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Bronzezeit-Drama: Der Supervulkan von Santorin

Foto: imago/ Manngold

Vulkan-Apokalypse von Santorin Der größte Knall der Bronzezeit

Ein Vulkanausbruch im östlichen Mittelmeer gilt als größte Katastrophe der Bronzezeit. Nur wann genau explodierte Santorin? Aufschluss geben könnte ein verkohlter Olivenzweig.

Als sich der Archäologe Spyridon Marinatos Ende der Sechzigerjahre auf der griechischen Insel Santorin durch meterdicke Ascheschichten grub, stieß er auf eine nahezu perfekt konservierte Stadt - mit Straßen, Plätzen und mehrstöckigen Gebäuden. So etwas kannte man bisher nur aus dem antiken Pompeji, das 79 nach Christus beim Ausbruch des Vesuvs verschüttet wurde.

Marinatos hatte an der Südküste bei Akrotiri eine Metropole aus der Bronzezeit gefunden. Eigentlich war er auf Santorin auf der Suche nach Belegen für seine These, dass der Ausbruch des mächtigen Santorin-Vulkans die damals vorherrschende minoische Kultur ausgelöscht habe. Asche, Lava und die Flutwellen eines Tsunamis - so seine Annahme - hätten die früheste Hochkultur Europas beendet. Außerdem vermutete er, dass in diesem Untergang der Kern der berühmten Atlantis-Legende liege .

In der Tat war der Vulkanausbruch von Thera, wie Santorin einst hieß, eine Katastrophe von gigantischem Ausmaß. Die Eruptionen gehörten zu den gewaltigsten der vergangenen 5000 Jahre. Davon zeugen nicht nur geologische Spuren, sondern auch Wandmalereien, die Leichen und Schiffswracks zeigen.

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Der Ascheregen hatte im Boden eine dunkle Schicht hinterlassen, die Archäologen im gesamten östlichen Mittelmeerraum fanden - ein Fixpunkt der Archäologie, auf den sich viele Chronologien beziehen. Von entsprechend großer Bedeutung ist die möglichst genaue Datierung der folgenschweren Katastrophe.

Doch hier gehen die Meinungen der Forscher auseinander. Die Traditionalisten glaubten an eine Eruption zwischen 1500 und 1520 vor Christus, die anderen an den Zeitraum etwa hundert Jahre früher. Dabei wurden von Forschern bronzezeitliche Holzproben, stilistische Veränderungen in der Keramik auf Kreta oder gar Spuren des Ausbruchs in grönländischen Eisschichten herangezogen. Doch einigen konnte man sich nicht.

Ein verkohlter Ast sollte die Lösung bringen

Klärung schien in Sicht, als ein deutscher Geologe einen sensationellen Fund machte: An einer Steilwand in Santorin entdeckte ein Doktorand 2004 im Bimsstein ein verkohltes Stück Holz. Es war der Ast eines Olivenbaums, er steckte genau in jener Schicht, die durch den Vulkanausbruch entstanden war. Und offenbar war der Ast der perfekte Zeuge. Denn wüsste man, wie alt das Stück Holz ist, herrschte auch Klarheit, wann der Vulkan ausgebrochen ist.

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Bronzezeit-Drama: Der Supervulkan von Santorin

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Da Holz ein organisches Material ist, schien die Sache einfach: Eine C14-Analyse musste her, bei der anhand der Halbwertszeit des radioaktiven Kohlenstoff-14-Isotops, das sich in dem Material ablagerte, das Alter bestimmt werden kann. Man müsste nur den äußeren Ring des Stamms datieren, der sich kurz vor der Eruption gebildet haben muss. Das Ergebnis lag im Zeitraum von 1630 bis 1600 vor Christus - gut hundert Jahre früher, als es einige angenommen hatten. Eines der größten Geheimnisse der Archäologie schien gelöst.

Holzdatierung beim Olivenbaum? Schwierig

Doch eine neue Studie lässt nun Zweifel aufkommen. Denn die Datierung von Olivenholz ist komplizierter als gedacht, wie Forscher um Elizabetta Boaretto nun im Fachblatt "Scientific Reports" schreiben . Das Holz verfügt leider über eine Eigenheit, die Dendrochronologen, wie die Spezialisten zur Holzdatierung heißen, vor Schwierigkeiten stellt. Offenbar bilden Olivenbäume nicht systematisch jährliche Wachstumsringe.

Für ihre experimentelle Studie hatte Boaretto aus dem äußeren Ring, dem sogenannten Kambium, von Olivenbäumen jeweils mehrere Proben genommen. Diese wurden dann im Labor C14-datiert. Normalerweise wäre bei ein und demselben Baum ein einheitliches Ergebnis zu erwarten gewesen. Doch bei den Stämmen variierten einzelne Probenergebnisse stark. Ein Beispiel: Bei einem Stamm, der 2013 in Israel gefällt worden war, kamen mehrere Proben zu Ergebnissen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren.

Olivenbaum mit unterschiedlichen Datierungsergebnissen aus derselben Schicht

Olivenbaum mit unterschiedlichen Datierungsergebnissen aus derselben Schicht

Foto: Weizmann Institute of Science

Zwar ist selbst bei absoluten Datierungsmethoden wie C14 mit Streubereichen von plus/minus 20 Jahren zu rechnen. Doch solche starken Abweichungen ließen Zweifel an der Santorin-Datierung aufkommen, schreiben die Autoren.

Die kann auch Karl-Uwe Heußner nachvollziehen. "Die Studie ist gut gemacht", sagt der Leiter des Labors für Dendrochronologie am Deutschen Archäologischen Institut. Er war nicht an der Studie beteiligt, das Ergebnis überrascht ihn aber nicht. Olivenbäume seien allein durch ihre unregelmäßige Form, bei der der Stamm oft nicht kreisrund ausgebildet ist, problematisch. Würden Teile des Baums nicht ausreichend versorgt, weil etwa Wurzeln beschädigt seien, könnten diese das Wachstum für einige Jahre einstellen. Der Rest des Baums könnte aber normal weiterwachsen.

Der Sturz des Archäologen

Wenn man sich dann den Querschnitt des Stamms anschaue, sei der Unterschied aber nicht zu erkennen. "Im Einzelfall muss sehr sorgfältig geprüft werden, was man da vor sich hat. Es hat daher einen guten Grund, dass es keine Jahrringchronologie für Olivenbäume gibt", sagt er.

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Ausgegraben: Bilder und Geschichten aus der Archäologie

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Mit solchen Chronologien, die auf den unterschiedlich ausgeprägten Jahrringen eines Baums basieren, können Forscher Holz normalerweise gut datieren. Doch bei Olivenholz ist das schwierig. Und auch bei anderen Baumarten wie Wacholder oder Linde.

Immerhin: Gewiss scheint mittlerweile, dass Spyridon Marinatos mit seiner These vom plötzlichen Ende der Minoer wohl daneben lag. Zwar war ein Leben im minoisch geprägten Akrotiri erst mal vorbei. Doch der Niedergang der Minoer im nahen Kreta erstreckte sich über einen Zeitraum von einigen Jahrzehnten, zeigten spätere Ausgrabungen.

Der Archäologe selbst erlebte die Diskussion über die Datierung übrigens nicht mehr. Er starb schon bald nach seiner Entdeckung eines tragischen Todes: Während der Ausgrabungen stürzte er im Oktober 1974 von einer Mauer und schlug mit dem Kopf auf einem Stein auf. Begraben wurde er am Unfallort, wo noch heute ein Gedenkstein an ihn erinnert.