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Buße wegen Boykottaufruf Kartellamt bestraft Apotheker-Lobby

Rückschlag für die Apotheker-Verbände: Das Kartellamt brummt den Lobbyisten ein 1,2 Millionen Euro schweres Bußgeld auf. Die Interessenvertreter haben aus Sicht der Wettbewerbshüter zum Boykott des DocMorris-Mutterkonzerns Celesio aufgerufen.

Bonn - Vor dem Europäischen Gerichtshof setzten die Apotheker noch durch, dass sie ihr 800 Jahre altes Monopol behalten dürfen - das Kartellamt ist den Lobbyisten weniger wohlgesinnt. Es hat die Apothekerverbände jetzt zu einer Millionenstrafe verdonnert.

DocMorris-Filiale in Saarbrücken (Mai 2009): Widerrechtlicher Boykottaufruf

DocMorris-Filiale in Saarbrücken (Mai 2009): Widerrechtlicher Boykottaufruf

Foto: AP

Die Interessenvertreter müssen 1,2 Millionen Euro Bußgeld zahlen, weil sie zum Boykott des DocMorris-Mutterkonzerns Celesio aufgerufen hätten, teilte das Kartellamt am Donnerstag in Bonn mit. Die Verbände hätten dazu aufgerufen, nicht mehr bei der Celesio-Arzneihandelstochter Gehe zu kaufen. Celesio hatte die Apothekenkette DocMorris 2007 übernommen.

In den vergangenen Jahren gab es in der Apothekenbranche einen erbitterten Streit über die Zukunft des Systems: Die alteingesessenen Apotheker kämpften darum, die Entstehung von Apothekenketten zu verhindern. In die Zeit dieser Auseinandersetzung fallen auch die Boykottaufrufe der Verbände.

Von dem Bußgeld betroffen sind nach Angaben des Kartellamts die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sowie mehrere Landes-Apothekerverbände. Die Bußgelder richten sich auch gegen mehrere Einzelpersonen, darunter Verbandsfunktionäre und einen Redakteur der von der ABDA herausgegeben "Pharmazeutischen Zeitung".

Die ABDA wandte sich entschieden gegen die Bußgeldbescheide. Die Vorwürfe seien "unbegründet", erklärte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. "Wir werden nicht zulassen, dass uns im Handstreich die Möglichkeit zur unabhängigen Vertretung unserer Mitglieder und deren Interessen in der politischen Diskussion genommen wird." Der Verband wolle den Bescheid notfalls vor Gericht anfechten.

Nach jahrelangem Ringen hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Mitte Mai das Verbot von Apothekenketten bestätigt. Die 21.600 Apotheker in Deutschland bleiben vor Konkurrenz durch Ketten wie DocMorris geschützt. Die Richter argumentierten, dass Inhaber geführte Apotheken dem Wohle der Patienten mehr dienten als große Ketten, die stärker auf ihre Gewinnmaximierung ausgerichtet sein dürften.

DocMorris musste damit seine Pläne aufgeben, nach der Präsenz in anderen Ländern auch in Deutschland eine Apothekenkette aufzubauen. Allerdings darf das Unternehmen seine Strategie weiterverfolgen, über die Vergabe von Lizenzen an Inhaber geführte Apotheken auch in Deutschland weiter Fuß zu fassen.

Viele Branchenspezialisten werteten das EuGH-Urteil als Lobbysieg - die von den Apothekern angeführten Argumente seien wenig stichhaltig (siehe Info-Box). Ökonomen kritisieren das Urteil und sehen die Verbraucher als Verlierer. Die Kunden kämen durch das Apotheker-Monopol unterm Strich schlechter weg. Nicht nur seien die Medikamentenpreise vermutlich aktuell höher als sie auf einem freien Markt wären - auch die Qualität der Betreuung in den Apotheken sei aufgrund des Wettbewerbsmangels verbesserungswürdig.

ssu/AFP/AP/ddp