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US-Finanzinvestor Großaktionär Cerberus attackiert Führung der Commerzbank

Der US-Finanzinvestor Cerberus verliert die Geduld mit der Commerzbank. Per Brief greift der sonst so verschwiegene Großaktionär den Aufsichtsrat und Vorstand des Geldhauses frontal an.
Vorstandschef Zielke: Im Zentrum der Attacke

Vorstandschef Zielke: Im Zentrum der Attacke

Foto: STAR-MEDIA/ imago images/STAR-MEDIA

Der amerikanische Finanzinvestor Cerberus startet einen Frontalangriff auf die Führung der Commerzbank, an der er mehr als fünf Prozent hält. In einem fünfseitigen Brief vom 9. Juni, der an den Aufsichtsrat gerichtet ist und der dem SPIEGEL vorliegt, listet Cerberus Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit auf, fordert zwei Sitze im Kontrollgremium und droht indirekt mit weiteren Eskalationsschritten. Mittelfristig dürfte damit vor allem Vorstandschef Martin Zielke in die Bredouille geraten.

"Es ist leider offensichtlich, dass die Geschäftsführung der Commerzbank weder unsere Sorgen oder Empfehlungen noch die von anderen Großaktionären beachtet oder überhaupt nur adressiert hat. Stattdessen (...) haben es Vorstand und Aufsichtsrat versäumt, jedwede (...) Initiative umzusetzen", heißt es in dem Brief.

Das Schreiben wimmelt regelrecht vor scharfen Formulierungen und Angriffen auf die Führung des Hauses. So heißt es an einer Stelle: "Die unausgereiften und schlecht umgesetzten Bemühungen der Geschäftsführung, den Niedergang (...) zu verhindern, demonstrieren ein Maß an Fahrlässigkeit und Arroganz, welches wir nicht länger hinzunehmen bereit sind." Cerberus fordert daher, "zwei von uns zu benennende, hoch qualifizierte Kandidaten im Wege der gerichtlichen Bestellung zu Mitgliedern des Aufsichtsrates zu berufen". Die Commerzbank habe bis Freitag, 12. Juni, Zeit, zu antworten. Der Bund als größter Aktionär der Commerzbank wie auch die Aufsichtsbehörden hätten Kenntnis von dem Schreiben, heißt es in Frankfurt. Die Commerzbank wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Das Vorgehen des amerikanischen Finanzinvestors, der das Geld von Profianlegern wie Pensionsfonds und Versicherungen verwaltet, ist ungewöhnlich offen und aggressiv. Üblicherweise üben die Amerikaner hinter den Kulissen Druck auf Unternehmen aus, an denen sie beteiligt sind - in der Regel mehrheitlich und nicht als Minderheitsaktionär wie bei der Commerzbank.

Vorstandschef Zielke als Ziel der Attacke

Cerberus war bei der Commerzbank im Sommer 2017 eingestiegen, als der Aktienkurs um 11 Euro pendelte. Nun ist die Geduld der Amerikaner offenkundig am Ende. Die Strategie des Managements fruchtet nicht, die Aktie ist aktuell noch rund 4,50 Euro wert. Kreditausfälle als Spätfolge der Corona-Pandemie dürften dem Institut zusetzen, sobald die absehbare Welle an Unternehmensinsolvenzen anrollt - zumal es viele Mittelständler als Kunden hat.

Mehr als 70 Gespräche mit dem Aufsichtsrat und dem Vorstand um Zielke hätten wenig bis nichts gebracht, heißt es in dem Brief. Auch dem aktuellen Schreiben sei ein Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Stefan Schmittmann vorausgegangen, heißt es im Umfeld von Cerberus. Dennoch zeichne sich nicht ab, dass sich grundlegend etwas ändere. "Keines der im Jahr 2016 vom Vorstand festgelegten und vom Aufsichtsrat genehmigten Ziele wurde in irgendeinem der nachfolgenden Jahre erreicht", heißt es.

Die Commerzbank schneide in allen relevanten Punkten schlechter ab als die Konkurrenz, Vorstand und Aufsichtsrat weigerten sich, den Ernst der Lage zu erkennen. "Die zahlreichen Fehlentscheidungen und die Tatenlosigkeit des Vorstands in den letzten Jahren, die der Aufsichtsrat hat geschehen lassen, haben unmittelbar zu desaströsen Ergebnissen geführt", heißt es weiter.

In erster Linie steht nun Schmittmann im Kreuzfeuer; als Chef des Aufsichtsrats ist er der erste Ansprechpartner der Aktionäre. Dass er im Rat Platz schaffen soll für zwei Cerberus-Vertraute, ist ungewöhnlich, zeigt aber die Ungeduld der Amerikaner. Eigentlich haben Aktionäre erst ab einer Beteiligung von zehn Prozent implizit Anspruch auf einen Aufsichtsratssitz. Cerberus ist aber der Ansicht, in dem Kontrollgremium säßen zu viele ehemalige Commerzbanker sowie externe Manager mit überschaubarer Bankenkompetenz.

Doch das eigentliche Ziel der Attacke dürfte Vorstandschef Zielke sein - schließlich verantwortet der Vorstandschef die Strategie und deren Umsetzung. Zielke steht seit Mai 2016 an der Vorstandsspitze, sein Vertrag endet im November 2023.

In seiner Amtszeit hat er den Niedergang der Commerzbank nicht aufhalten können. Den von Cerberus stets abgelehnten Verkauf der einträglichen Polen-Tochter M-Bank musste Zielke letztlich mangels Interessenten absagen. Dabei wollte die Commerzbank von dem Verkaufserlös die schnellere Digitalisierung des Konzerns bezahlen; nun wird sie länger brauchen, ihr Geschäft aufzupeppen.

Cerberus hätte gern eine Fusion mit der Deutschen Bank gesehen

Zielkes im Herbst vorgestellte "Strategie 5.0" mit einer angepeilten Eigenkapitalrendite von vier Prozent nennt Cerberus "bestenfalls unambitioniert". Ohnehin sei fraglich, "ob die Commerzbank überhaupt dazu in der Lage ist, selbst diesen völlig unzureichenden Plan umzusetzen".

2019 hatte sich Zielke in eine Fusion mit der Deutschen Bank retten wollen, an der Cerberus seit Ende 2017 ebenfalls beteiligt ist. Cerberus hatte seit Beginn seines Engagements auf einen Zusammenschluss beider Institute hingewirkt. Die Deutsche Bank blies die Gespräche aber letztlich ab und ist seither etwas besser unterwegs als die Commerzbank. Ihre Aktie hat seit dem Abbruch der Fusionsverhandlungen leicht zugelegt, an der Spitze herrscht ungewöhnliche Ruhe.

Auch Cerberus scheint einigermaßen zufrieden mit der Deutschen Bank - für eine öffentliche Attacke wie bei der Commerzbank haben die Amerikaner bislang keinen Anlass gesehen. Dabei ist auch ihr Engagement bei der Deutschen Bank kein Erfolg. Zum Zeitpunkt ihres Einstiegs notierte die Deutsche-Bank-Aktie mit rund 16 Euro, heute unter 9 Euro. Allerdings verdiente Cerberus anderweitig Millionen mit der Deutschen Bank, man beriet den Konzern bei der Anlage überschüssiger Liquidität - offenbar verfügt die Deutsche Bank in diesem Geschäftsfeld nur unzureichend über eigene Expertise. Die intern und extern kritisch gesehene Doppelrolle ist inzwischen beendet, das Beratungsmandat ausgelaufen.

Auch bei der Commerzbank soll Cerberus anfangs ein Beratungsmandat angestrebt haben, um sich etwas dazuzuverdienen. Zielke soll daran aber kein Interesse gehabt haben, wie überhaupt die Commerzbank stets eher lauwarm auf die Amerikaner reagiert hat. Mit der offenen Attacke des Fonds dürfte sich das nun ändern, zumal Vorstandschef Zielke auch von seinem größten Aktionär, dem Bund, zunehmend kritisch gesehen wird. Finanzminister Olaf Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies hatten seinerzeit den Weg für die Fusionsgespräche mit der Deutschen Bank geebnet, die Absage sorgte für Enttäuschung in Berlin.

Vor einigen Wochen hatte der Bund die Beratungsfirma Boston Consulting mandatiert, sich mit der Strategie der Commerzbank zu befassen - auch das ist kein Vertrauensbeweis für die Führung des Instituts. Der Bund ist seit der Finanzkrise mit 15,6 Prozent an der Commerzbank beteiligt.

Immerhin konnte die Commerzbank zu Wochenbeginn ihr Kernkapital, mit dem sie Verluste abfedern kann, um 1,25 Milliarden Euro stärken. Bloß wird das nicht reichen, um Cerberus und andere Aktionäre zu beruhigen. Reagiert die Commerzbank nun abweisend auf das Cerberus-Schreiben, dann, so ist in Frankfurt zu hören, würden die Amerikaner als Ultima Ratio eine außerordentliche Hauptversammlung beantragen und versuchen, auf diesem Weg ihre Vertrauensleute in das Gremium zu schicken. Ab fünf Prozent Beteiligung kann ein Investor eine solche Versammlung beantragen.

Das freilich wäre dann die ultimative Konfrontation.