Anzeige

Yorkshire Pudding Sie halten nicht viel von der britischen Küche? Hiernach ändern Sie Ihre Meinung

Yorkshire
Yorkshire Pudding besteht aus Mehl, Eiern, Milch und Schmalz und backt sich von allein
© Wolfgang Schardt
Von der britischen Küche halten wir nicht viel. Wer zum Roast Beef aber Yorkshire Pudding zubereitet, wird seine Meinung ändern.

Auf die Küche der Briten blicken wir mit der gleichen Haltung, mit der die Briten auf den deutschen Humor blicken. Beide blicken wir herab. Was wir jeweilig sehen, betrachten wir mit Unverständnis und Befremden, teils gar mit Abscheu. Was mit mangelndem Kontakt zu tun hat und auch mit grinsender Freude am Fremdeln. „Let’s admit it, we love to hatte them“ war eine Überschrift in einem Britenblatt, die ich mir gemerkt habe: „Lasst uns zugeben: Wir lieben es, sie zu hassen.“ Wobei die Zeile den britischen Generalblick auf Deutschland beschrieb, wahrscheinlich vor einem Fußballspiel.

Mein Kontakt mit den Britischen Inseln währt dagegen bald 50 Jahre, und auch der dummtraurige Brexit wird ihn nicht killen. Ich habe viel gegessen auf den Inseln und darf darum sagen: Die britische Küche kennt hinreißende Gerichte – der Yorkshire Pudding gehört dazu. Er ist keine süße Zubereitung, sondern eine Beilage zu Fleisch. Yorkshire Pudding sollte unbedingt bekannt sein, auch bei uns. Er ist einfach zuzubereiten, vielseitig, strukturell unterschiedlich einsetzbar und zudem preiswert. Klassisch wird er zu Rinderbraten serviert, der, damit er schön saftig wird, sehr groß sein sollte. Wer keine große Familie um sich schart, sollte ihn seinem Freundeskreis servieren, umspült von Strömen Bieres und von Wein.

Die hohe Hürde zuerst, das Fleisch

Da gutes Rindfleisch (anders als auf den Inseln) bei uns schwieriger zu haben ist als die Zutaten für den Pudding, beginne ich mit ihm: Das Rind hat 13 Rippen, für den Rinderrippenbraten empfehle ich ein zusammenhängendes Bratenstück aus den Rippen 9 bis 13; dort setzt der Filetkopf an.

Deutschland ist Milchrindland. Milchrinder sind, wie der Name schon sagt, mehr zum Melken als zum Verzehr gezüchtet. Trotzdem wird der Fleischer alles daran setzen, uns kaum abgehangenes Jungbullenfleisch von Holsteiner Rind zu verkaufen, was am Ende ähnlich zielführend ist, wie ein Langstreckenrennen auf dem Nürburgring mit einem Milchtankwagen zu fahren. Forschen Sie bitte (tatsächlich ist es ein Forschungsvorhaben) nach Fleischrindfleisch (Charolais, Angus, Simmentaler Fleckvieh, Limousin, Hereford) und nach Möglichkeit nach Fleisch von Färsen oder Ochsen. Färsen sind weibliche Tiere, die noch nicht gekalbt haben. Ochsen sind kastrierte, vormals männliche Tiere gemütlicher Natur. Es sollte drei Wochen gereift sein.

Bis wir das Fleisch haben, wird Zeit ins Land gehen. Die nutzen wir, Yorkshire Pudding zu üben. Schwer ist das nicht, aber was wir auf gar keinen Fall wollen, ist, unsere Gäste mit etwas zu beglücken, das wir nicht aus dem Effeff beherrschen.

Also bitte 200 g Mehl, 2 EL Coleman’s Mustard Powder (trockenes Senfmehl, falls erhältlich) und 1–2 TL Salz mischen. 4 Eier kurz aufschlagen und mit der Mehlmischung verrühren (im Falle von Klümpchen den Teig einmal durchs Sieb streichen). Nun 500 ml Milch einrühren sowie anschließend 50 g flüssiges, auf laue Wärme gebrachtes Schmalz (vom Schwein). Den Teig eine halbe Stunde kalt gestellt ruhen lassen, was dem Kleber (Gluten) des Weizeneiweißes erlaubt, sich langkettig zu verknüpfen und dem Pudding später seine wunderbare Elastizität zu geben.

Große Hitze

Ist das Bratenfleisch beschafft? Gut! Nehmen wir an, das Stück wiegt 4 Kilo (genug, um eine Fußballmannschaft zu versorgen): Reiben wir es ringsum mit Öl oder Schmalz ein, salzen und pfeffern und schieben wir es auf dem Rost bei 230 Grad in den Ofen, wo wir es eine halbe Stunde so lassen. Die große Hitze bringt das Fleisch zunächst ins Schwitzen und bald auch ans Brutzeln. Senken wir nun die Hitze auf 160 Grad, und geleiten wir den Braten nach folgender Formel engelhaft ins Paradies: pro 500 g Fleischgewicht ergeben 15 Minuten das, was man medium nennt. Sicherer fahren wir mit einem Fleischthermometer (Kerntemperaturmesser), das an der dicksten Stelle des Bratens 60 Grad zum Ziel hat.

Schon zu Beginn des Bratvorgangs haben Sie eine eiserne oder irdene Form mit hohem Rand – meine misst 20 x 30 x 5 cm – unter das Fleisch geschoben. Dahinein tropfen beim Garen „the drippings“, also schmelzendes Fett und austretender Bratensaft. Diese Drippings gilt es zu nutzen, denn unser Yorkshire Pudding fungiert beim Backen wie ein Schwamm.

Wenn der Braten fertig aus dem Ofen kommt und zum Ausgleich der Säfte in seinem Inneren noch eine gute Weile ruht, fahren wir die Temperatur auf 200 Grad hoch, gießen den flüssigen Teig in die bereits heiße Form mit den Drippings und backen ihn im Ofen für ca. 30 Minuten. So viel Ruhezeit hält der Braten aus.

An den Rändern wird der Teig im Ofen hochgehen und in der Mitte etwas tiefer bleiben. Nach 20–25 Minuten beginnen einzelne Stellen hübsch zubräunen, nach 30 Minuten sollten sich die Stellen attraktiv zu goldenen Flächen ausgeweitet haben. In der Teigmitte wird etwas Fett schwimmen, und nach dem Herausnehmen aus dem Ofen wird er dort etwas zusammensacken – macht aber nix.

Fleischsaft, der sich beim Ruhen gesammelt hat, geben wir – mitfrisch gerissenem/ geriebenem Meerrettich/Kren – als Sauce zu Tisch. Den Braten schneiden wir mit einem scharfen Messer auf, den Pudding schaufeln wir auf die vorgeheizten Teller, und besondere Gierhälse wehren wir mit der zweizinkigen Fleischgabel ab. Dann hauen wir rein.

Ja, so ein Rippenstück ist The King of Roasts, aber beim saucenseligen Löffeln des Puddings dämmert uns, dass es Bagatelladel in der Küche nicht gibt (so man denn weiß, was man tut). Im Grunde ist Yorkshire Pudding ein sehr großer Pfannkuchen, dessen Poren den Fleischsaft aufsaugen. Ach, England, my love!

VG-Wort Pixel