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DC-3 in Kolumbien: Mit Oldtimern in den Dschungel

Foto: Bernd Kubisch/ picture alliance / Bernd Kubisch/dpa

DC-3-Flug ins Amazonasbecken Rosinenbomber auf Kolumbianisch

Als sogenannter Rosinenbomber wurde die Douglas DC-3 berühmt. Heute sind nur noch wenige der über 70 Jahre alten Maschinen im Dienst. In Kolumbien verbinden sie entlegene Dörfer mit der Außenwelt - ein Flug ist für Oldtimer-Fans ein Geheimtipp.

20 Passagiere sitzen mit dem Rücken zum Fenster. Rund 400 Küken piepen und tschilpen in Kartons mit Luftlöchern. Die zwei Propeller des blank polierten, silberfarbenen Flugzeugs springen an, dann hebt es laut brummend vom kolumbianischen Airport Villavicencio ab.

Die DC-3 von Air Colombia ist Baujahr 1942. Ihr Typ in Deutschland ist gut bekannt, denn die Militärvarianten des von der Douglas Aircraft Company gebauten Flugzeugs flogen hier als sogenannte Rosinenbomber. Mit ihnen versorgten die Alliierten West-Berlin während der sowjetischen Blockade vor fast 70 Jahren.

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DC-3 in Kolumbien: Mit Oldtimern in den Dschungel

Foto: Bernd Kubisch/ picture alliance / Bernd Kubisch/dpa

Zwölf der Oldtimer sind noch heute ab Villavo, so der Kurzname für Villavicencio, im Einsatz. Es liegt gut 120 Kilometer südöstlich von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Die DC-3-Maschinen sind unverwüstlich und gelangen zu abgelegenen Dörfern, die anders als auf dem Luftweg schwer zu erreichen sind. Sie liegen in dem riesigen Savannengebiet Los Llanos mit Viehherden, Cowboys, Haciendas und im Amazonasbecken - dort, wohin keine Straße mehr führt.

Viele der Passagiere an Bord sind Ureinwohner. Breite Riemen, die Kisten und Säcke sichern, versperren ihnen teilweise die Sicht auf die gegenübersitzende Person. Die meisten Reisendem sind angeschnallt, aber Sicherheitshinweise und Gurtkontrollen gibt es nicht. Eine Reise mit einer DC-3 empfiehlt Georg Rubin auch Touristen. "Die Flüge sind ein unvergessliches Abenteuer, bisher international fast unbekannt", sagt der Geschäftsführer der Reiseagentur Kontour Travel  in Bogotá.

Lastwagentransport im Oldtimer

Ziel des heutigen Flugs ist das Städtchen Barranco Minas. Es hat rund 4000 Einwohner und liegt direkt am Guaviare-Fluss. Die Bewohner betreiben Fischfang und ein bisschen Agrar- und Gartenbau. Es gibt einen Flusshafen, Holz- und Steinhäuser, Restaurants, die Fisch anbieten, eine katholische Kirche, zwei Schulen und eine kleine Disco. Die Indígena-Völker der Region haben ihre eigenen Sprachen, Spanisch lernen sie oft erst in der Schule.

Um die Sicherheit der über 70 Jahre alten Maschinen müssten Reisende sich keine Sorgen machen, sagt zumindest Joaquin Sanclemente. "Die Inspektionsintervalle sind kurz, die Checks enorm gründlich", sagt der erfahrene Air-Columbia-Pilot. Allein im DC-3-Cockpit habe er über 10.000 Flugstunden absolviert, erzählt er in gutem Englisch. Auf Charterflügen hat er in den alten Propellermaschinen auch schon teure Rennpferde sowie in Teile zerlegte Lastwagen und Traktoren transportiert.

Sanclemente kennt die Geschichte der sogenannten Rosinenbomber und weiß eine Menge über die Luftbrücke während der Blockade West-Berlins durch die kommunistische Sowjetunion. Der kalifornische Flugzeughersteller Douglas hat die DC-3-Typen nur zwischen 1935 und 1945 produziert. Die westlichen Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich versorgten mit ihnen von Juni 1948 bis September 1949 die Bewohner West-Berlins mit allem zum Leben Notwendigen.

Sanclemente hat auch die Übersetzungen für "Rosinenbomber" parat, nämlich "candy bomber" und "raisin bomber". Luftwaffenpiloten warfen damals für Kinder kleine Fallschirme mit Süßigkeiten ab und hatten Trockenfrüchte an Bord. Wie damals in Deutschland transportieren DC-3-Maschinen heute in Kolumbien Lebensmittel, Baustoffe und Medikamente, in Notfällen auch Schwerkranke.

"Vertrauen ist gut, Kontrolle besser"

Die Maschine macht eine Zwischenlandung in Cumaribo, einer Siedlung in der Einsamkeit. Das Flugfeld hat eine asphaltierte Bahn und eine Holzbaracke. Die DC-3 könnte aber auch auf einer Gras- oder Sandpiste landen.

Die Crew prüft den Treibstofftank manuell, obwohl die Anzeige im Cockpit funktioniert. "Vertrauen ist gut, Kontrolle besser", sagt der Copilot. Die nächste Stopp ist in Inirida am Orinoca im Amazonasbecken, dieses Mal auf einem richtigen Flughafen. Die DC-3 parkt zwischen einer Militärmaschine und einem Ambulanzflugzeug.

Um 15 Uhr - nach sechs Stunden Reisezeit und einigen Umwegen - landet das Flugzeug schließlich in Barranco Minas. Bilanz: drei Starts, drei Landungen, knapp 800 DC-3-Flugkilometer für gut 110 Euro. Für manche Einheimische ist das ein Monatslohn. Nur 30 Minuten später landet eine andere DC-3, diese gehört der Airline Laser Aéreo.

Der einzige Mitarbeiter im kombinierten Passagier- und Gepäckraum des Flugzeugs, ein Mann um die 50, hilft Müttern und Kindern beim Aussteigen und auch beim Entladen der Küken. Soldaten kontrollieren die Passagiere am Flughafen freundlich und posieren für Fotos. Ein Gast aus den USA überragt mit seinen etwa 1,75 Meter viele Einheimische um fast einen Kopf.

Beim Rückflug fehlt das Piepen der Küken. Drei junge Männer öffnen ihre mitgebrachten Bierbüchsen. Es riecht nach Fisch. Der gekühlte Fang, in Säcke verstaut, muss schnell zu den Käufern in Villavicencio. Die Stadt erwartet im September einen prominenten Gast: Papst Franziskus wird hier eine Messe abhalten.

Bernd Kubisch, dpa/bbr