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Krise auf dem Kiez Prostituierte in Hamburg fordern Öffnung der Bordelle

Amüsierlokale sind in Deutschland seit mehr als drei Monaten wegen Corona geschlossen. Prostituierte geraten dadurch in wirtschaftliche Nöte. Das ist aber nicht das einzige Problem.
Hamburgs berühmte Herbertstraße: Prostituierte fordern die Wiederöffnung der Bordelle

Hamburgs berühmte Herbertstraße: Prostituierte fordern die Wiederöffnung der Bordelle

Foto: Markus Scholz/ dpa

"Auch an Sexarbeit hängen Existenzen": Hunderte Prostituierte haben am Samstagabend im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli auf ihre Situation in der Coronakrise hingewiesen. Bordelle und Amüsierlokale sind seit mehr als drei Monaten geschlossen. Das bringt nicht nur wirtschaftliche Probleme mit sich. "Sexarbeit darf nicht durch Corona in die Illegalität abrutschen", stand auf einem der Plakate.

Polizeiangaben zufolge demonstrierten auf der Hamburger Reeperbahn rund 400 Prostituierte und Bordellbetreiberinnen und -betreiber aus ganz Deutschland. Sie forderten die Wiederöffnung der Bordelle und machten ihrem Unmut Luft. "Die Situation ist beschissen", sagte eine Frau, die nach eigenen Angaben seit zwei Jahren in der Hamburger Herbertstraße als Prostituierte arbeitet und ihren Namen nicht nennen wollte.

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Demo in der Herbertstraße: "Der Staat fickt uns, aber er zahlt nicht"

Foto: Markus Scholz/ dpa

Die Demonstrierenden äußerten auch ihren Ärger darüber, dass ihnen offenbar nicht zugetraut wird, Hygieneauflagen einzuhalten. Auf einem der Plakate stand: "Für Steuernzahlen sind wir gut, für den Hygieneplan zu dumm in euren Augen!" Bordelle seien keine Massenveranstaltung, hieß es auf einem anderen. Und: "Wir sind Hygieneprofis."

"Dass sich die jungen Leute in dieser Sache politisch engagieren, ist toll, und es zeigt die Brisanz der Lage", sagte Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. Die Sexarbeiterinnen und -arbeiter hätten sehr lange viel Verständnis für die Corona-Beschränkungen aufgebracht, doch so langsam schwinde die Geduld.

Schweiz: Keine Corona-Fälle nach Bordellbesuchen

Das habe auch damit zu tun, dass in vielen Nachbarländern erotische und sexuelle Dienste bereits wieder erlaubt sind. "In der Schweiz ist Prostitution seit vier Wochen wieder erlaubt, und es hat seitdem keine Corona-Fälle im Zusammenhang mit Bordellbesuchen dort gegeben", so Weber, die seit 27 Jahren in Hamburg als Prostituierte arbeitet.

Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele Menschen in der Sexbranche arbeiten. Im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes hatten sich bis Ende 2018 rund 32.800 Menschen offiziell angemeldet. Dort würden sich Weber zufolge allerdings nur diejenigen melden, die es müssen, weil sie in Bordellen, Laufhäusern, Domina-Studios, Sauna-Klubs oder Ähnlichem arbeiten.

Laut Bundeskriminalamt wurden im selben Jahr mehrere hundert Fälle von Menschenhandel erkannt, in denen rund 430 Menschen Opfer von sexueller Ausbeutung wurden.

jus/dpa