Das österreichische Nationalteam hat die Chance gegen Deutschland nicht genutzt – will aber unbedingt Zuversicht aus der 1:2-Niederlage schöpfen.

Wien- Am Tag danach hat Marcel Koller noch einmal zur Nachbetrachtung gebeten. Es ist bei Länderspielen der österreichischen Nationalmannschaft üblich, dass der Teamchef dann eine übergeordnete Rückschau hält. Nicht sonderlich überraschend war, dass der Schweizer sich dabei vor allem mit Marko Arnautovic beschäftigte; jenem Unglücksraben, der kurz vor ultimo die große Ausgleichschance verschludert hatte.

 

Koller hatte die Nacht nach dem „frustrierenden Erlebnis“ in der WM-Qualifikation genutzt, um sich die entscheidende Sequenz gleich mehrfach in der Aufzeichnung anzusehen. „Der Ball springt kurz vorher auf, dann geht er ans Schienbein, und er trifft ihn nicht richtig.“ Doch bei allem Verständnis äußerte der 51-Jährige auch Kritik an seinem in dieser Szene unkonzentrierten Rechtsaußen: „Er war sich zu sicher. Das sind halt die Hundertstelsekunden, in denen die Anspannung schon weg geht und die Freude zu früh kommt!“

Arnautovic‘ verzweifelter Blick, seine vors Gesicht geschlagenen Hände sind das Sinnbild des unglücklichen österreichischen Abends gewesen. Die Szene ist trotzdem typisch für einen, der zeitweise aus Österreichs Eliteelf geflogen war, weil er sich zu viele persönliche Freiheiten genommen hatte – um es vorsichtig zu formulieren. Auch bei Werder Bremen wissen sie oft nicht, welche Rolle er gerade einnimmt: Ausnahmetalent oder Taugenichts?

Koller hat sich im Umgang für einen Mix aus Lob und Tadel entschieden. So entfalte seine Nummer sieben ihr Potenzial bislang nur in Ansätzen. „Das hat er noch viel besser drauf. Er muss viel mehr solcher Szenen provozieren wie beim 1:2 – mit seinem Körper, seiner Schnelligkeit, seiner Technik.“ Der Österreicher mit serbischen Wurzeln beteuerte zuletzt oft, als junger Vater spüre er mehr Verantwortung, sei ruhiger geworden; nur, bitteschön, er mag den Schmarrn vom „neuen Arnautovic“ nicht lesen.

Der Appetit ist geweckt

Immerhin: genau wie in der Bundesliga in Dortmund und gegen Hamburg hat er nun auch gegen Deutschland sein Fähigkeiten angedeutet. Vorbildlich seine Vorarbeit zum Tor des Vereinskollegen Zlatko Junuzovic. Bremens bärenstarker Mittelfeldmann sagte dann auch, er habe Arnautovic bereits in der Kabine gut zugeredet, „das kann passieren.“ Und doch sei es erst einmal zehn Minuten mucksmäuschenstill gewesen, „wir waren komplett leer im Kopf.“

Welche Kraft und Zuversicht kann Fußball-Österreich aus einer Vorstellung saugen, mit der Kollers glänzend eingestelltes Ensemble den Favoriten an den Rand der Niederlage drängte? Es gibt viele Experten, die halten die unbelohnte Bravourleistung im Wiener Prater für gemeingefährlich.

Denn dieselbe Motivation auch am 12. und 16. Oktober aufzubringen, scheint fast unmöglich: Der Gegner heißt schließlich zweimal Kasachstan. „Wir müssen diese Leistung wie gegen Deutschland wieder bringen, da waren Einsatz, Wille und Leidenschaft top. Hacke, Spitze, eins, zwei, drei werden da nicht reichen.“

Doch der Appetit ist geweckt. „Das Gute ist doch“, sagte Wolfsburgs Emanuel Pogatetz, „dass die Deutschen auch noch Punkte liegen lassen, wenn sie so spielen.“ Das hörte sich nicht so an, als begreife sich da einer nur als Außenseiter.