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Debatte um schwere Waffen Der Kanzler und die Kommunikation: Willste nich oder kannste nich, Bürschchen?

Zu den unergründlichen Geheimnissen des Kanzlers gehört der Grund für sein gestörtes Verhältnis zur Außenkommunikation
Zu den unergründlichen Geheimnissen des Kanzlers gehört der Grund für sein gestörtes Verhältnis zur Außenkommunikation
© Clemens Bilan / Getty Images
Schwere Waffen, schwere Entscheidung? Auf jeden Fall: Schwer zu erklären, jedenfalls für Olaf Scholz. Mit seiner Weigerung, auf einfache Fragen klare Antworten zu geben, verspielt der Kanzler immer mehr Vertrauen.

Wir müssen ausnahmsweise mal mit einem Geständnis beginnen: Wir tun ja unser Bestes, aber alles, wirklich ALLES, wissen leider auch wir nicht. Zum Beispiel entzieht es sich unserer Kenntnis, was Olaf Scholz, der ja ohnehin in vielerlei Hinsicht ein menschliches Mysterium ist, über die Osterfeiertage getrieben hat.

Mit Leidenszeiten, Kreuzigung und Auferstehung und der zuweilen sehr kurzen Zeit dazwischen kennt er sich zwar bestens aus. Das aber vor allem als Sozialdemokrat. Mit der Kirche dagegen hat es der erste konfessionslose Kanzler dieser Republik eher nicht so. Hat der bekennende Langschläfer die Feiertage also dazu genutzt, fehlenden Schlaf nachzuholen, während andere den Gottesdienst besuchten? Hat er später noch mal ein wenig in "In Putins Kopf" gelesen? Und abends dann Königsberger Klopse gekocht und "Manche mögen's heiß" geguckt?

Scholz ruft nur einen Eindruck hervor: Ratlosigkeit

Oder hat er sich doch pflichtbesessen stundenlang über die Anforderungslisten der Ukrainer gebeugt, diese mit den Bestandskatalogen der Bundeswehr abgeglichen und dabei entschieden: "Klappspaten können sie haben! Marder kriegen sie nicht!"? Wie gesagt: Wir wissen es bedauerlicherweise nicht. Wir stellen nur fest: Wirklich zu Ruhe und Besinnung gekommen sein kann Olaf Scholz in diesen Tagen nicht. Anders ist sein erster nachösterlicher öffentlicher Auftritt am frühen Dienstagabend nicht zu erklären.

Morgens hatte die russische Armee ihre Großoffensive im Donbass begonnen. Am Nachmittag berieten die wichtigsten Köpfe der westlichen Welt in einer Telefonschalte ihre Reaktion darauf. Danach trat der Kanzler vor die Presse und stammelte sich durch eine Erklärung, die vor allem einen Eindruck hervorrief: Ratlosigkeit.

Man erfuhr vor allem, was man bereits wusste: dass Scholz von sich und der Richtigkeit seines Tuns schwer überzeugt ist; dass die Nato sich nicht in den Krieg hineinziehen lassen werde; dass Deutschland der Ukraine trotzdem bestmöglich unterstützen werde. Nur wie diese Unterstützung denn nun genau aussehen wird, genau das erfuhr man leider nicht. Die klare Frage, ob Deutschland schwere Waffen liefern werde, beantwortete Scholz sehr ausführlich und wortreich – nicht.

Der Grat ist schmal

Zu den unergründlichen Geheimnissen des Kanzlers gehört der Grund für sein gestörtes Verhältnis zur Außenkommunikation. Man würde ihn gerne mit Oskar Matzerath fragen: "Kannste nich oder willste nich, Bürschchen?" Man ahnt aber, dass er darauf genauso wenig antworten würde wie die Jesusfigur in der Danziger Kirche trommeln mochte. "Ein altes Schwein lernt nicht mehr fliegen", hat ein Freund mal über Scholz Weigerung gesagt, sich zu erklären. Vermutlich ändert ihn in dieser Hinsicht selbst das Kanzleramt nicht mehr.

Das ist schade und riskant. Denn der Grat zwischen Ruhe bewahrendem Stoizismus und kalter Ignoranz ist schmal. Und in der Politik kann es schnell gefährlich werden, wenn man darauf aus dem Tritt gerät. Scholz ist bereits nach viereinhalb Monaten im Amt an diesem Punkt. Die von ihm gewünschte Impfpflicht ist im Bundestag kläglich gescheitert, gegen das von ihm erdachte Sondervermögen für die Bundeswehr regt sich insbesondere in der SPD Widerstand, und die Stimmen aus der Ampel-Koalition, die eine sofortige Lieferung auch von Panzern an die Ukrainer fordern, mehren sich und werden immer lauter.

Als Allerlautester ist gegenwärtig Toni Hofreiter zu vernehmen, der grüne Ex-Fraktionschef, für den sich im Spätherbst kein Ministerposten finden ließ und der nun von keiner Kabinettsdisziplin gebremst auf den Kanzler einteufelt: "Zu zauderlich und zu zögerlich". "Reicht nicht." "Deutschland muss mehr tun." "Das Problem sitzt im Kanzleramt." Und das sind nur ein paar kleine Kostproben.

Die Kritik abzutun, wäre falsch

Hofreiter ließe sich ja abtun als Rache eines Zukurzgekommenen. Aber das wäre falsch. Denn was Hofreiter offen ausspricht, denken insgeheim viele. Selbst Bijan Djir-Sarai, der am Wochenende offiziell zum FDP-Generalsekretär gewählt wird, drängt der Kanzler inzwischen offen, sich stärker für die Ukraine einzusetzen.

Wir wissen nicht, wo Djir-Sarai in der Scholz'schen Wertschätzung und Wahrnehmung rangiert; wir wissen leider auch nicht, was den Kanzler geritten hat, als er seine Kritiker in einem vorösterlichen Anfall klarer Ausspracheper Interview anranzte: "Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich." Ebenso wenig wissen wir, wohin diese Art der Führung führen wird.

Eines aber wissen wir doch ziemlich sicher: Dass man als Kanzler auf Dauer so zu viel Vertrauen verspielt.

tis

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