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Aufstand angezettelt? Das Oberste Gericht berät über Wahlausschluss Trumps – und zeigt große Skepsis

Trump als "Verräter": Eine Demonstrantin vor dem Supreme Court in Washington. Dort haben die Richter am Donnerstag begonnen, über einen möglichen Ausschluss des Ex-Präsidenten von den Wahlen zu entscheiden
Trump als "Verräter": Eine Demonstrantin vor dem Supreme Court in Washington. Dort haben die Richter am Donnerstag begonnen, über einen möglichen Ausschluss des Ex-Präsidenten von den Wahlen zu entscheiden
© AFP
Donald Trump darf bei keiner Wahl mehr antreten, argumentierten Wähler in Colorado. Und bekamen Recht in ihrem Bundesstaat. Doch nun entscheidet der Oberste Gerichtshof in der Sache. Und der scheint es ganz anders zu sehen. 

Norma Anderson ist nicht enttäuscht. Sie ist nicht wütend, auch nicht ohne Hoffnung. Aber sie ahnt, wie der Supreme Court nach der Anhörung entscheiden wird: gegen sie. Gegen die Hauptklägerin im Fall Trump versus Anderson. Gegen ihren Versuch, Donald Trump von den Wahlen auszuschließen. "Trump hat einen Aufstand gegen die Republik angezettelt", ist sie weiterhin überzeugt. "Laut Verfassung darf er nicht mehr antreten. Aber das Gericht hat offensichtlich viele Fragen."

In der Tat. Die vier Richterinnen und fünf Richter am Obersten Gericht scheinen Andersons Überzeugung nicht zu teilen. Sie hinterfragten – zum Teil vehement – die Entscheidung des Supreme Court von Colorado, der vor sechs Wochen noch im Sinne Andersons entschieden hatte. Vor allem hinterfragten sie die möglichen Folgen eines Trump-Ausschlusses: Kann dann jeder Präsidentschaftskandidat ausgeschlossen werden, wenn ein paar Kläger der Ansicht sind, er habe einen Aufstand angezettelt? Werden nicht Millionen Wähler – Anhänger von Trump – ebenfalls ausgeschlossen? Und wie viel Macht gibt man einem einzelnen Bundesstaat, wenn er in der Lage ist, diese folgenschwere Entscheidung für das ganze Land zu treffen?

"Ich bin weiterhin optimistisch", behauptet die 91jährige Anderson, die sich als "Republikanerin von Geburt an" bezeichnet. "Wir haben viel erreicht."

Sie genoss den Auftritt in Washington. Nicht so sehr die Aufmerksamkeit der Medien. Eher die Aufmerksamkeit für die Sache an sich: Trumps "Umsturzversuch" wird vor dem Supreme Court verhandelt. Die obersten Richter müssen sich mit dem "Putschisten" auseinandersetzen. Amerika muss sich einmal mehr die Frage stellen: Wollen wir wirklich einen Autokraten im Weißen Haus, der sich des versuchten Wahlbetrugs schuldig gemacht hat? Je häufiger sich die Amerikaner diese Frage stellen müssen, davon ist die frühere Politikerin überzeugt, desto unwahrscheinlicher werde die Wahl von Donald Trump. 

Der Supreme Court in Washington, D.C., das höchste Gericht der Vereinigten Staaten
Der Supreme Court in Washington, D.C., das höchste Gericht der Vereinigten Staaten
© AFP

Die Nebenklägerin Krista Kafer, eine konservative Uni-Dozentin aus Denver, gibt gegenüber dem stern ebenfalls zu, dass es eine "taffe" Anhörung war, dass die Aussichten auf einen Sieg nicht gerade gestiegen sind. "Ich mochte die harten Fragen der Richterinnen und Richter", sagt sie. "Gewinnen wir diesen Fall, kann es womöglich einen spaltenden Effekt für unser Land haben. Gewinnt aber Trump, wird es gefährlich für unser ganzes Land. Das ist der Unterschied."

Donald Trump selbst stellte sich nach der Anhörung den Medien und freute sich sichtlich über die skeptischen Richter. Er geht schon jetzt von einem Sieg aus. Er sprach gleich über den nächsten Fall, mit dem sich der Supreme Court beschäftigen muss. Es geht um die Frage, ob er als ehemaliger Präsident Immunität besitzt, ob er strafrechtlich belangt werden kann. "Ein Präsident muss immer Immunität haben", forderte er erneut. Und stieg ins Flugzeug, um am Abend seinen Wahlsieg in Nevada zu feiern. Noch eine gute Nachricht für ihn.

Experten sind sich einig – Trump wird wohl vor Gericht siegen

Der Supreme Court wird vermutlich eine rasche Entscheidung im Fall Trump versus Anderson treffen, denn die Vorwahlen in Colorado und 15 anderen Bundesstaaten stehen schon am 5. März an, dem "Super Tuesday". Nach Ansicht fast aller Experten werden die sechs konservativen und drei linken Richterinnen und Richter mit großer Mehrheit, vielleicht sogar einstimmig, für Trumps Teilnahme an den Wahlen in Colorado entscheiden – und damit auch in allen anderen Bundesstaaten.

Sieht sich schon als Sieger aus dem Verfahren gehen: Ex-Präsident Donald Trump
Sieht sich schon als Sieger aus dem Verfahren gehen: Ex-Präsident Donald Trump
© DPA

Anders jedoch sieht es im Fall seiner Immunität aus. Nachdem ein Berufungsgericht in dieser Woche bestätigte, dass kein Mensch über dem Gesetz steht, auch ein Präsident nicht, ist davon auszugehen, dass der Supreme Court dieser Begründung folgen wird. 

Dann ist der Weg frei für die Strafprozesse gegen Donald J. Trump, womöglich noch vor den Wahlen im November. Trumps guter Tag vor Gericht wird dann überschattet von vermutlich vielen dunklen Tagen.

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