktiert. Fast alle Befragten waren sich dabei einig, dass die duale Berufsausbildung 2030 noch eine große Bedeutung haben werde.

Die wichtigsten Einschätzungen der Expertinnen und Experten zum Ausbildungsmarkt der Zukunft sind dabei von großer Einmütigkeit geprägt:

  • 53 Prozent der Fachleute rechnen »mit steigenden Qualifikationsanforderungen auch in Ausbildungsberufen, die für Jugendliche mit niedriger Schulbildung relevant sind«; weitere 42 Prozent gehen davon aus, dass dies zumindest teilweise der Fall sein wird.

  • 80 Prozent der befragten Fachleute sehen in einer Verbesserung der schulischen Berufsorientierung eine vielversprechende Chance, die Situation der betroffenen Jugendlichen zu verbessern. »Dazu sollte zum Beispiel Berufsorientierung stärker in der Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen verankert werden«, empfehlen die Stiftungen.

  • Und: Eine kontinuierliche und individuelle Begleitung von Jugendlichen beim Übergang von der Schule in die Ausbildung halten 83 Prozent der Fachleute für wünschenswert. Großen Zuspruch findet auch die Idee einer Flexibilisierung des Ausbildungssystems, bei der die Jugendlichen die benötigten Inhalte in ihrem eigenen Tempo in Modulen absolvieren und sammeln können. Dahinter steht die Idee, dass sie so schrittweise zu einem vollwertigen Abschluss kommen.

»Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Thema unserer Zeit, es geht aber auch um die persönliche Zukunft der Jugendlichen«, sagt Andreas Knoke, Abteilungsleiter Programme bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Die Gesellschaft müsse sich fragen, »ob wir es uns weiter leisten können und wollen, dass jedes Jahr viele Jugendliche keinen Anschluss finden.« Gleichzeitig steige die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze. Knoke forderte »endlich entschlossenes Anpacken, um wirklich allen Jugendlichen die Chance auf eine Ausbildung und damit individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen«.

Die für die Studie befragten Fachleute sind jedoch überwiegend skeptisch im Hinblick auf den Ausbildungsmarkt der Zukunft. 85 Prozent rechnen damit, dass es auch 2030 noch erhebliche Passungsprobleme geben werde – also einerseits unbesetzte Ausbildungsstellen, andererseits Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. »Wir müssen allen jungen Menschen eine verlässliche Ausbildungsperspektive bieten«, fordert daher Clemens Wieland, Ausbildungsexperte bei der Bertelsmann Stiftung: »Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung formulierte Ausbildungsgarantie sollte daher schnell und wirkungsvoll umgesetzt werden.«