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Psychologie Gedankenspiele zügeln den Appetit

Allein der Gedanke an etwas Leckeres kann den Appetit wecken. Doch auch das Gegenteil scheint möglich, haben Forscher herausgefunden: Wer sich wiederholt vorstellt, etwas zu essen, hat danach weniger Lust auf dieses Lebensmittel. Ob der Ansatz als neues Diätkonzept taugt?
Mandel-Schokolade-Törtchen: Macht allein der Anblick schon hungrig?

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Foto: Larry Crowe/ ASSOCIATED PRESS

Wer abnehmen möchte, muss nicht sämtliche Gedanken an die bevorzugten Kalorienbomben aus seinem Kopf verbannen. Stattdessen könnte es vielmehr helfen, sich den Verzehr des Schokoladenkuchens oder des Burgers samt Pommes genau auszumalen - bis zum letzten Bissen. Und dann noch einmal von vorn. Und noch einmal. Das steigert den Appetit auf das Gericht nämlich nicht, sondern drosselt ihn - das legt zumindest eine Studie von US-Forschern der Carnegie Mellon University in Pittsburgh nahe, die jetzt im Wissenschaftsmagazin "Science" erschienen ist .

Die drei Wissenschaftler Carey Morewedge, Young Eun Hu und Joachim Vosgerau testeten in einer Reihe von Experimenten mit 40 bis 80 Teilnehmern, wie sich wiederholte Gedanken an ein Lebensmittel auf den Verzehr desselben auswirkten: Zunächst sollten sich die Probanden 33-mal hintereinander vorstellen, wie sie entweder eine Münze in ein Gerät einwerfen oder einen Schokobonbon essen. Der Gedanke an die Münze diente als Kontrolle. Einige Teilnehmer waren gedanklich ausschließlich mit der Münze beschäftigt, andere konnten nach 30 Münz-Wiederholungen dreimal gedanklich die Süßigkeit verzehren. Die dritte Gruppe sollte sich letzteres 30-mal vorstellen.

30-mal ein Schokobonbon

Anschließend setzten die Forscher den Teilnehmern tatsächlich eine Schale mit der Süßigkeit vor, aus der sie so viel essen konnten, wie sie wollten. Es zeigte sich, dass die gedankliche Wiederholung tatsächlich die gegessene Menge beeinflusste: Wer sich bereits in Gedanken 30-mal ein Schokobonbon in den Mund geschoben hatte, aß im Schnitt nur halb so viele, als er sie vor die Nase gesetzt bekam.

In einem weiteren Experiment sollten die Teilnehmer sich entweder drei- oder 30-mal vorstellen, wie sie ein Schokobonbon essen oder wie sie ihn in eine Schale legen. Dabei zeigte sich erneut: Die wiederholte Vorstellung des Verzehrs führte dazu, dass die Teilnehmer später weniger beherzt in die Süßigkeitenschale griffen. Wer dagegen gedanklich ganze 30 Mal Süßigkeiten in eine Schale gelegt hatte, aß im Schnitt deutlich mehr als der, der dies nur 3 Mal erledigt hatte. Die reine gedankliche Beschäftigung mit dem Lebensmittel hat demnach die Lust darauf gefördert - die Vorstellung des Verzehrs hat sie dagegen gedämpft.

In einem weiteren Versuch stellten sich die Probanden entweder den Verzehr von Schokobonbons oder Käsewürfeln vor, danach konnten sie in eine Schale mit Cheddarstückchen greifen. Es zeigte sich, was man auch vermutet hatte: Wer wiederholt den Käseverzehr gedanklich vollzogen hatte, aß weniger. Jegliche Gedanken an Schokobonbons beeinflussten den Appetit auf Käse dagegen nicht.

Die Forscher schließen daraus, dass die sogenannte Habituierung für die Ergebnisse verantwortlich ist. Das bedeutet, dass die Reaktion auf einen Reiz sinkt, je öfter man ihm ausgesetzt ist. In diesem Fall nimmt daher die Motivation ab, mehr zu essen. "Habituierung ist einer der fundamentalen Prozesse, die bestimmen, wie viel wir konsumieren, wann wir aufhören, und wann wir dazu übergehen, etwas anderes zu konsumieren" sagt Vosgerau.

"Unsere Ergebnisse belegen, dass Habituierung nicht nur von den sensorischen Empfindungen wie Sehen, Schmecken, Riechen oder Tasten abhängt." Die reine Vorstellung könne als Ersatz für die tatsächliche Erfahrung dienen - zumindest bis zu einem gewissen Grad.

Die Forscher sehen auch praktische Folgen, die diese Erkenntnisse haben können. "Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse helfen können, Strategien zur Dämpfung des Verlangens nach ungesundem Essen, Drogen und Zigaretten zu entwickeln, und dass sie dazu beitragen, uns in Zukunft bei der gesunden Essensauswahl zu unterstützen", meint Morewedge, der Hauptautor der Studie.