Anzeige

Portugal Die Angst vorm Disneyland: Wie der Tourismus-Boom zum Problem für Lissabon wird

Lissabon Altstadt
Lissabon Altstadt: Touristen werde für Anwohner zum Problem
© Andrius Kaziliunas / Getty Images
Lissabon profitiert durch gute Flug-Anbindungen vom Boom der Städtetrips in Europa und lockt Massen an Touristen in die Altstadt. Ein Problem für die Anwohner. Sie fürchten, dass ihre Stadt zum Disneyland verkommt.

Wer Lissbons Altstadt erkunden will, sollte gut zu Fuß sein. Denn Portugals Hauptstadt schmiegt sich an Hügel und so wickeln sich kleine, schmale Gassen die Hänge herauf. Gut, dass die Stadt noch die Tram hat, die auch lahme und faule Gäste nach oben kutschiert. Besonders die Line 28E ist bei Touristen beliebt. Die gelbe Straßenbahn ist längst zum Kultobjekt der Stadt geworden. Eine Fahrt mit der Linie ist ein Muss - falls man denn noch Platz findet. Längst ist die Strecke durch die Altstadt so überlaufen, dass man mitunter einige Bahnen abwarten muss, bis man sich noch reinquetschen kann. Denn Lissabon entwickelt sich zum neuen Hotspot von Europas Städtetrips.

Günstige Flüge, viel Kultur, gutes Wetter: Die Stadt am Tejo punktet bei Touristen. Und das zunehmend zum Leidwesen der Anwohner. Die Stadt wandelt sich rasant, die Quittung dafür zahlen die Bewohner. Denn von dem einst strengen Mieterschutz und den erstaunlich günstigen Mieten - gerade im Altstadtbereich - ist wenig geblieben. Bröselte früher der Putz von den verwilderten Häuserwänden, die jahrzehntelang dem Verfall überlasen worden waren, erstrahlen viele der uralten Bauten heute im sanierten Glanz. Wer hier wohnen will, muss nun deutlich gestiegene Mieten akzeptieren. "Wie sollen Leute mit 300 Euro Rente die neuen Mieten bezahlen?", fragt der Betreiber eines Cafés in der "NZZ".

Lissabon: Touristen statt Anwohner

Eine Liberalisierung des Immobilienmarkts hat Unternehmen wie Airbnb Tür und Tor geöffnet. "In Lissabon schließen Hausbesitzer so gut wie keine normalen Mietverträge mehr ab", sagt Maria Eugenia Palma von einem Lissaboner Mieterverband zur "Deutschen Welle". "Stattdessen versuchen alle, an Touristen zu vermieten." 

Damit könnten die Vermieter nicht nur mehr Geld verdienen - sie würden auch noch Steuern sparen. Lange waren die Mieten der maroden Häuser günstig, so dass auch Einheimische sich das Wohnen in der Altstadt leiden könnte. Das ist vorbei. "Da sind für den Vermieter leicht 2000 Euro und mehr im Monat drin, mit Einheimischen dagegen höchstens 800 Euro", sagt Palma. 

Lissabons Mieter werden verdrängt

Wer sich die explodierenden Mieten nicht leisten kann, muss umziehen. Und wer sich renitent zeigt, dem wurde auch schon mal Wasser oder Strom abgedreht, berichtet die "NZZ". Es überrascht wenig, dass in Lissabons Altstadt viele Häuser verfallen, dringend notwendige Reparaturen würden aufgeschoben. Bis die Bewohner dann doch irgendwann ausziehen. Und Platz machen - für ausländische Investoren, ausländische Urlauber. Oder einige, wenige vermögende Lissaboner. "Der Staat und die Stadt sehen den Tourismus als eine Rettung aus der Finanzkrise, da haben die alten Bewohner keine Chance", sagt sagt Luís Paisana, Vorsitzender des Anwohnervereins des Stadtteils Bairro Alto, zur "Deutschen Welle".

Portguals Hauptstadt teilt dieses Schicksal mit einigen europäischen Städten, die durch einen anhaltenden Tourismusboom zunehmend unter die Räder kommen. Barcelona, Rom, Venedig - die Städte klagen über Vermüllung, Sauftouristen, geldgierige Investoren und Massentourismus in Reisebussen. Erleichtert durch gelockerte politische Regularien werden Altstädte oder Hafenviertel zur Kulisse für flanierende Reisegruppen. 

Kneipenviertel Bairro Alto verdreckt

Ein ähnliches Schicksal droht auch Lissabon. "Die Stadt hat in den vergangenen 30 Jahren über 300.000 Einwohner verloren", sagt Paisana. "Und dieser Trend wird sich noch weiter verstärken." Vor allem touristisch nachgefragte Stadtteile würden sich leeren. Das Viertel Bairro Alto, bekannt für seine Kneipen und Restaurants, ächzt unter den Besuchermassen. Die entern das Viertel zum Feiern. Am Morgen riecht es nach Urin und Erbrochenem, Müll bedeckt die Kopfsteinpflasterwege. Also ziehen die Menschen weg -  zuletzt sei die Zahl der Anwohner von 13.000 auf 3.000 gefallen. Dass sich diese Entwicklung umkehren könnte, ist bislang nicht in Sicht. 

Die Bewohner Lissabons fühlen sich verkauft und verraten, denn sie wissen, dass sie gegen die Tourismus kaum eine Chance haben. Zu sehr benötigt die Stadt das Geld, das die Reisende in die Stadt schwemmen. "Irgendwann wird dies ein Disneyland, in dem die Touristen nur noch einander sehen", sagte eine Anwohnerin der "NZZ".

+++ Lesen Sie auch: "St. Pauli will Weltkulturerbe werden - eine gute Idee" +++

 

Einsame Länder - diese Länder wollte 2016 niemand bereisen

Einsame Länder: An diese Orte fährt kein Mensch, dabei sind viele von ihnen das Paradies

02:55 min
kg

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel