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Neue Partei An diesen drei Hürden könnte Wagenknecht scheitern

Faktenstück: Wer ist eigentlich Sahra Wagenknecht?
Sehen Sie im Video: Wer ist eigentlich Sahra Wagenknecht? Alles, was Sie über die ehemalige Linke-Politikerin wissen müssen.
Videoquelle: rtl.de

Die neue Partei der Ex-Linken Sahra Wagenknecht könnte laut Umfragen bei Wahlen über zehn Prozent holen. Könnte. Denn dafür muss die Parteichefin in spe drei große Probleme umschiffen.

Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Mit diesem Zitat des Schriftstellers Victor Hugo warb Oskar Lafontaine 2005 für ein neues politisches Bündnis: die Linke.

18 Jahre später tritt nun seine Frau Sahra Wagenknecht mit einem anderen politischen Bündnis an. Aber demselben Anspruch. Untermauert wird er mit einem Imagefilm, den die langjährige Linken-Politikerin gerade auf dem Kurznachrichtendienst „X“ gepostet hat. Dort wird zunächst in düsteren Schwarz-weiß-Bildern und -Worten ein Land in desaströsem Zustand beschrieben, bevor als farbige Lichtgestalt Wagenknecht erscheint und eine bessere Zukunft verspricht.

Wagenknecht könnte eine politische Marktlücke gefunden haben. Für das nach ihr benannte Projekt verbindet sie sozial- und steuerpolitisch links zu verortende Positionen wie die Forderung nach einem höheren Mindestlohn, mehr Rente und einer Vermögenssteuer mit konservativ-rechten Ansätzen, etwa einer strikter geregelten Zuwanderung und der Ablehnung von Gendersprache. So könnte sie Unzufriedene aus allen Spektren einsammeln. Enttäuschte Linke und AfD-Wähler, aber auch aus anderen Parteien. Umfragen zufolge könnte sie damit über zehn Prozent gewinnen. Auch wenn das etwas sehr hoch gegriffen erscheint: Insbesondere im Osten ist bei einigen die Sehnsucht nach einer linksnationalistischen Partei groß.

Der Fahrplan ist klar: Nach der Gründung der Partei im Januar will man bei der Europawahl und dann zumindest einigen Landtagswahlen antreten, um 2025 ausreichend gestärkt an der Linken vorbei in den Bundestag einzuziehen.

Der Plan könnte aufgehen

Dieser Plan könnte aufgehen. Bei der Europa-Wahl gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde und auch eine geringere Parteibindung im Wahlverhalten als bei nationalen Wahlen. Dies und die Faszination, die jedes neue Politprojekt ausstrahlt, dürfte reichen, um Wagenknechts Partei einen ersten Erfolg zu bescheren. Die daraus resultierende Euphorie könnte sie durch die Landtagswahlen tragen.

Trotzdem spricht viel dafür, dass Wagenknecht am Ende scheitern wird. Vor allem drei Probleme werden ihr zu schaffen machen.

Sahra Wagenknecht kann nicht führen

Die neue Partei ist komplett auf sie ausgerichtet. Was Wagenknechts größtes Kapital ist, ist auch ihr höchstes Risiko. Wagenknecht ist eine charismatische Politikerin und ausgezeichnete Rhetorikerin, die es versteht, Säle für sich einzunehmen. Was sie nicht ist: eine gute Organisatorin oder jemand, der eine Gruppe zusammenhalten kann. "Sicher, ich bin keine geboren Gruppen-Anführerin", hat sie selbst erst im stern-Interview zugegeben. Als Fraktionschefin überließ sie diese Aufgabe ihrem Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch, während sie als Gesicht der Linken durch die Talkshows tourte.

Das wird in ihrer neuen Partei nicht möglich sein. Selbst wenn es ihr gelingt, ein gutes Team um sich zu scharen, so wird nicht sie diejenige sein, die es mittelfristig geeint halten kann. Das ist Nährboden für Konkurrenzkämpfe und Intrigen. Hinzu kommt die Frage, wie belastbar Wagenknecht ist, vor vier Jahren hat sie einen Burn-out erlitten. Fällt sie aus, wird eine völlig auf sie zentrierte Partei über kurz oder lang in sich zusammenfallen.

Die neue Partei wird Querulanten anziehen

Neue Parteien sind immer auch Magneten für Querulanten und Wirrköpfe. Die sich immer von allen falsch verstanden fühlen, sich aber nie fragen, ob es an ihnen selbst liegen könnte. Die Parteitage und Sitzungen sprengen, indem sie stundenlange Monologe halten oder sinnlose Anträge stellen. Für die Bundestagswahl muss das Team um Wagenknecht nun in allen Bundesländern Landesverbände gründen. Das bietet viel Raum für Querschüsse und Ränkespiele, die einzelne Verbände auch schon einmal zerlegen können. Zur Wahrheit gehört freilich auch: Das war bei der Linken nicht anders. Überstanden hat das die Partei nur, weil sie oft straff geführt wurde. Unter anderem von Oskar Lafontaine.

Inhaltlich ist die Partei eine Projektionsfläche

Inhaltlich wirkt Wagenknechts Projekt derzeit noch wie ein Gemischtwarenladen. Das macht es zur idealen Projektionsfläche. Künftig wird sich die Ex-Linke aber nicht mehr aussuchen können, zu welchen Themen sie sich äußert. Sie wird zu allen Themen gefragt werden. Die Festlegung wird zwangsläufig einige Anhänger und Anhängerinnen enttäuschen. Völlig unklar ist auch, wie weit Wagenknecht nach rechts ausgreifen wird und wie sie sich konkret von der AfD abgrenzen will.

Auf die Euphorie des Aufbruchs könnte Ernüchterung folgen. Dann bedarf es Führungsstärke und Durchhaltevermögen. Zumindest bei ihrem früherem Projekt, der Sammelbewegung „Aufstehen“, hat Wagenknecht beides nicht bewiesen.

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