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Staaten ratifizieren Weltklimavertrag Mal schneller die Welt retten

Durchbruch auf der Uno-Generalversammlung in New York: Weitere 31 Staaten sind dem Weltklimavertrag beigetreten - zügiger als erwartet. Der steht kurz vor Inkrafttreten. Die EU gehört nicht dazu, sie will tricksen.
Sonnenuntergang

Sonnenuntergang

Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

Es lebt, das Wunder von Paris. Vergangenen Dezember hatte sich die Gemeinschaft aller Staaten in der französischen Hauptstadt auf den Klimavertrag geeinigt. Erwartet wurde, dass es nun einige Jahre brauchen würde, bis das Abkommen in Kraft treten könnte.

Dafür müssen 55 Staaten, die für mindestens 55 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, den Vertrag ratifizieren, ihn also von ihren Parlamenten absegnen lassen. Jetzt geht alles viel schneller als erwartet.

Im diplomatischen Extremtempo treten Staaten dem Klimavertrag bei. Nachdem bereits die beiden Hauptverursacher von Treibhausgasen, die USA und China, und 27 andere Staaten das Abkommen ratifiziert hatten, haben auf der Uno-Generalversammlung am Mittwoch in New York weitere 31 Länder den Weltklimavertrag ratifiziert.

Die erste Hürde wurde also genommen - 60 Staaten sind dabei. Es sind allerdings viele kleine darunter, sodass die 60 erst 48 Prozent der weltweiten Emissionen abdecken. Mit Brasilien, Mexiko und Argentinien sind in New York aber auch Schwergewichte dem Klimavertrag endgültig beigetreten.

"Ich bin absolut zuversichtlich, dass der Klimavertrag noch dieses Jahr in Kraft tritt", sagte der Außenminister der USA, John Kerry, bei seiner Rede vor der Uno in New York. Ähnlich äußerte sich der Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon. Das Tempo der anderen bringt die Europäische Union (EU) und Deutschland in Bedrängnis.

Deutschland vor Durchmarsch

Die vormaligen Vorreiter im Klimaschutz drohen erheblich an Einfluss zu verlieren; denn nur wer vor dem 7. Oktober ratifiziert hat, darf weiter mitreden: Wer später kommt, hätte zunächst kein Mitspracherecht bei den Regeln des Klimavertrags auf der nächsten Uno-Klimakonferenz im November - solange die Staaten den Klimavertrag nicht ratifiziert haben.

Deutschland plant den Durchmarsch: Schon am Donnerstag soll der Bundestag die Ratifikation des Weltklimavertrags beschließen, am Freitag soll der Bundesrat folgen. Indes: Deutschland kann nur mit der EU als Ganzes dem Abkommen beitreten.

Das Problem der EU ist ihre Organisation: Alle Staaten müssen mitziehen - doch bislang haben nur Österreich, Frankreich und Ungarn den Klimavertrag ratifiziert.

Polen und andere Osteuropäer sperren sich ausdrücklich, sie wollen ihr verabredetes Treibhausgas-Budget, das sie einsparen müssten, weiter reduzieren. Zudem stellt der Brexit-Beschluss Großbritanniens Klimaschutzbeitrag für die EU komplett infrage.

Der Trick der EU

Die EU will tricksen. In neun Tagen, am 30. September, kommt außerplanmäßig der EU-Umweltrat zusammen, um die Ratifikation zu beschließen - obwohl unklar ist, wie das Treibhausgas-Budget innerhalb der EU verteilt wird.

Die Frage ist, ob die Uno der EU den Trick abkauft. "Es wird knapp für die EU", meint Ann Kathrin Schneider, Klimapolitikexpertin vom Umweltverband BUND.

Der Weltklimavertrag fordert von der EU neben der Ratifikation eine Auflistung der Lasten ihrer Mitgliedstaaten. "Das Pariser Abkommen verlangt aber nicht eindeutig, dass dies bereits bei der Ratifikation geschehen muss", sagt Ralph Bodle, Umweltjurist beim Ecologic Institute.

Trotz der Unsicherheit seien die rechtlichen Argumente stark, dass die EU völkerrechtlich wirksam ratifizieren könne, auch wenn sie sich nicht zuvor auf die Lastenverteilung geeinigt habe.

Streit in der EU

Über die Verteilung der Treibhausgas-Einsparungen innerhalb der EU werde derzeit intensiv gestritten, heißt es aus dem Bundesumweltministerium. Eigentlich hatte die EU versprochen, die ihr von Wissenschaftlern zugewiesenen zwölf Prozent des weltweiten Treibhausgas-Budgets zu übernehmen. Die Frage ist, ob die Zahl zu halten wäre, solange nicht alle Mitgliedstaaten ratifiziert haben.

"Es ist eine politische Abwägung, ob eine kurzfristige Ratifikation wirklich erforderlich ist, oder ob man damit neue EU-interne Risiken schafft", sagt Umweltjurist Bodle. Immerhin arbeite die EU bereits an der Gesetzgebung für die Klimaschutzziele bis 2030 - und damit an der Umsetzung des Weltklimavertrags.

Auch Deutschland will seinen "Klimaschutzplan 2050" noch vor der nächsten Weltklimakonferenz beschließen. Er soll Deutschlands Beitrag zur Umsetzung des Klimavertrags sein. Beschlossen werden soll die Umstellung der Versorgung auf erneuerbare Energien.

Streit in Deutschland

Wirtschaftsverbände hoffen auf eine Abschwächung des Klimaschutzplans. Alle Vorgaben müssten erst einer "Kosten-Nutzen-Analyse" unterzogen werden, verlangten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks diese Woche in einer gemeinsamen Erklärung.

Die Verbände erklärten, durch den Export von Technologien zum Klimaschutz entfalte die deutsche Klimapolitik ihre stärkste Hebelwirkung. "Nationale Klimaschutzpolitik darf nicht zur Verlagerung von Produktion an andere Standorte führen", heißt es in dem Papier.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) musste auf Verlangen von Wirtschafts- und Verkehrsministerium und des Kanzleramts bereits Abstriche an ihrem Entwurf für den Plan machen. Die Bundesregierung verzichtet im neuen Entwurf etwa auf konkrete Ziele für den Kohleausstieg.

"Eine Luftnummer"

Kohle ist bislang nach Erdöl der wichtigste Energielieferant in Deutschland - und eine Hauptquelle für klimawärmende Treibhausgase. Forscher warnen, dass die Erderwärmung nicht unter der kritischen Marke von zwei Grad Celsius gehalten werden könnte, sofern Erdöl- und Kohlevorkommen weiter in hohem Maße genutzt würden.

Umweltverbände kritisieren den Klimaschutzplan: "Eine Luftnummer" sei der Plan, sagt Martin Kaiser von Greenpeace. Die Ziele blieben unklar, der Plan schaffe Verunsicherung in der Wirtschaft, anstatt klare "Leitplanken" zu setzen.

Auch die Staaten, die den Klimavertrag ratifiziert haben, müssten Taten folgen lassen, um die Vorgaben umzusetzen. Nur so könnte aus dem Abkommen mehr werden als ein Wunder der Diplomatie.

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