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Der Streit ums Geld in der Europäischen Union belastet die deutsch-griechische Freundschaft.

Stuttgart - Viele Griechen lieben Stuttgart als ihre zweite Heimat. Viele Stuttgarter haben Griechenland im Urlaub lieben gelernt. Nun stellt der Streit ums Geld in der Europäischen Union die Beziehung der beiden Länder auf den Prüfstand. Was davon zu halten ist? Die Meinung der Stuttgarter Griechen ist geteilt.

Die Aphrodite von Milos hebt den Stinkefinger. Daneben steht die Schlagzeile: "Betrüger in der Euro-Familie." Diese Titelseite des Magazins "Focus" war zu viel für Georgios Papadopoulos."Schlagzeile und Fotomontage sagen aus, dass alle Griechen Betrüger sind", sagt der 60-jährige Grieche, der seit 30 Jahren in Stuttgart lebt. Er hat mit einem geharnischten Brief an die Chefredaktion des Magazins auf die Berichterstattung reagiert.

Dass seine Landsleute "auf solche Beleidigungen" den Deutschen ihre nationalsozialistische Vergangenheit vorwerfen, hält er zwar nicht für richtig, aber für verständlich. Korruption sei in seiner Heimat zwar ein Problem. Doch längst nicht alle Griechen seien bestechlich, und nicht alle würden Schmiergelder anbieten. "Als ich in der Heimat mein Haus gebaut habe, habe ich keinen Cent extra bezahlt. Wenn wir Griechen durch pauschale Verurteilungen so in unserem Stolz verletzt werden, müssen wir Dampf ablassen" sagt er.

Beim Euro hört die Freundschaft auf

Dass der Zwist auf politischer Ebene auf den Alltag der Griechen in Stuttgart und der Region auswirkt, hat auch Barbara Lykopoulou festgestellt. "Nachbarn warfen meiner Mutter vor, dass der deutsche Steuerzahler die Staatsschulden der Griechen bezahlen müsse. Sie hat geantwortet, dass auch sie ihre Steuern in Deutschland abführt", sagt die 39-jährige Rechtsanwältin, die seit 32 Jahren in Deutschland lebt. Ob Schmiergelder von bis zu 1400 Euro im Jahr in ihrer Heimat üblich sind? Die Juristin bezweifelt das. "Meine Schwester hatte als Akademikerin ein Anfangsgehalt von 800 Euro. Damit kann sie niemanden bestechen." Die 39-Jährige fordert, einen Weg aus der Krise zu finden.

Viel Kultur, guter Wein und Sonne: Griechenland gehört wegen seiner Vielfalt zum beliebten Urlaubsziel auch der Stuttgarter. "Trotzdem spüren meine Landsleute, dass sie von den Deutschen nicht als echte Partner akzeptiert werden", meint Anestis Moutafidis. Der 47-Jährige ist Sozialberater bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart und besitzt sowohl die griechische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Den Deutschen wirft er Überheblichkeit vor, den Griechen mangelndes Selbstbewusstsein. Dass aus dem Zweiten Weltkrieg noch Rechnungen offen sind, steht für ihn außer Frage. Sein Wunsch: die Urlaubsliebe der Deutschen zu Griechenland soll eines Tages mehr als ein Flirt sein.

Anna Labrinakou ist in Stuttgart aufgewachsen. Die Eltern der 45-jährigen Mitarbeiterin des Forums der Kulturen kamen 1962 als sogenannte Gastarbeiter im Rahmen des deutsch-griechischen Anwerbeabkommens nach Deutschland. Trotz anfänglicher Sprachschwierigkeiten und Heimweh haben sie sich hier durchgebissen wie viele ihrer 16000 in Stuttgart lebenden Landsleute. "Die gegenseitigen Beschimpfungen darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen", meint Anna Labrinakou. Auch sie wehrt sich gegen den pauschalen Vorwurf, dass Bestechung in Griechenland Alltag ist. Dass der Selbstzahler beim Arzt bevorzugt behandelt wird, räumt sie ein, sieht aber eine Parallele zum deutschen Gesundheitssystem, wo der Privatpatient auch besser als der Kassenpatient gestellt sei.

Wie Moutafidis hat auch Jordana Vogiatzi die doppelte Staatsbürgerschaft. "Ziel der Europäischen Union ist es, sich gegenseitig zu unterstützen. Das nennt man Solidarität", sagt die 33-jährige Mitarbeiterin der IG Metall. Dass Griechenland zum Sündenbock der EU gemacht wird, hält sie für unfair. "Schließlich war bekannt, dass Griechenland nicht zu den reichen Staaten zählt." Doch ist die 33-Jährige überzeugt, dass die Diskussion ein Sturm im Wasserglas ist und die Freundschaft nicht beim Euro aufhört.