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Fotostrecke: Allianzen mit israelischen Siedlern

Foto: LISI NIESNER/ REUTERS

Allianz von Islamgegnern Rechtspopulisten entdecken Israel als Verbündeten

Von Italien bis Finnland - Europas islamfeindliche Parteien sind eng vernetzt. Jetzt strecken sie ihre Fühler nach den israelischen Konservativen aus. Die Rechtspopulisten wähnen Israel an der Front im Kampf gegen den Islam. Da vergessen sie sogar ihre antisemitischen Vorurteile.

Das 1500-Seiten-Manifest des norwegischen Massenmörders Anders Breiviks ist vor allem eines: ausführlich. Seite um Seite skizziert der Text in allen Einzelheiten die ideologischen Grundlagen seiner Weltanschauung - eine Weltsicht, die ihn dazu gebracht hat, 77 Menschen zu töten.

Es ist ein Dokument, das viele an Breiviks Verstand zweifeln lässt. Aber es hat mit seinen Zitaten und Anleihen aus etlichen Blogs, die gegen Einwanderung oder den Islam gerichtet sind, auch deutlich gemacht, wie weit verzweigt das Netzwerk rechtspopulistischer Gruppen und Parteien in Europa tatsächlich ist. Es reicht vom Front National in Frankreich über Vlaams Belang in Belgien bis zur Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ).

Doch Europas rechtspopulistische Parteien wollen mehr - sie haben neuerdings auch Kontakte zu konservativen Politikern in Israel geknüpft. Wichtigste Anlaufstelle bisher ist Ajub Kara, der für die Likud-Partei des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu im Parlament sitzt und als stellvertretender Minister für die Entwicklung des Negev-Gebietes und Galiläas fungiert.

Warum ausgerechnet der Brückenschlag nach Israel? "Auf der einen Seite", sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kürzlich im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, "finden im Nahen Osten große Revolutionen statt. Wir würden uns freuen, wenn daraus überall Demokratiebewegungen entstehen. Aber ganz sicher kann man sich hier nicht sein, ob wir nicht am Ende rund um Israel, aber auch im Vorhof Europas vielleicht erleben müssen, dass dann islamische Gottesstaaten entstehen."

Israel ist für die Rechtpopulisten also die Frontlinie im Kampf, den sie gegen die angebliche schleichende Islamisierung Europas führen.

Israels Interesse an Europas Rechter

In Israel sehen das nicht wenige genauso, zum Beispiel Eliezer Cohen, ein hochdekorierter Oberst der israelischen Luftwaffe im Ruhestand. Früher war er Abgeordneter von Israel Beitenu, der stramm nationalistischen Partei von Außenminister Avigdor Lieberman, die derzeit in einer Koalition mit Netanjahus Likud das Land regiert. "Europäische Politiker vom rechten Flügel des Parteienspektrums sind sensibler gegenüber den Gefahren, die Israel drohen", behauptet Cohen im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Sie sprechen die gleiche Sprache wie der Likud und andere auf der israelischen Rechten. Ich bin zu alt, um lange drumherum zu reden: Wir hoffen, dass sich die Rechte in Europa durchsetzt."

Bei Ajub Kara klingt das nicht anders. "Ich suche nach Möglichkeiten, den islamischen Einfluss in der Welt zu bremsen," sagte der Likud-Abgeordnete der israelischen Tageszeitung "Maariv" im Juni. "Ich glaube, das sind die wahren Nazis unserer Zeit. Mir ist jeder willkommen, der eingesehen hat, dass uns dieser Krieg bevorsteht."

Auf den ersten Blick würde man die Beziehung europäischer Rechtspopulisten zu israelischen Politikern kaum für eine Liebesheirat halten. Beobachter sehen die FPÖ nur einen kleinen Schritt entfernt von den Gruppierungen der extremen Rechten, zu denen die Freiheitlichen Kontakt halten. Letztere sagen zwar, dass sie nicht antisemitisch seien - und Strache behauptet, dass er sich ihre Haltungen gegenüber Israel und den Juden sehr genau ansehe, bevor er eine Partnerschaft eingehe. Doch es ist nicht schwer, an der Basis dieser Gruppierungen das Gift des extremen Antizionismus und Antisemitismus zu finden.

Andreas Mölzer beispielsweise, der für die FPÖ im Europäischen Parlament sitzt, hat erst vor kurzem eine Kehrtwende hingelegt, um nicht Straches Israel-Strategie zu durchkreuzen. Mölzer gibt eine Wochenschrift namens "Zur Zeit" heraus, die man kaum als israelfreundlich bezeichnen würde. Nach dem Einmarsch in den Gaza-Streifen Ende 2008 wütete das Blatt, Israel würde im "Vernichtungswahn" handeln und versuchen, "die Reste dieses hoffnungslos unterdrückten und unterlegenen palästinensischen Volkes...in diesem Freiluftkonzentrationslager Gaza-Streifen endgültig zu vernichten".

Massive Kritik an Ajub Kara

Beobachter deuten die jüngste Sondierungen der FPÖ in Israel als unaufrichtigen Versuch, außenpolitische Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Die FPÖ wolle wohl salonfähig erscheinen, kommentiert Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. "Grundsätzlich gehen wir im Fall der FPÖ nach wie vor von einem ideologischen Primat des (impliziten) Antisemitismus aus."

Das sehen zumindest die Medien in Israel auch so. Als sich Kara in Berlin kürzlich mit dem deutsch-schwedischen Rechtspopulisten Patrick Brinkmann traf, wurde er von der israelischen Presse massiv angegangen. "Stellvertretender Minister trifft Neonazi-Millionär", lautete die Schlagzeile in der israelischen Tageszeitung "Jediot Acharonot". Der Autor stellte fest, dass der angeblich nicht antisemitische Brinkmann einst enge Verbindungen zu den Rechtsextremen in der deutschen NPD unterhalten hatte. Und nach dem Treffen des Likud-Abgeordneten mit FPÖ-Chef Strache forderte Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Premier Netanjahu in einem offenen Brief auf, Kara zu feuern.

Allianzen mit israelischen Siedlern

Was den konservativen Israelis an den Rechtsauslegern in Europa gefällt, ist ihr gemeinsamer Nenner. Von den Echten Finnen über Front National und FPÖ bis zur Lega Nord - sie alle eint die Ablehnung der muslimischen Einwanderung und ihrer Symbole. Die Parteien der Rechtspopulisten

  • stemmen sich gegen den Bau von Minaretten,
  • sehen Europa durch die hohen Geburtenraten der Muslime bedroht
  • wollen das christliche Abendland gegen den Islam verteidigen

"Seit Jahrzehnten haben Politiker in Europa die demografische Entwicklung verschlafen. Wir erleben heute eine Entwicklung, wo wir zu Recht warnen müssen, dass wir die Islamisierung Europas erleben könnten", formuliert Strache etwas umständlich. Sein Fazit hingegen ist unmissverständlich: "Wir wollen keine islamische Gesellschaft werden."

Der Erste, der das so sah und handelte, war Geert Wilders. 2008 machte er mit seinem antimuslimischen Film "Fitna" Schlagzeilen. Im selben Jahr knüpfte er erste Kontakte nach Israel und hat das Land seither mehrmals besucht. Auch in dieser Hinsicht hat er unter den europäischen Rechtspopulisten die Vorreiterrolle übernommen. Richtig Schwung kam in die Beziehungen zwischen Israelis und den Rechtsauslegern jedoch erst Ende vergangenen Jahres, als sich gleich eine ganze Reisegruppe auf den Weg nach Israel machte:

  • FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache,
  • Vlaams-Belang-Chef Filip Dewinter,
  • Kent Ekeroth von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna)
  • und René Stadtkewitz, der im Oktober vergangenen Jahres die deutsche islamkritische Partei "Die Freiheit" gegründet hatte.

Der Besuch wurde bald erwidert: Kara und andere israelische Aktivisten reisten Ende Dezember nach Wien. Der Austausch wurde anschließend fortgeführt, unter anderem mit Karas Besuch bei Brinkmann in diesem Juli.

Die Partner, die sich Europas Rechtspopulisten in Israel gesucht haben, sind - wohl kaum überraschend - dort selbst deutlich rechts der Mitte angesiedelt. Kara selbst, der zur Minderheit der Drusen gehört und einen kurzen Draht zu Netanjahu haben soll, opponierte gegen den Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen und ist ein treuer Unterstützer der jüdischen Siedlungen in der Westbank. Gershon Mesika, der die Delegation aus Europa im vergangenen Dezember empfing, zählt zu den Führern der Siedler in der Westbank.

Den Gegenbesuch traten dann Hillel Weiss und David Ha'ivri an. Beide sind als Anhänger des sogenannten Neo-Zionismus überzeugt davon, dass es unmöglich sei, mit Arabern friedlich zusammenzuleben. Sie reisten im April dieses Jahres nach Deutschland und besuchten eine Konferenz, die von der rechtspopulistischen Bewegung Pro-NRW veranstaltet wurde. Die beiden israelischen Aktivisten hoffen, dass eine pan-europäische Plattform entsteht, die Israel im Widerstand gegen die "vorrückende Flut des Islam" unterstützt.

Nach den diversen Wahlerfolgen der rechtspopulistischen Formationen sind die Israelis überzeugt, dass sie mit Strache und Co. auf das richtige Pferd setzen.

Israel als Bollwerk Europas gegen den Islam

David Lasar, Mitglied der Wiener Stadtregierung für die FPÖ, erklärt das Interesse der Israelis so: "Ich denke, dass auch Israel ein Land ist, wo man sagt: Dies ist unsere Heimat und wir können unsere Grenzen nicht öffnen und jeden reinlassen, wie das in Europa passiert ist. Das ist der Grund, warum man in Israel heute mehr auf die rechten als auf die linken Parteien in Europa vertraut."

Lasar selbst ist Jude und einer der wichtigsten Akteure in den Bemühungen, die Beziehungen zwischen Israel und den rechten Europäern zu festigen. Seine Haltung zu Israel steht dabei allerdings im Widerspruch zur bisherigen Nahost-Politik seiner Partei. Während Lasar im Rahmen der Friedensverhandlungen alle Forderungen ablehnte, dass Israel Ost-Jerusalem aufgeben oder sich aus den Siedlungsgebieten zurückziehen solle, pflegte die FPÖ traditionell gute Beziehungen zu arabischen Führern wie Muammar al-Gaddafi und sah selbst Amerikas harte Haltung gegenüber Iran skeptisch.

Das aber, machte Strache klar, soll sich nun ändern: "Es gibt Bereiche, wo wir Europäer nicht schlafen dürfen und wo wir nicht zuschauen dürfen. Wenn Israel Gefahr läuft, vernichtet zu werden, hätte das selbstverständlich auch zur Folge, dass Europa seine Existenzgrundlage verliert."

Übersetzung: Frank Patalong