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Holografisches Rauschen: Die gepixelte Mikrowelt

Foto: Albert-Einstein-Institut

Laserexperiment Jagd auf die trügerischen Winzlinge des Universums

Ist unsere dreidimensionale Welt in Wahrheit nur eine Illusion? Das glaubt der US-Physiker Craig Hogan. Mit einem Laserexperiment will er nun klären, ob unser Universum auf kleinster Ebene nichts anderes als ein Hologramm ist.

In der Unterhaltungsbranche ist 3D gerade der letzte Schrei. Auf den Riesenerfolg des Films "Avatar" folgen nun 3-D-Fernseher und 3-D-Computerspiele - die Hersteller hoffen auf gute Geschäfte mit den räumlichen Darstellungen. Diese versprechen Spielern und Zuschauern noch realistischere Bilder.

Aber wie realistisch ist 3D tatsächlich? Der Physiker Craig Hogan vom legendären US-Forschungslabor Fermilab  nahe Chicago hat da so seine Zweifel. Der Leiter des Center for Particle Astrophysics hält es für möglich, dass die uns bekannten drei Dimensionen nur eine Illusion sind - zumindest in extrem kleinen Skalen. In Wahrheit wäre diese Mikrowelt dann nur zweidimensional - ganz ähnlich wie ein Hologramm .

Hogan will seine Hypothese bald in einem Laserexperiment am Fermi National Accelerator Laboratory, kurz Fermilab, in der Nähe von Chicago überprüfen. Holometer  heißt die noch zu bauende Anlage. Darin wird ein Laserstrahl aufgespalten und in zwei senkrecht zueinander liegende, gleich lange Röhren geleitet. Am Ende der etwa 40 Meter langen Röhren befindet sich je ein Präzisionsspiegel, der die Strahlen wieder reflektiert. Die zurückgeworfenen Laserstrahlen aus beiden Röhren werden dann zusammengeführt und überlagert. Mit einem solchen Michelson-Interferometer  haben Physiker einst auch herausgefunden, dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist, egal ob der Lichtstrahl mit oder gegen die Bewegung der Erde um die Sonne läuft.

Minimale Schwingungen

Hogans Hypothese von der holografischen Mikrowelt geht davon aus, dass man den Raum nicht unendlich fein auflösen kann. Unsere Welt ist quasi gepixelt, wenn man in extrem kleine Größenordnungen vordringt. "Die Realität besteht aus kleinsten Einheiten von Zeit und Länge", erklärt Hogan im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Bislang sei dies aber nur eine Theorie und noch nicht in einem Experiment beobachtet worden.

Das Konzept geht auf den deutschen Physiker Max Planck zurück. Heute spricht man von der sogenannten Planck-Länge  (1,6x10-35 Meter) und der Planck-Zeit  (5,4x10-44 Sekunden) als kleinstmöglichen Einheiten. In derart kleinen Größenordnungen, ein Proton ist 1020 Mal größer als die Planck-Länge, soll sich die Physik von Raum und Zeit dramatisch verändern. Ein Teilchen beispielsweise, das auf das Ausmaß der Planck-Länge gestaucht wird, müsste zu einem Schwarzen Loch kollabieren.

Was passiert in dieser unvorstellbar kleinen Welt? Hogan geht davon aus, dass sich die Spiegel im Interferometer hin- und herbewegen - und zwar in der Größenordnung der Planck-Länge. Ihr Abstand ändert sich dadurch immer wieder. Wenn die von den beiden Laserstrahlen zurückgelegten Wege aber laufend variieren, dann entstehen bei der Überlagerung der Strahlen (Interferenz) leicht andere Interferenzbilder. Mal löschen sich die Lichtwellen aus, mal verstärken sie sich. Dieses sogenannte holografische Rauschen wollen die Forscher am Fermilab nachweisen.

"Wir wollen die kleinste Einheit des Universums registrieren", sagte Hogan der Webseite das Magazins "Wired". Es sei ein "großer Spaß", wenn man wie ein Physiker anno dazumal ein Experiment durchführe, dessen Ausgang man nicht kenne.

Mysteriöses Rauschen

Dass Hogan jetzt das Holometer am Fermilab aufbaut, hängt auch mit rätselhaften Messdaten aus Deutschland zusammen. Forscher des Albert-Einstein-Instituts Hannover versuchen schon seit Jahren, bei dem Experiment Geo600  sogenannte Gravitationswellen nachzuweisen, die Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt hatte. Gravitationswellen sind Änderungen der Raumzeit, sie verändern also den Abstand zwischen zwei Massen periodisch. Sie entstehen beispielsweise bei Sternenexplosionen. Beim Experiment Geo600 kommt wie auch beim geplanten Holometer ein Laserinterferometer zum Einsatz, allerdings mit einer anderen Wellenlänge.

Geo600 besteht aus zwei 600 Meter langen Röhren, in denen die aufgespaltenen Laserstrahlen hin- und herlaufen. Anschließend werden die Strahlen zur Interferenz gebracht. Die Anlage steht 20 Kilometer südlich von Hannover und arbeitet mit Unterbrechungen seit dem Jahr 2001.

Bei den Messungen haben die Wissenschaftler auch ein Rauschen erfasst, das der Fermilab-Forscher Hogan mit der holografischen Struktur erklären will. Seine deutschen Kollegen sehen das mit einer gewissen Skepsis: "Den Großteil des beobachteten Rauschens können wir erklären", sagt Harald Lück vom Albert-Einstein-Institut Hannover. Es bleibe aber ein Rest, der durchaus mit dem von Hogan postulierten holografischen Rauschen erklärt werden könne. "Wir halten das von der experimentellen Seite zwar für unwahrscheinlich, aber es ist möglich", meint Lück.

Womöglich kann sein Team die Holografie-Hypothese sogar selbst überprüfen, bevor das Experiment am Fermilab läuft. "Wir arbeiten gerade an einem Upgrade des Experiments." Die Genauigkeit der Messungen soll sich dadurch erhöhen. "Wir werden nicht unbedingt sehen, woher das beobachtete Rauschen kommt", sagt Lück im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Wenn wir aber ein geringeres Rauschen sehen als vorhergesagt, könnten wir die Theorie womöglich widerlegen."

Was aber, wenn das ominöse Rauschen tatsächlich mit der Holografie-These erklärt werden kann? "Unsere Leben wird sich nicht ändern", sagt Hogan, "die bisherige Physik wird dadurch nicht negiert." Der Nachweis des holografischen Rauschens könnte jedoch helfen, die bisherigen physikalischen Theorien zu vereinigen. Darin versuchen sich Forscher schon seit Jahren - bislang vergeblich.