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Währungskrise in der Türkei Lira schmiert trotz neuen Finanzministers weiter ab

Mehmet Şimşek ist international als Wirtschaftsfachmann anerkannt, als Finanzminister soll er nun die türkische Währungskrise beilegen helfen. Doch der Wertverlust der Lira beschleunigt sich sogar.
Türkischer Präsident Erdoğan Anfang Juni bei einem Besuch des Grabmals von Kemal Atatürk, dem Gründer der Türkischen Republik

Türkischer Präsident Erdoğan Anfang Juni bei einem Besuch des Grabmals von Kemal Atatürk, dem Gründer der Türkischen Republik

Foto: ADEM ALTAN / AFP

Die Nominierung des neuen türkischen Finanzministers sollte eigentlich die Märkte beruhigen – und signalisieren, dass der wiedergewählte Präsident Recep Tayyip Erdoğan sich nun ernsthaft darum bemühen will, die Währungskrise im Land in den Griff zu bekommen. Mehmet Şimşek ist schließlich ein international hoch angesehener Experte für Wirtschaftspolitik (ganz im Gegensatz zu seinem Dienstherren Erdoğan).

Doch das Signal an die Märkte scheint zu verpuffen. Die Talfahrt der türkischen Währung Lira geht weiter. Der Wertverlust beschleunigt sich sogar. Die Lira verzeichnet den größten Tagesverlust seit zwei Jahren. Dollar und Euro steigen im Gegenzug um jeweils rund sieben Prozent auf Rekordhochs von 23,04 respektive 24,62 Lira.

Rückkehr zu Rationalität?

Şimşek, der bereits 2009 und 2018 Finanzminister war, hatte am Wochenende die Rückkehr seines Landes zu »rationalen Grundlagen« in der Wirtschafts- und Finanzpolitik angekündigt. Die Märkte warten allerdings auch auf die Ernennung eines neuen Zentralbankgouverneurs. Die Türkei steckt in einer Krise und kämpft mit hoher Inflation, die im vergangenen Jahr zeitweise bei mehr als 85 Prozent lag. Als ein Grund dafür gilt, dass die Zentralbank den Leitzins nicht gemäß der ökonomischen Lehre angehoben, sondern auf Erdoğans Wunsch gesenkt hat.

Hoffnungsträger: Wirtschaftsexperte und Finanzminister Mehmet Şimşek

Hoffnungsträger: Wirtschaftsexperte und Finanzminister Mehmet Şimşek

Foto: CAGLA GURDOGAN / REUTERS

Analysten zufolge waren die Investoren skeptisch, ob die Einberufung von Simsek die Lira stabilisiert. »Ein Finanzminister macht noch keinen geldpolitischen Sommer«, sagte Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann. »Die Amtsvergabe ist eine vielleicht notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung für einen tatsächlichen dauerhaften U-Turn in der Geldpolitik.« So könnten Währungshüter im allerbesten Fall kurzfristige Zinserhöhungen durchsetzen, nicht aber eine dauerhafte Wende zu einer stabilitätsorientierten Geldpolitik.

Die türkische Lira, die angesichts von Erdoğans Wirtschafts- und Währungspolitik bereits deutlich an Wert verloren hat, ist seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar um rund 20 Prozent abgebröckelt. 2021 war sie um 44 Prozent abgestürzt, 2022 um weitere 30 Prozent. Die schwache Landeswährung macht Importe, auf die das rohstoffarme Land angewiesen ist, merklich teurer.

dpa/Reuters