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Suchthilfe Ärzte wollen Raucher als "krank" einstufen

Werden Raucher künftig als "Kranke" eingestuft?
Werden Raucher künftig als "Kranke" eingestuft?
© Colourbox.de
Harte Bandagen bei einer Expertenanhörung der Bundesregierung zum Thema Sucht: Zigaretten sollen teurer, die Werbung für Tabak und Alkohol verboten werden. Außerdem will die Bundesärztekammer Raucher künftig als "Kranke" einstufen. Der Deutsche Zigarettenverband läuft Sturm gegen die Vorschläge.

Süchtige Raucher sollten aus Sicht der Bundesärztekammer künftig auch offiziell als Kranke eingestuft werden. Es gehe nicht um ein "Lifestyle-Problem", das durch reine Willensanstrengungen oder Gruppengespräche zu beheben wäre, erklärte die Kammer anlässlich einer Anhörung, zu der die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, geladen hatte.

Dort liefen vor allem die Tabak- und die Werbeindustrie Sturm gegen mögliche Werbeverbote. Solche Verbote hatte der Drogen- und Suchtrat bei den Vorbereitungen für Nationale Aktionsprogramme zur Tabak- und Alkoholwerbung ins Gespräch gebracht. Vorgeschlagen wird zudem, Alkohol und Zigaretten teurer zu machen und ihren Verkauf weiter einzuschränken

Trügerische Nichtraucherkurse

Die vorgeschlagenen Maßnahmen gegen das Rauchen gehen der Bundesärztekammer allerdings nicht weit genug: Tatsächlich handele es sich bei "der Mehrzahl der Raucher um Abhängigkeitserkrankte". Das Vertrauen auf Nichtraucherkurse sei trügerisch. Auf dem Land seien sie kaum verfügbar, insgesamt seien sie wenig akzeptiert. Auch sprächen die Kurse vor allem "mittlere und höhere soziale Schichten" an, wo ohnehin weniger Menschen rauchten.

Die Ärzte plädieren stattdessen dafür, Tabakabhängigkeit gezielt als Krankheit zu behandeln. Für Mediziner gebe es inzwischen eine 20-stündige Zusatzqualifikation "Ärztliche Tabakentwöhnung". Für die Behandlung sollten "die entsprechenden vergütungsrechtlichen Rahmenbedingungen" geschaffen werden.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung forderte, Tabakabhängigkeit als Krankheit einzustufen. "Aus medizinischer Sicht ist Tabakabhängigkeit eine Suchtkrankheit wie etwa Alkoholismus auch", sagte KBV-Sprecher Roland Stahl der "Kölnischen Rundschau". Eine Einstufung des Rauchens als Krankheit sei auch sinnvoll, weil endlich gesellschaftlich klargestellt würde, dass Rauchen kein Modetrend sei.

"Ich halte diesen Vorschlag für krank!"

"Wer das fordert, erklärt ein Drittel der deutschen Bevölkerung auf einen Schlag als krank", sagte dagegen Marianne Tritz, die Geschäftsführerin des Deutschen Zigarettenverbandes. Rund 20 Millionen Menschen würden dadurch stigmatisiert werden. "Ich halte diesen Vorschlag für krank!" Auch Alt- Kanzler Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder (beide SPD) wären demnach krank. "Als nächstes ist dann der Weinliebhaber krank."

Mit den Aktionsprogrammen will Drogenbeauftragte Bätzing das Rauchen und Trinken weiter zurückdrängen. Derzeit raucht nach ihren Angaben rund ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland, 9,5 Millionen Menschen trinken Alkohol in "riskanter Weise". 1,3 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig. Brauer, Zigarettenindustrie und Werbewirtschaft stemmen sich aber gegen weitere gesetzliche Auflagen.

DPA/AP AP DPA
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