Es geht nicht mehr nur um Proteste für Reformen im Iran - die Unruhen richten sich gegen das islamische System selbst. Nun will Präsident Ruhani sein Schweigen brechen.

Teheran - Die iranische Regierung verschärft ihren Kurs gegen die regimekritischen Demonstranten im Land. Innenminister Abdulresa Rahmani Fasli sagte, es handele sich nicht mehr um Proteste, sondern um einen Aufstand gegen das eigene Volk. „Probleme mit Gewalt und Terror zu lösen, ist keine Option (...) - das können und werden wir nicht mehr dulden“, sagte der Minister am Sonntag. Die Polizei werde konsequent eingreifen. In der Provinz Lorestan im Westiran wurden zwei Demonstranten getötet und sechs weitere verletzt. Landesweit sollen inzwischen mehr als 80 Demonstranten verhaftet worden sein.

 

Die Sicherheitskommission des iranischen Parlaments will in einer Sondersitzung über die Proteste beraten. An dem in der ersten Januarwoche geplanten Krisentreffen soll auch Präsident Hassan Ruhani teilnehmen, wie die Nachrichtenagentur Isna am Sonntag berichtete.

Die Kundgebungen hatten am Donnerstag begonnen. Sie richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung Ruhani, wurden aber zunehmend systemkritisch. Am Samstag griffen die Proteste, die zuvor in mindestens neun iranischen Städten stattgefunden hatten, auch auf die Hauptstadt Teheran über.

Auswärtiges Amt rät zu erhöhter Aufmerksamkeit

Die Bundesregierung rief die iranische Regierung zur Achtung der Menschenrechte auf. „Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind hohe Güter. Wir rufen die Regierung von Präsident Ruhani auf, die Rechte der Protestierenden zu achten und besonnen zu handeln. Gleichzeitig appellieren wir an alle Beteiligten, ihre Anliegen friedlich zum Ausdruck zu bringen“, teilte das Auswärtige Amt auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Zugleich passte das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für das Land am Sonntag an und riet zu erhöhter Aufmerksamkeit auf öffentlichen Plätzen und zur Meidung von größeren Menschenansammlungen im Iran.

Nach Angaben iranischer Medien wollte sich Präsident Ruhani noch am Sonntag erstmals zu den Protesten äußern. Es wurde erwartet, dass er in erster Linie die Hardliner für die Proteste verantwortlich machen würde. Nach Angaben von Vizepräsident Ishagh Dschanhgiri waren die ersten Proteste in Maschhad im Nordostiran von Hardlinern organisiert worden, um Ruhanis Reformkurs zu schwächen. Im Iran kämpfen Reformer und Hardliner seit langem um die Führung des Landes.

US-Präsident Donald Trump äußert sich via Twitter

Die Proteste in Maschad richteten sich in erster Linie gegen die hohen Preise und Ruhanis Wirtschaftspolitik. Aber schon dort gab es auch regimekritische Slogans. Dieser Trend setzte sich dann fast landesweit fort. Die Demonstranten riefen Slogans gegen den Klerus, die pro-arabische und anti-israelische Außenpolitik und die Islamisierung des Landes. In mehreren Städten, auch in Teheran, wurden aus den Protesten Unruhen und es kam zu Ausschreitungen.

US-Präsident Donald Trump twitterte am Sonntagmorgen (Ortszeit), die Menschen im Iran hätten endlich begriffen, „wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird. Wie es aussieht, werden sie es nicht länger hinnehmen“. Die USA würden „sehr genau“ beobachten, ob es Menschenrechtsverletzungen gebe.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr haben die Demonstranten als Zeichen ihrer Kritik an der iranischen Nahostpolitik sogar Bilder von General Ghassem Solejmani zerrissen. Solejmani ist einer der Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden (IRGC). Er gilt in politischen Kreisen als Nationalheld, weil er unter anderem die Kämpfe gegen die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nordirak und in Syrien geleitet hat. Er soll nicht nur einen großen Anteil an den militärischen Niederlagen des IS haben, sondern auch am politischen Überleben von Syriens Präsident Baschar al-Assad.

Israel warf dem Iran vor, mit Waffenlieferungen in den Gazastreifen zu einer Eskalation des Konflikts mit militanten Palästinensern beizutragen. Drei Raketen, die militante Palästinenser am Freitag auf israelisches Gebiet abgefeuert hatten, stammten nach Armeeangaben aus iranischer Produktion.

Internet aus Sicherheitsgründen beschränkt zugänglich

Am Sonntag gab es erneut technische Probleme mit dem Internet im Iran, besonders via Handy. Damit hatten viele Iraner auch keinen Zugang mehr zu sozialen Netzwerken. Das Innenministerium bestätigte, dass wegen der Ausschreitungen aus Sicherheitsgründen auch das Internet beschränkt wird. Dies sei aber nur vorläufig, sagte ein Sprecher des Ministeriums nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna.

Der Chef des Messenger-Dienstes Telegram, Pavel Durov, teilte am Sonntag auf Twitter mit, dass die iranische Regierung für die meisten Bürger des Landes den Zugriff auf Telegram gesperrt habe. Die Handy-App ist für viele Iraner das Mittel der Wahl, um Videos und Nachrichten zu den anhaltenden Protesten auszutauschen.

Deutsche Stimmen kritisierten das iranische Regime und mahnten die Einhaltung der Menschenrechte an, kritisierten aber gleichzeitig den Aufruf der USA zur Unterstützung der regimekritischen Proteste im Iran. „Das ist Wasser auf die Mühlen der Hardliner im Iran“, sagte der deutsch-iranische Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour der Deutschen Presse-Agentur. Dennoch müsse auch Europa den Iran auffordern, die Menschenrechte zu wahren. Das mit dem Iran ausgehandelte Atomabkommen dürfe nicht zu einem „Maulkorb“ führen. Der stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe des Bundestags, Niema Movassat (Linke), rief die Bundesregierung auf, den iranischen Botschafter einzubestellen.