Zum Inhalt springen

Reding in Washington Europa schickt die streitlustige Kommissarin

Die Europäer wollen in Sachen NSA-Überwachung hart bleiben und verlangen besseren Schutz ihrer Bürger vor Amerikas Spähern. EU-Justizkommissarin Viviane Reding reist nun in die USA, im Gepäck hat sie eine Menge Forderungen.
EU-Kommissarin Reding: "Grundrechte kann man nicht verhandeln"

EU-Kommissarin Reding: "Grundrechte kann man nicht verhandeln"

Foto: GEORGES GOBET/ AFP

Washington/Brüssel - Will die Europäische Union keinerlei Zweifel lassen, dass sie in einer Sache nicht so schnell aufgibt, dann schickt sie Viviane Reding vor. So wie am Montag, wenn die streitlustige EU-Justizkommissarin in Washington mit ihrem US-Amtskollegen Eric Holder erneut über die Folgen der NSA-Spähaffäre verhandeln wird.

Reding hat in der amerikanischen Hauptstadt einen Ruf wie Donnerhall - als unbequeme Gegnerin. Ihre entschiedenen Vorstöße, auch für Europäer jenen Datenschutz durchzusetzen, den die US-Regierung bislang nur amerikanischen Staatsbürgern gewährt, reizte einen hochrangigen Transatlantiker in Washington zur Häme: "Will Reding die großen US-Firmen weiter von Europa fernhalten, muss sie sich nicht wundern, wenn Europa bald ähnlich abgeschnitten wie Nordkorea ist."

Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE war der Kampfgeist von Reding vor dem Treffen mit Holder aber ungebrochen: "Datenschutz ist in Europa Grundrecht", sagte sie. "Grundrechte kann man nicht verhandeln, Punkt." Wegen des massiven Missbrauchs persönlicher Daten stecke die transatlantische Beziehung in einer echten Vertrauenskrise, so Reding. "Das bisherige Vorgehen der Amerikaner ist schockierend. Ich bin in Washington auf Erkundungsmission: Sind die Amerikaner bereit, verlorengegangenes Vertrauen wieder herzustellen? Sind sie bereit, uns als Partner und nicht als Gegner zu sehen?"

"US-Regierung muss Rechtschutz für EU-Bürger garantieren"

Sicher ist sich die Kommissarin nicht, wie die Antwort ausfällt. Das bestehende EU-US-Rechtshilfeabkommen - geschlossen insbesondere mit Blick auf amerikanische IT-Unternehmen in Europa, deren Daten von US-Behörden abgefragt werden können - hielten die Amerikaner bislang nicht ein, klagt Reding. Daher fordert Reding: "Die amerikanische Regierung muss den Rechtsschutz für EU-Bürger in den USA garantieren, wenn sie ein Rahmenabkommen bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit wünscht. Ich will da Klarheit haben. Das Europaparlament wird niemals einem Rahmenabkommen zustimmen, wenn dieser Punkt nicht geklärt ist."

Fraglich ist nur, ob sich die Amerikaner von Redings Entschlossenheit beeindrucken lassen. Bislang signalisieren US-Regierungskreise, dass sie auch nach dem Abschluss des geplanten Freihandelsabkommen mit der EU weitgehend ungehinderte Datenströme für Internetanbieter wie Google, Amazon oder Microsoft durchsetzen wollen. Schließlich befinden diese sich in einer starken Verhandlungsposition, beherrschen sie doch den Weltmarkt - während die Europäer bislang wenig unternommen haben, um Internet-Anbieter aufzubauen, die mit den US-Angeboten konkurrieren könnten.

Auch politisch deutet sich zunächst wenig Veränderung an: Als der republikanische Kongressabgeordnete Jim Sensenbrenner gerade in Brüssel seine Pläne für schärfere NSA-Überwachung vorstellte, spielte die Privatsphäre von Ausländern keine Rolle. Es ging um bessere Kontrolle der Geheimdienstaktivitäten auf amerikanischem Boden. Auch ein vieldiskutierter Vorstoß der Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Dianne Feinstein, brächte kaum Fortschritte. Denn danach könnten Nicht-US-Bürger gar 72 Stunden lang ohne jede richterliche Genehmigung überwacht werden.

Kerrys "transatlantische Renaissance"

Die Amerikaner wollen nach SPIEGEL-Informationen lieber auf Diplomatie setzen. Außenminister John Kerry werde nach Berlin fahren, sobald die neue Bundesregierung im Amt ist, heißt es in Washington. Seine geplante Reise ist Teil einer diplomatischen Offensive, um dem Unmut der Europäer über die amerikanische Spionage zu begegnen. Kerry hat bereits eine "transatlantische Renaissance" angekündigt. Seine Europa-Staatssekretärin Victoria Nuland betonte, man wolle nun "doppelt so stark" auf enge Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA setzen - etwa beim geplanten Freihandelsabkommen oder der Energiesicherheit.

Eine hochrangige Delegation um den Vorsitzenden des Unterausschusses für Europa im US-Senat, den Demokraten Christopher Murphy, wird nach jetzigem Stand bereits am 24. und 25. November in der deutschen Hauptstadt erwartet. Am Tag darauf planen die Abgeordneten einen Abstecher nach Brüssel. Man wolle die "berechtigten Sorgen unserer europäischen Partner über Ausmaß und Ausgestaltung einiger US-Überwachungsprogramme" diskutieren, sagte Murphy.

Doch steht das Weiße Haus hinter derlei Versöhnungs-Avancen? Eine offizielle Entschuldigung von Präsident Obama für das Abhören von Merkels Handy steht weiter aus. Als Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice beim Aspen Ideas Forum vorige Woche einen raren öffentlichen Auftritt absolvierte, war der NSA-Skandal kein Thema.

SPIEGEL-Titelgeschichte

Gespräche mit einem Phantom: Cornelius Gurlitt über das Geheimnis seiner Bilder

Digitaler SPIEGEL 47/2013:Gespräch mit Cornelius Gurlitt