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Überlastete Justiz Strafprozesse dauern immer länger

Verfahren an deutschen Gerichten ziehen sich länger hin, weil Datenmengen zunehmen und es auch mehr internationale Bezüge gibt. Nun schlägt der Richterbund Alarm.
Justitia-Statue in Frankfurt am Main: Strafverfahren vor Landgerichten dauern im Schnitt zwei Monate länger als noch vor zehn Jahren

Justitia-Statue in Frankfurt am Main: Strafverfahren vor Landgerichten dauern im Schnitt zwei Monate länger als noch vor zehn Jahren

Foto: Arne Dedert / dpa

Die Zahl der Tatverdächtigen, die sich trotz teils gravierender Vorwürfe nie strafrechtlich verantworten müssen, ist hoch. Immer wieder werden einige von ihnen sogar aus der U-Haft entlassen. Denn: Die Gerichte kommen mit der Arbeit nicht hinterher.

Hintergrund ist, dass die Verfahren vor deutschen Strafgerichten immer länger dauern. Die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Strafverfahren vor den Landgerichten sei im vergangenen Jahr nach Daten des Statistischen Bundesamtes auf einen neuen Höchstwert von durchschnittlich 8,2 Monaten gestiegen, beklagt der Deutsche Richterbund.

Im Zehn-Jahres-Vergleich hätten sich Strafprozesse vor den Landgerichten damit um fast zwei Monate verlängert. Auch bei den Amtsgerichten habe sich die durchschnittliche Verfahrensdauer bis zu einem Strafurteil im vergangenen Jahr auf 5,8 Monate verlängert. Gegenüber 2020 sei das ein weiterer Anstieg um einen halben Monat.

»Angesichts stetig wachsender Aufgaben für die Justiz kann eine Trendwende nur mit mehr Personal gelingen«, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn.

Verfahren immer komplexer

Zu den Gründen zählt laut Rebehn auch, dass Strafverfahren immer aufwendiger werden, da internationale Bezüge zunehmen, die Komplexität des Rechts stetig steigt und die auszuwertenden Datenmengen in der digitalen Welt angewachsen sind.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland  sagte Rebehn mit Verweis auf die neue Jahresstatistik zudem, dass es eine »wachsende Zahl« von U-Haft-Entlassungen wegen unverhältnismäßig langer Verfahren gebe.

Rebehn forderte: »Ein Dreivierteljahr nach ihrem Amtsantritt muss die Bundesregierung endlich konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, wie sie die Neuauflage des Bund-Länder-Pakts zur Stärkung der Justiz ausgestalten will.«

In den vergangenen Tagen sorgte darüber hinaus die Frage der Besoldung der Richterinnen und Richter in Deutschland für Diskussionen. Die EU-Kommission hatte angemahnt, die Finanzierung der Justiz insgesamt und einschließlich der Besoldung den europäischen Standards gemäß auszugestalten. Im europäischen Vergleich schneiden die deutschen Bundesländer bislang schlecht ab. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach Kritik geübt.

In diesem Streit meldete sich diese Woche auch der frühere Bundesrichter Thomas Fischer in einem Beitrag für das Rechtsmagazin »Legal Tribune Online«  zu Wort. Er schlug vor, das Besoldungssystem insgesamt zu überdenken und auf sämtliche Hierarchieunterscheidungen bei der Besoldung zu verzichten.

Stattdessen könnte es eine »einheitliche, in allen Instanzen und Funktionen gleich hohe Besoldung aller Richter« geben. Dies müsse in einer Höhe geschehen, die der »herausgehobenen Stellung der Aufgabe entspricht«.

apr/dpa

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