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Null Bock auf Schule Schwänzen, bis die Polizei kommt

Sie vergnügen sich in Spielhallen und Internet-Cafés, während ihre Altersgenossen über Matheaufgaben und Aufsätzen schwitzen: Etwa 400.000 Schüler schwänzen in Deutschland den Unterricht. Der niedersächsischen Landesregierung ist das fruchtlose Herumhängen der Minderjährigen schon lange ein Dorn im Auge.

"Anketten kann man sie nicht" - so oder so ähnlich klingen die Ausreden der Eltern, wenn ihre Sprösslinge nicht in der Schule erscheinen. In der Landeshauptstadt Hannover sieht man das Problem weniger entspannt. Nachdem die Zahl der abwesenden Schüler ständig zunahm, rief der Landespräventionsrat Niedersachsen ein Anti- Schwänzer- Programm ins Leben: Das "Projekt zur Vermeidung unentschuldigter Abwesenheit vom Unterricht"  soll bildungsunwillige Schüler und nachlässige Erziehungsberechtigte jetzt zur Raison bringen.

Als Vorbild im Kampf gegen Schulschwänzer dient von jeher der Freistaat Bayern. Bereits 1998 wurde hier das "Nürnberger Modell" gestartet, zwei Jahre später folgte die nahezu identische Münchner "Schulschwänzer Initiative". Auch in Hannover fahren Beamte durch die Innenstädte und durchforsten Kaufhäuser, Internet-Cafés und Spielhallen nach potenziellen Schulverweigerern.

Die Schulen machen Verträge mit den Eltern und erinnern im Ernstfall auch mit einer Ordnungsstrafe an die herrschende Schulpflicht. Denn häufig nehmen Mutter und Vater es mit der gesetzlich vorgeschriebenen Anwesenheitspflicht nicht so genau oder sie haben auf Grund der eigenen Berufstätigkeit keine Kontrolle über den Schulbesuch ihrer Sprösslinge. Jetzt sollen patroullierende Polizeibeamte die Kids von der Straße und zurück in die Schule holen.

Die unentschuldigte Abwesenheit vom Unterricht ist in vielen Fällen ein Zeichen dafür, dass zuhause etwas nicht stimmt. Doch abgesehen von persönlichen Familienschicksalen hat das Schwänzen auch einen anderen Charakter bekommen: Im Gegensatz zu früher weigern sich heute viele Kinder nicht mehr nur periodisch sondern ständig, die Schule zu besuchen.

SPIEGEL TV hat die Polizei in Hannover auf Schulschwänzerstreife beobachtet. Bei jedem Einsatz erwischten die Ordnungshüter zuhauf Kinder, die eigentlich in die Schule gehörten - das jüngste war gerade mal neun Jahre alt. Ein Beispiel für die traurigen Folgen der chronischen Unlust am Lernen: Ein Mädchen aus der achten Klasse konnte weder lesen noch schreiben. Auch griffen die Beamten eine Schwänzerin auf, die von ihrer Mutter begleitet wurde.


HÄRTERE STRAFEN FÜR SCHWÄNZER


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Schwänzen unter erschwerten Bedingungen: Das Pilotprojekt der Niedersächsischen Landesregierung

Das Pilotprojekt startete im August 2002 in den Städten Delmenhorst, Braunschweig und Hannover sowie in den Landkreisen Friesland und Osnabrück. Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren sammeln die beteiligten Institutionen Daten und wissenschaftlich verwertbare Erfahrungswerte zum Thema Schulschwänzen und Prävention.

Die niedersächsische Landesregierung war schon im Vorfeld bemüht, ihre ungewöhnlichen Maßnahmen mit harten Fakten zu untermauern: So bekannte laut einer Umfrage über die Hälfte von mehr als 10.000 Schülern der neunten Jahrgangsstufe in Hamburg, Hannover, Leipzig, München und Friesland, im letzten Schulhalbjahr einmal die Schule geschwänzt zu haben. Immerhin knapp 15 Prozent von ihnen gaben zu, im gleichen Zeitraum fünf oder mehr Tage unentschuldigt gefehlt zu haben. Schüler von Berufs-, Haupt- und Sonderschulen bleiben um ein vielfaches häufiger dem Unterricht fern, als ihre Altersgenossen in Gymnasium oder Realschule.

Das Projekt richtet sich vor allem an Schüler, die sich hartnäckig und für einen längeren Zeitraum der Schule verweigern. Es gilt als erwiesen, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Schulverweigerung und so genanntem delinquentem Verhalten gibt: Je häufiger Schüler unentschuldigt dem Unterricht fern bleiben, desto häufiger sind sie an Straftaten wie Ladendiebstahl oder Gewaltdelikten beteiligt.

Die alternativen des Projekts lauten: Intensivierung des Austausches zwischen Elternhaus und Schule und Erweiterung des Beratungs- und Hilfesystem in den Schulen. In der Praxis bedeutet das: Die individuellen Fehlzeiten sollen präzise erfasst und die Eltern zu einer verbindlichen Vereinbarung mit der Schule bewegt werden. So sollen die Erziehungsberechtigten den Lehrern möglichst umgehend mitteilen, wenn ihr Kind der Schule fernbleiben wird. Die Pädagogen ihrerseits informieren die Eltern, sobald die Kinder nicht zum Unterricht erscheinen. In den Schulen selbst sollen Helferteams aus Beratungslehrern, Schulpsychologen, Mitarbeitern der kommunalen sozialen Dienste, Erziehungsberatungsstellen oder Schulsozialarbeiter um Vertrauen werben und sich den Fragen der Schüler stellen.

Aber auch die Zusammenarbeit mit der Polizei ist klar umrissen: Polizeibeamte sind in Absprache mit Schule und Jugendamt berechtigt so genannte "Kontrollen im öffentlichen Raum" vorzunehmen: Speziell geschulte Beamte sprechen potenzielle Schulverweigerer an Bahnhöfen, in Kaufhäusern, Gaststätten oder Spielhallen an und sollen den Missetätern die Folgen des Schulschwänzens verdeutlichen. Bei massiven Verstößen gegen die Schulpflicht, wird in der Regel ein Ordnungswidrigkeitsverfahren angestrengt.

Weitere Informationen:


Landespräventionsrat Niedersachsen
Niedersächsisches Justizministerium
Am Waterlooplatz 5 A
30169 Hannover
Tel.: 0511 120 5254
Fax: 0511 120 5272
E-Mail: info@lpr.niedersachsen.de 
Homepage: www.kriminalpraevention.niedersachsen.de