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Virtuelle Rekonstruktion: Die Spuren eines tödlichen Rennens

Foto: Andrew Rush/ AP

Tödliches Rennen Forscher rekonstruieren fossile Hetzjagd

Die Zeiten von Hammer, Meißel und Pinsel sind in der Paläontologie nicht vorüber, aber Computertechnik wird immer wichtiger. 70 Jahre nach dem Fund und der Zerstörung eines Spurenfossils gelang britischen Forschern dessen digitale Rekonstruktion - das versteinerte Protokoll einer tödlichen Hatz.

Was Peter Falkingham, James Farlow und Karl Bates im Fachmagazin "PLoS One" in Video und Bild vorführen , ist eine Form der völlig virtuellen Paläontologie. Anhand historischer, 1940 vom amerikanischen Paläontologen Roland Bird und seinem Team gemachten Fotos visualisierten sie ein 45 Meter langes Spurenfossil in 3D.

Der Witz daran: Sie rekonstruierten damit ein nun virtuell begehbares Objekt, das real gar nicht mehr existiert.

Bird hatte 1940 in der Glen Rose Formation entlang des Paluxy River bei Glen Rose, Texas, eines der berühmtesten Spurenpaare gefunden: die Fußabdrücke eines Sauropoden nicht eindeutig bestimmter Art, verfolgt von einem Raubsaurier erheblicher Größe.

Die Spurenfossile der Glen Rose Formation sind berühmt, die Fundorte dort sind aber nicht immer ohne Tücken. So auch im Fall der von Bird gefundenen, womöglich tödlichen Hatz: Immer wieder wurde die Fundstelle vom Fluss überspült, der sie ja auch freigelegt hatte. Das Spurenpaar war damit erheblichen Erosionsfaktoren ausgesetzt, und die Paläontologen entschlossen sich, die Fährten in einzelne Quader zerlegt zu bergen.

Es war das Ende eines Fossils, das seine Geschichte nur in Gesamtschau erzählt: Die einzelnen Quader wurden über zahlreiche Museen und Institute verteilt, wo sie heute nicht mehr sind als eben isolierte Fußabdrücke eines Sauropoden und eines Theropoden. Nicht alle sind bis heute erhalten.

Miese Vorlagen, gestochen scharfe Resultate

So kamen Falkingham und seine Kollegen auf die Idee einer digitalen Rekonstruktion. Das ist weniger profan, als es klingt. Zur Verfügung standen ihnen 17 Fotografien von eher schlechter Qualität: Alle waren nur aus einer Perspektive aufgenommen, zeigten entsprechend den vorderen Teil des Spurenfossils detailreich, den hinteren hingegen lückenhaft und unklar.

Zudem waren die Fotografien nicht dafür aufgenommen worden, die Fährten lückenlos zu dokumentieren. Manche der Bilder sind nicht mehr als Schnappschüsse laufender Ausgrabungsarbeiten. Also nahmen Falkingham und Co. auch die vor Ort entstandenen Skizzen Birds zur Hilfe. Die aber waren wenig maßstabsgerecht: Bird hatte Größen und Entfernungen mit einer Schnur nur mäßig genau vermessen.

Aus den Fotos und Skizzen vermittelten die britischen Forscher nun eine konsistente 3D-Visualisierung, die den Fundort so zeigen, wie er vor der Ausgrabung aussah. Was dabei herauskam, erinnert ein wenig an die virtuellen "Flüge" über die Landschaften des Mars, wie sie die Nasa so gern zeigt. Das Ganze, machen die drei Autoren aber klar, ist weit mehr als eine Spielerei: Ihnen gelang es damit, einen verschwundenen Fundort wieder entstehen zu lassen. Für eine Wissenschaft, die durch Bergung ihrer Funde stets selbst dazu beiträgt, deren Fundkontext zu zerstören, ist das von erheblicher Relevanz.

Palichnologen: Die Fährtensucher unter den Paläontologen

Spurenfossile - die Abdrücke vergangenen Lebens - haben es ein wenig schwerer als die beim Publikum beliebteren, oft spektakulären Skelett-Rekonstruktionen fossiler Riesen. Für den Wissenschaftler ist ein Fossil aber nicht zuletzt eine Art Datenspeicher, der etwas über vergangene Lebewesen, ihr Aussehen und Verhalten verrät. Und da sind Spuren oft nicht weniger wertvoll als die Knochen der Tiere selbst: Wir erfahren, ob sie solitär oder in Herden lebten, ob Jungtiere dazu gehörten oder nicht - und in Fällen wie den Glen-Rose-Spuren oder den Spurenfossilien im niedersächsischen Münchehagen, wer da auf wessen Speisezettel stand.

Neben Fährten, Schleif- und Bewegungsspuren zählt man auch andere fossile Zeugnisse tierischer oder pflanzlicher Aktivität zu den Spurenfossilien. Dazu gehören Fraß- und Weidespuren, Verankerungsspuren, Nester oder auch von Tieren angelegte Bauten. Innerhalb der Paläontologie widmet sich eine Spezialdisziplin der Spurenkunde - die Palichnologie.

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