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Daniel Raecke

Der Kniefall von Berlin Nicht schlimm, aber belanglos

Die Spieler von Hertha BSC haben sich mit protestierenden US-Sportlern "solidarisiert". Haben sie damit die USA verhöhnt? Unsinn. Haben sie ein wertvolles Zeichen gesetzt? Leider auch nicht.
Spieler von Hertha BSC

Spieler von Hertha BSC

Foto: Annegret Hilse/ dpa

Haben die Fußballprofis von Hertha BSC mit ihrem Kniefall vor dem Bundesligaspiel gegen Schalke 04 ein starkes Zeichen "für Vielfalt, Toleranz und Verantwortung" gesetzt? Oder war der Protest vielmehr "dumm und unangebracht", wie die "Bild"-Zeitung kommentiert ?

Zumindest die zweite Frage kann man schnell beantworten: Wie "Bild" zu behaupten, die Spieler würden die amerikanische Fahne "verhöhnen", ist noch abwegiger als die gleiche Aussage von US-Präsident Donald Trump über die amerikanischen Sportler, die mit Kniefällen oder anderen Gesten beim Abspielen der Nationalhymne protestieren.

Schon Trump nimmt ja eine Bedeutungsverschiebung vor, wenn er unterstellt, Sportler wie Colin Kaepernick würden gegen die Flagge oder das ganze Land demonstrieren. Der Protest richtete sich im Kern dagegen, dass Schwarze in den USA unverhältnismäßig oft Opfer von Polizeigewalt werden.

Wie ein Twitter-User treffend anmerkte, ist die Behauptung, protestierende schwarze Sportler würden "gegen die Fahne" demonstrieren, so absurd wie die These, die Bürgerrechtlerin Rosa Parks habe gegen den öffentlichen Nahverkehr protestiert, als sie sich 1955 in Alabama weigerte, einem weißen Fahrgast ihren Platz zu überlassen.

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Dennoch ist es Trump gelungen, die Protestaktionen als "unpatriotisch" zu stigmatisieren. Seit seinen wiederholten verbalen Attacken werden demonstrierende Sportler von großen Teilen der Fans ausgebuht. Und das selbst dann, wenn sie vor dem Abspielen der Hymne protestieren.

Die Aktionen dennoch aufrechtzuerhalten, erfordert Mut. Kaepernick selbst, der Initiator, hat seine Haltung damit bezahlt, dass er seit Monaten arbeitslos ist. Kein Team will ihn verpflichten. Diesen Mut bringt Hertha BSC nicht ansatzweise auf. Die "Welt" hat die Aktion treffend als PR-Maßnahme zusammengefasst .

Tut so etwas jemandem weh? Nein, es gibt sicher Schlimmeres als ein vages Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Aber es wurde im Berliner Olympiastadion keine Hymne gespielt, es wurde in der Social-Media-Strategie des Klubs nichts und niemand konkret kritisiert. Es ging eher um ein allgemeines Image: Wir sind die Guten.

Auch die Erklärung des Vereins bleibt völlig im Ungefähren: "Wir sind West, Ost und Mitte" heißt es da wie in einer Buddhismus-Doku. "Berlin ist bunt!" lässt sich indirekt vielleicht als Aussage gegen Menschen und Parteien verstehen, denen es in Berlin zu bunt geworden ist. "Werte wie Toleranz, Verantwortung, Mut" ließen sich aber besser "aus tiefer Überzeugung" vermitteln, wenn man auch den Mut hätte, irgendeinen konkreten gesellschaftlichen Missstand zu benennen und anzuprangern.

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Die erhoffte Wirkung hatte der Kniefall gleichwohl. Internationale Medien berichteten, wildfremde Amerikaner erklärten, Hertha BSC sei ab sofort ihr Lieblingsverein. Und der Hass von Rassisten in sozialen Netzwerken war Hertha auch gewiss, wie inzwischen bei jedem öffentlichen Statement, das halbwegs von Menschlichkeit und Anstand getragen ist.

Als Positionierung der Marke Hertha BSC war die Geste also erfolgreich, ganz so, wie es sich der "Agenturpartner" des Vereins wohl auch vorgestellt hatte. Das aber auf Kosten nicht etwa der abwesenden US-Fahne, sondern auf Kosten der US-Sportler. Deren Protest wird seiner eigentlichen Bedeutung beraubt und auf eine rebellische Geste reduziert. Irgendwie ist das dann wohl doch: "unangebracht".

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