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Streit über Förderquoten Triumph der Öl-Falken

Im einflussreichen Opec-Kartell ist offener Streit entbrannt: Ein Vorstoß Saudi-Arabiens, den Ölpreis zu drücken, wurde abgeblockt. Die Kostendämpfer verlieren an Macht - es regieren die Falken, die den Rohstoff knapp halten wollen. Der Schmierstoff der Industrie könnte für lange Zeit teuer bleiben.
Ölhändler in New York: "Schlimmstes Treffen" in der Opec-Geschichte

Ölhändler in New York: "Schlimmstes Treffen" in der Opec-Geschichte

Foto: Justin Lane/ dpa

Hamburg - Am Ölmarkt herrscht nach einem Eklat beim Treffen der wichtigsten Förderländer große Nervosität. Der Ölpreis ist stark gestiegen. Ein Fass der Nordseesorte Brent kostete am Donnerstag fast 118 Dollar . Vor gut einem Jahr pendelte der Ölpreis noch um die 80 Dollar pro Barrel.

Saudi-Arabien wollte bei einer Sitzung der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) durchsetzen, dass mehr gefördert wird. Das hätte das Angebot erhöht und den Preis gedrückt. Doch die Saudis scheiterten. Iran schmiedete eine Gegen-Allianz mit Venezuela, Algerien, Angola, Ecuador und Libyen; zusammen blockten sie den Vorschlag ab. Saudi-Arabiens Ölminister spricht von einem "der schlimmsten Treffen" in der Geschichte der Opec.

Der Eklat im Ölkartell ist bedenklich. Die Opec steuert 40 Prozent der globalen Förderung und hat es sich offiziell zum Ziel gesetzt, den Ölpreis auf einem vertretbaren Niveau zu halten. Aber ist das überhaupt noch möglich?

Gefährliches Stimmungsgemisch

Schon lange ist die Opec gespalten. Auf der einen Seite stehen "Falken" wie Iran und Venezuela, die auch um den Preis einer diplomatischen Konfrontation die Ölnotierungen möglichst hochhalten wollen. Auf der anderen Seite stehen die "Tauben" - moderatere Mitglieder wie Saudi-Arabien, die zwar ebenfalls hohe Einnahmen anstreben, aber versöhnlichere Töne anschlagen, um kein außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen.

Am Mittwoch haben die Falken gewonnen. "Die Ölexporteure sehen sich in einer starken Position", sagt Steffen Bukold, Chef des Beratungsbüros EnergyComment. "Sie riskieren offen und recht undiplomatisch einen energiepolitischen Konflikt mit den Industrieländern."

Obendrein ist das Verhältnis zwischen Iran und Saudi-Arabien zerrüttet. Der von den Saudis dominierte Golfkooperationsrat hatte Truppen in den Nachbarstaat Bahrain geschickt. Dort hatte sich die schiitische Bevölkerung gegen die Regierung aufgelehnt. Iran kritisierte das Vorgehen scharf - das Land versteht sich als Schutzmacht der Schiiten. Nun belastet dieser Konflikt offenbar auch die Opec. Dem Kartell drohe eine tiefe Spaltung, sagte Andy Lipow, Präsident der Energieberatung Lipow Oil Associates, dem "Wall Street Journal" .

Dieses Stimmungsgemisch ist für den Rest der Welt gefährlich. Würden die Falken dauerhaft die Oberhand gewinnen, hätte das Folgen für alle Industrieländer. "Früher galt ein Ölpreis von 100 Dollar als Decke", sagt Bukold. "Nun könnte das der neue Boden sein."

Milliardenkosten für Ölverbraucher

Tatsächlich haben viele Opec-Staaten kaum ein Interesse daran, den Ölpreis zu senken. Gerade mit Blick auf die Unruhen in der arabischen Welt können sie die Petro-Dollars gut gebrauchen, um die eigene Bevölkerung mit Wohlfahrtsprogrammen zu beschwichtigen. Hinzu kommt: Die Opec war stets gut darin, einen fallenden Ölpreis zu stabilisieren. Höhenflüge dagegen vermochte das Kartell auch in der Vergangenheit nur selten zu stoppen. Auch als der Ölpreis im Sommer 2008 auf sein bisheriges Rekordhoch von 147 Dollar pro Fass zusteuerte, beteuerte die Opec mehrfach, man werde die Fördermenge ausweiten. Faktisch geschah lange Zeit nichts. Der Preis schoss weiter in die Höhe.

Im laufenden Jahr winken den Opec-Staaten gigantische Einnahmen. Bleibt der Ölpreis dauerhaft über 100 Dollar, könnten sie 2011 mehr als eine Billion Dollar verdienen. Es wäre der größte Gewinn in ihrer Geschichte - doch er provoziert auch ein globales Ungleichgewicht. Der hohe Ölpreis habe "begonnen, der Weltwirtschaft zu schaden", sagte Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energie-Agentur, Ende März. Das gelte besonders für europäische Länder.

In Deutschland etwa werden derzeit rund 2,5 Millionen Fass Öl pro Tag verbraucht. Kostet das Öl im Schnitt nicht mehr 80 Dollar, wie im vergangenen Jahr, sondern 100 Dollar, ergeben sich Mehrkosten von 50 Millionen Dollar - pro Tag. Aufs Jahr gerechnet würde also allein Deutschland bei einem gleichbleibenden Euro-Kurs Milliarden draufzahlen.

Der Internationale Währungsfonds widmet der Gefahr eines weiteren Ölpreisanstiegs in seinem aktuellen Ausblick  sogar ein ganzes Kapitel. Sollten die Kosten zu stark in die Höhe schießen, würden gewaltige globale Verluste und industrielle Umbrüche drohen, heißt es darin.

Aufruf zum Ungehorsam

Entsprechend besorgt ist man in den Industrieländern. Nach dem Scheitern des Opec-Gipfels veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) schnell ein deutliches Statement . Man begrüße das Angebot einiger Länder, die Ölfördermenge auszuweiten, um einer Versorgungsnot entgegenzuwirken, heißt es in dem Schreiben der Behörde, die 1973 von Industrienationen gegründet wurde, um Ölkrisen abzuwehren.

Man kann das als Anstiftung zum Ungehorsam verstehen. Denn Saudi-Arabien ist ohnehin das einzige Land, dass seine Fördermenge noch signifikant erhöhen kann. Alle anderen Opec-Staaten pumpen mehr oder weniger am Limit (siehe Grafik). Das IEA-Schreiben liest sich so gesehen wie ein Aufruf an die Saudis, die Förderung auf eigene Faust anzuheben - gegen den Willen von Iran, Venezuela & Co.

Ein solcher Alleingang wäre wohl möglich. Zwar würde er den Streit in der Opec verschärfen. Doch an sich ist es nicht ungewöhnlich, dass die Mitglieder ihre Förderquoten nicht einhalten. Das habe in den vergangenen Jahren ohnehin kaum ein Opec-Land getan, schreibt das Wall-Street-Blog "Business Insider" - und belegt das mit einer entsprechenden Grafik .

Die Frage ist also nicht: Können die Saudis etwas tun? Sie lautet: Wollen die Saudis etwas tun? "Saudi-Arabien hatte schon immer eine doppelte Rolle", sagt Bukold. Offiziell geriere sich der Golf-Staat als Verfechter eines moderaten Ölpreises um 80 Dollar - und versuche, das öldurstige Amerika zu beschwichtigen. "Doch allzu oft bleibt es bei Lippenbekenntnissen", sagt Bukold.

Aktuelles Beispiel: die Libyen-Krise. Durch den Krieg sind die Ölexporte des Landes um rund 1,5 Millionen Fass pro Tag eingebrochen. "Ursprünglich hatte Saudi-Arabien das erklärte Ziel, diese Verluste vollständig auszugleichen", sagt Bukold. "Faktisch ist das bislang nicht passiert."