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Video des gefangenen Soldaten Schalits Eltern verkneifen sich den Jubel

Er ist blass und mager, aber am Leben: Das Video, das den verschleppten Soldaten Gilad Schalit zeigt, wird in Israel mit Erleichterung aufgenommen. Der Vater hofft nun, dass sein Sohn wirklich freigelassen wird - und sagt SPIEGEL ONLINE: "Wir sind den deutschen Vermittlern sehr dankbar."
Video des gefangenen Soldaten: Schalits Eltern verkneifen sich den Jubel

Video des gefangenen Soldaten: Schalits Eltern verkneifen sich den Jubel

Foto: A2800 epa Hollander/ dpa

"Schalom" beginnt er seine vom Blatt abgelesen Botschaft . "Ich bin Gilad Schalit, Sohn von Aviva und Noam Schalit, Bruder von Hadas und Yoel." Dann spricht der Soldat in israelischer Uniform seine Armee-Kennnummer und das Datum in die Kamera, schaut auf, lächelt schief.

1195 Tage hat die Familie des inzwischen 23-jährigen Israelis auf diesen Moment gewartet: Seit Gilad Schalit am 25. Juni 2006 von einem palästinensischen Kommando auf der israelischen Seite der Grenze zum Gaza-Streifen gefangen genommen wurde, ist dies das erste Mal, das seine Familie sich einen visuellen Eindruck von seiner Gesundheit, seinem Geisteszustand machen kann. In drei Jahren und drei Monaten hatten die Schalits, die in einem Dorf in den grünen Hügeln Nordisraels leben, nur drei Briefe und eine Audio-Botschaft ihres Sohnes erhalten.

Das letzte Lebenszeichen stammte vom Juni vergangenen Jahres, danach stagnierten die Verhandlungen mit der in Gaza herrschenden Hamas, die im Gegenzug für die Freilassung des Soldaten über 1000 palästinensische Häftlinge freigelassen sehen will. Nun kam Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen: Seit August vermitteln deutsche Geheimagenten zwischen Israel und der Hamas. Die Männer des Bundesnachrichtendienstes schalteten sich auf Bitten Israels ein, nachdem der ursprüngliche Vermittler Ägypten in drei Jahren die Verhandlungen nicht vorantreiben konnte. Indem sie den jetzigen Deal einfädelte, bei dem Israel zwanzig weibliche palästinensische Häftlinge gegen eine DVD mit Aufnahmen Schalits eintauschte, haben die Deutschen ein erstes Etappenziel erreicht: Es könnte der Startschuss für einen späteren Gefangenenaustausch sein.

Dankbarkeit gegenüber den Deutschen

Im Hause Schalit war die Dankbarkeit gegenüber den deutschen Vermittlern deshalb am Freitag auch groß. "Wir danken den Deutsche sehr für die von ihnen geleistete Arbeit", sagte Vater Noam Schalit, kurz nachdem die Familie die per Militär-Helikopter nach Mitzpe Hila gebrachte DVD angeschaut hatte. Die Deutschen hätten in kürzester Zeit ein Ergebnis herbeigeführt. "Es war richtig, dass sie in die Verhandlungen eingestiegen sind", so Schalit telefonisch gegenüber SPIEGEL ONLINE.

Nach der ersten Durchsicht des Videos von seinem Sohn war Noam Schalit jedoch nur vorsichtig optimistisch. "Er scheint okay zu sein, auch wenn man das vom Fernseher weg nicht so genau sagen kann", sagt der Vater. Er könne nicht erkennen, ob das Lächeln seines Sohnes echt gewesen sei: "Ich bin kein Analyst und kein Arzt, ich weiß es einfach nicht." Die Familie sei zwar erleichtert, dass sie Gilad gesehen habe, die Last aber werde erst von ihnen abfallen, wenn der Sohn daheim sei, so Schalit Senior. "Wir sind immer noch sehr besorgt um seine Gesundheit, auch um seine geistige Verfassung", so der Vater. Dementsprechend sei es auch kein Freudentag für die Familie. "Wir sind sehr weit davon entfernt, zu feiern."

In seiner Botschaft versichert Gilad Schalit seiner Familie, dass er sie liebt und erinnert an einen Familienausflug. "Vati, Yoel und Hadas, erinnert ihr euch an den Tag, an dem ihr mich in meinem Stützpunkt auf den Golan-Höhen besucht habt?" Sie hätten Fotos gemacht und hätten später in einem Restaurant in einem der drusischen Dörfer gegessen. "Ich hoffe auf den Tag, an dem ich sie wiedersehen werde", sagt der junge Mann über seine Familie.

Mit den Schalits hatte die gesamte israelische Fernsehnation den Freitag über auf die ersten bewegten Bilder des verschleppten Solldaten gewartet. Die großen TV-Kanäle brachten stundenlang Sondersendungen, die ihren Höhepunkt in der Ausstrahlung der zwei Minuten und 42 Sekunden langen Aufnahmen Gilads fanden.

Dass die Israelis sich das Schicksal des Gefangenen derart zu eigen machen, liegt unter anderem daran, dass Männer wie Frauen in der Armee dienen. Schalit, der während seines Militärdienstes verschleppt wurde, steht damit für alle Israelis: Es hätte auch jeden anderen treffen können. Dementsprechend ist der Soldat längst zur öffentlichen Figur geworden. Aufkleber, die mit seinem Foto seine Heimkehr fordern, prangen auf vielen israelischen Kofferraumdeckeln.

Wohin sollen die Freigelassenen ausreisen?

Aktivistengruppen und Oppositionspolitiker bemängeln immer wieder, dass der israelische Staat nicht genug tat, um den gefangenen Soldaten heimzuholen. Auch Noam Schalit äußerte sich am Freitag kritisch: Die letzte Regierung unter Ehud Olmert habe nicht genug getan, um seinen Sohn nach Hause zu holen. "Sie hätten schon vor sehr langer Zeit sehr viel mehr tun können." Vor allem das Beharren auf Ägypten als einzigem Vermittler habe kostbare Zeit gekostet. "Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass Israel die Deutschen früher hätte einschalten sollen. Aber sie sind erst ganz kurz dabei und haben schon Resultate erzielt."

Die deutschen Vermittler werden in den kommenden Monaten versuchen, den beiden verfeindeten Verhandlungsparteien einen Kompromiss abzuringen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wer freigelassen wird. Die Wunschliste der Hamas beinhaltet etwa 450 Namen von Männern, die die Islamisten freigelassen sehen wollen. Zusätzlich sollen etwa tausend Frauen und Kinder frei kommen. Bei einigen der Männer hat Israel Widerspruch eingelegt, weil die Häftlinge Terroranschläge geplant oder ausgeführt haben.

Umstritten ist zudem, wohin die Freigelassenen ausreisen sollen. Israel will dem Vernehmen nach mehrere Dutzend Männer ins Exil statt heim in den Gaza-Streifen oder das Westjordanland schicken. Die Hamas besteht darauf, dass dieses Exil zeitlich begrenzt sein muss. Der Handel, bei dem am Freitag 19 palästinensische Frauen aus israelischen Gefängnissen entlassen wurden und den deutschen Vermittlern dafür das Video mit den Aufnahmen Schalits übergeben wurde, wird als Zeichen gewertet, dass die Verhandlungen voranschreiten. Die israelischen Unterhändler warnten jedoch vor verfrühter Euphorie. Es werde vermutlich noch Monate dauern, bis Schalit heimkehre.