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CSU-Affront gegen Merkel Seehofer rechtfertigt Abkanzeln der Kanzlerin

Erst lässt CSU-Chef Seehofer die Bundeskanzlerin auf der Parteitagsbühne schlecht aussehen und kritisiert sie massiv, dann rechtfertigt er sich: Er sei "enttäuscht" gewesen von der Botschaft Merkels. CDU-Politiker sind empört.
Horst Seehofer in München: Der CSU-Chef erntet Kritik aus der CDU für sein Verhalten gegenüber Merkel

Horst Seehofer in München: Der CSU-Chef erntet Kritik aus der CDU für sein Verhalten gegenüber Merkel

Foto: Joerg Koch/ Getty Images

CSU-Chef Horst Seehofer hat seinen persönlichen Angriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel nach deren Rede auf dem CSU-Parteitag in München gerechtfertigt: "Zuallererst war ich nicht von der Rede enttäuscht, sondern von der Botschaft", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". Merkel habe "keinen einzigen Satz" zum Anliegen der CSU gesagt, die Zahl der Flüchtlinge mit einer Obergrenze zu reduzieren. "Kein Zeichen der Verständigung, obwohl sie meine Position kennt."

Seehofer betonte, dass es "keinen Bruch" zwischen ihm und Merkel gebe. "Wir werden trotz mancher unterschiedlicher Position weiter gut zusammenarbeiten", sagte der bayerische Ministerpräsident. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Bild am Sonntag": "Trotz unterschiedlicher Meinungen bleiben CDU und CSU eine starke Gemeinschaft."

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Hintergrund: Seehofer hatte Merkel sehr unangenehm dastehen lassen nach ihrer Rede beim Parteitag der CSU. Der CSU-Chef kritisierte die Kanzlerin auf offener Bühne: "Wir sind der Auffassung", sagt er, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur Bewältigung der Flüchtlingsthematik nicht auf Dauer zu haben ist, "wenn wir nicht zu einer Obergrenze kommen". Merkel hatte sich zuvor nicht auf eine Obergrenze festlegen wollen.

"Du weißt, dass wir hartnäckig an diesem Ziel arbeiten", machte Seehofer weiter, "wir sehen uns bei diesem Thema wieder." Schließlich drohte Seehofer noch indirekt mit dem Bruch der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU: "Wir sind Schwesterparteien, und wir wollen das nach aller Möglichkeit auch weiter miteinander unternehmen, auch mit unserer Bundestagsfraktion." Er trage "die Hoffnung im Herzen", dass man sich "noch irgendwie verständigen" könne.

Kritik an Seehofers Verhalten kam aus der CDU. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der "Bild am Sonntag": "Dies war keine Demütigung von Angela Merkel. Dies war der Unterschied zwischen einem Parteivorsitzenden auf einem Parteitag und einer Kanzlerin, die Verantwortung für Deutschland und Europa trägt."

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Fotostrecke: Merkel auf dem CSU-Parteitag

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Dass es die Kanzlerin bei der CSU angesichts der anhaltenden Differenzen in der Flüchtlingspolitik nicht leicht haben würde, war klar. Horst Seehofer wird sich jetzt bestimmt fragen, wie er wohl in Karlsruhe empfangen wird." Dort findet im Dezember der CDU-Parteitag statt.

Auch Politiker anderer Parteien reagierten mit verhaltener Empörung auf Seehofers Affront. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warf Seehofer vor, sich "oberlehrerhaft und unerhört gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin" verhalten zu haben: "Gerade in der jetzigen Situation ist das Verhalten von CSU und Seehofer unverantwortlich", sagte Fahimi dem Blatt.

Die Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth, sagte der "Bild am Sonntag": "Es gehört sich nicht, dass man eine Frau vor versammelter Mannschaft derart vorführt. Das zeugt von einer schlechten Kinderstube." Mit seinem Verhalten habe sich Seehofer vom "demokratischen Grundkonsens" verabschiedet.

Im Video: Der Samstag bei der CSU

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