Konkurrenten, teures Kerosin und staatliche Auflagen: Sie setzen die etablierte Anbieter im Luftverkehr zunehmend unter Druck.

Frankfurt/Main - Stephan Gemkow ist immer für ein Zitat gut. „Da wäre es Erfolg versprechender, eine Sonnenstudiokette auf Jamaika zu eröffnen“, sagte der im Sommer zum Familienkonzern Haniel wechselnde Noch-Finanzchef der Lufthansa, als er darauf angesprochen wurde, dass der Konkurrent Delta Airlines sich eine eigene Raffinerie zulegen wird. Von solchen Experimenten halten die eher konservativ agierenden Lufthansa-Manager wenig. Obwohl auch die führende europäische Fluggesellschaft wie alle anderen Wettbewerber unter den stark gestiegenen Kerosinkosten zu leiden hat. Allein im ersten Quartal 2012 lagen die Ausgaben für den Treibstoff um 23 Prozent über dem Vorjahreswert. Auf insgesamt 7,5 Milliarden Euro wird sich nach Gemkows Schätzung die Lufthansa-Kerosinrechnung in diesem Jahr erhöhen. Das wären gut 1,2 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr.

 

Da hilft auch das von der Lufthansa seit Jahren mit großem Erfolg betriebene Absicherungsgeschäft gegen steigende Ölpreise nur wenig – und eine eigene Raffinerie nach Gemkows Ansicht eben auch nicht. Der einzige Trost ist, dass nicht nur die Lufthansa mit diesem Problem fertig werden muss. Auch die beiden großen Konkurrenten Air France/KLM sowie British Airways/Iberia fliegen derzeit tief in den roten Zahlen. Auf rund 600 Millionen Dollar (etwa 460 Millionen Euro) schätzt die internationale Luftfahrtorganisation IATA den Verlust, den europäische Fluggesellschaften in diesem Jahr einfliegen werden. Die Aussichten seien schwierig, vor allem in Europa, meint IATA-Chef Tony Tyler.

Doch nicht nur die Treibstoffkosten steigen: Emissionszertifikate, Luftverkehrsteuer und Streiks wie im Frühjahr dieses Jahres bei den Vorfeldbeschäftigten auf dem Frankfurter Flughafen belasten das Geschäft zunehmend. Und auf der Ertragsseite wird es ebenfalls enger. So schränken Nachtflugverbote die Flexibilität ein. Zugleich werden die etablierten Linienfluggesellschaften Europas gleich von zwei Seiten in die Zange genommen: Im Europaverkehr jagen ihnen die sogenannten Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet die Kunden ab, oder zwingen die Großen zu Kampfpreisen. Auf der anderen Seite locken im Langstreckengeschäft die finanzstarken (und staatlich abgesicherten) Golfanbieter wie Emirates oder Etihad nicht nur Touristen, sondern vor allem auch die zahlungskräftigen Passagiere der First- und Business-Klasse.

Nach wie vor eine Wachstumsbranche

Dabei ist eines klar: der Luftverkehr ist nach wie vor eine Wachstumsbranche. Auch die großen drei in Europa melden Zuwachszahlen bei Passagieren und Umsatz. Zwar wird das Wachstum in den nächsten zwanzig Jahren wohl hauptsächlich in Asien oder Südamerika stattfinden – doch da können die drei international aufgestellten Europaflieger durchaus mitmischen. Aber wie sollen sie an diesem Wachstum auch verdienen? Das ist die große Frage, die in Paris, London und Frankfurt derzeit vom Management intensiv diskutiert wird. Während der Chef der Holding von British Airways und Iberia (IAG), Willie Walsh, einer Kooperation mit den Golfanbietern offen gegenübersteht, sieht Lufthansa-Chef Christoph Franz in Emirates und Co. vor allem staatlich subventionierte und damit unfair begünstigte Wettbewerber.

Es passt Franz gar nicht, dass der größte Konkurrent in Deutschland, Air Berlin, sich mit den Arabern von Etihad eingelassen hat. Doch die Manager aus Abu Dhabi stört das wenig, nach Air Berlin haben sie nun auch den Anschluss an die irische Air Lingus gesucht – weitere Partnerschaften in Europa nicht ausgeschlossen. Lufthansa und die beiden großen europäischen Konkurrenten müssen einen Spagat wagen. Sie wollen „Qualitätsanbieter“ bleiben und dennoch ihre Kosten deutlich senken. Am weitesten wagt sich dabei der deutsche Marktführer vor. Drei Milliarden Euro investiert die Fluglinie allein in diesem Jahr in das Produkt, alle drei Passagierklassen werden erneuert.

Zudem haben die Frankfurter 170 neue Maschinen für einen Listenpreis von 17 Milliarden Euro bestellt. Neue Jets, wie der Boeing-Jumbo 747-8i, verbrauchen weniger Sprit, sind deutlich leiser und können mehr Passagiere befördern. Aber sie kosten Geld „und das müssen wir erst einmal verdienen“, wie Lufthansa-Chef Christoph Franz betonte, als er den Abbau von weltweit 3500 Stellen ankündigte.

Die Lufthansa denkt nicht an weitere Zukäufe

Experten erwarten, dass der zunehmende Druck auf die europäischen Fluggesellschaften dazu führen wird, dass die Konsolidierung an Tempo zunimmt. In den USA, wo die Flieger schon seit zehn Jahren in Turbulenzen sind, ist die Zahl der großen Gesellschaften schon durch Fusionen oder Übernahmen von sieben auf vier geschrumpft. Aktuell befindet sich die Nummer vier der US-Branche, American Airlines, im Gläubigerschutzverfahren. US-Marktführer Delta, der sich schon 2008 den Konkurrenten Northwest gesichert hatte, hat die Fühler ebenso ausgestreckt wie das konkurrierende Bündnis aus United und Continental – Ausgang offen.

In Europa stehen mehrere Fluggesellschaften vor der Frage, ob sie allein auf Dauer überleben können. Bei der Lufthansa denkt man derzeit nicht an weitere Zukäufe, die Integration von Swiss und AUA verursacht noch genug Arbeit. Zudem steckt der Flop mit BMI noch in den Knochen. Auf der anderen Seite werden Franz und seine Kollegen aber auch nicht tatenlos zusehen, wenn Air France oder die IAG auf Einkaufstour gehen sollten.