Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit:Bayern traurige Spitze

Lesezeit: 3 min

Eigentlich nimmt Ausländerfeindlichkeit in Deutschland ab - doch die Details einer Langzeitstudie erschrecken: Besonders in Bayern sind Vorurteile und übersteigerter Nationalstolz stark.

A. Ramelsberger

Eigentlich ist das eine gute Nachricht: Der Anteil der Menschen sinkt, die sich einen starken Mann an der Spitze des Staates wünschen, die Ausländer am liebsten nach Hause schicken wollen und auch Juden für fremd und undurchsichtig halten. Die Zahl der Menschen, die so denken, nimmt seit dem Jahr 2002 ständig ab - sie hat sich seitdem fast halbiert. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Leipzig, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wird und die Entwicklung seit dem Jahr 2002 verfolgt.

Mit einem Klick auf die Lupe sehen Sie die Statistiken in der Vergrößerung. (Foto: Foto: SZ Grafik)

Gleichzeitig erschrecken aber die Einzelergebnisse, die die Wissenschaftler zutage gefördert haben: Denn ausgerechnet das Land Bayern liegt der Studie zufolge an der Spitze aller Länder, wenn es um Chauvinismus geht, also übersteigertes Nationalgefühl und die Überheblichkeit eines Staates gegenüber anderen. Da übertrifft Bayern den Forschern zufolge sogar noch Mecklenburg-Vorpommern, das sonst bei allen Katagorien vorne dabei ist. Beim Antisemitismus sind Bayern und Baden-Württemberg die Spitzenreiter.

Dagegen ist die Ausländerfeindlichkeit ganz deutlich in den ostdeutschen Ländern stärker ausgeprägt. 32,6 Prozent der Ostdeutschen zeigen eine ausländerfeindliche Haltung, das ist beinahe doppelt so viel wie im Westen. Westdeutschland sei aber "keine Insel der toleranten Glückseligkeit", heißt es in der Studie. Die Forscher betonen, offensichtlich hätten die starken Aufklärungsbemühungen zu diesem Rückgang der negativen Einstellungen geführt.

Unterschiedliche Wirklichkeit in den einzelnen Ländern

Bereits im Jahr 2006, als die Forschungsergebnisse jenes Jahres vorgestellt wurden, gab es Kritik an den Kriterien der Wissenschaftler. Denn mit den Fragen sollen Einstellungen gemessen werden, nicht die Wirklichkeit, zum Beispiel Übergriffe auf Ausländer oder Volksverhetzung.

Und die Wirklichkeit sieht in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern ganz anders aus als zum Beispiel in Bayern: Im Nordosten gibt es ganze Landstriche, die von Rechtsradikalen dominiert werden, in Bayern dagegen stemmt sich eine starke Protestbewegung gegen Rechtsextremisten: Sogar CSU-Bürgermeister gehen auf Demonstrationen gegen rechts mit. Im Nordosten prägen kurzgeschorene Männer oft das Stadtbild, im Süden sind sie Einzelerscheinungen.

"Ziel dieses Bundesländervergleichs ist es nicht, einzelne Länder an den Pranger zu stellen", betonen die Forscher Oliver Decker und Elmar Brähler von der Universität Leipzig. Sie haben vor allem mit vorgegebenen Fragen gearbeitet, auf die die Befragten antworten sollten. In den ersten beiden Juniwochen wurden 2524 Menschen zwischen 14 und 91 Jahren befragt. Und die Ergebnisse sind im Ganzen durchaus beruhigend: Nur sechs Prozent aller Befragten in Ost und West meinten, unter bestimmten Umständen sei eine Diktatur im nationalen Interesse die bessere Staatsform.

Auch der Satz: "Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staatsmann ansehen" stieß auf klare Ablehnung. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen wendet sich gegen solche Aussagen. Solche Einstellungen finden Zustimmung vor allem bei Arbeitslosen und Rentnern. Anders sieht es bei weniger eindeutigen Sätzen aus.

Besonders ausgeprägt in Bayern

Die Forscher benutzten folgende Sätze, um das Maß an Chauvinismus zu ergründen: "Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben" oder "Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht." Die Zustimmung zu diesen Sätzen ist erheblich höher als bei klar rechtsradikalen Aussagen: Bis zu 35 Prozent sprechen sich ganz oder mit kleinen Einschränkungen für das starke Nationalgefühl aus und 45 Prozent für den starken Einfluss Deutschlands in der Welt.

Besonders ausgeprägt ist diese Haltung in Bayern: Dort stimmten 30,4 Prozent der Befragten ohne jede Einschränkung zu, gefolgt von 27,6 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und 24,5 Prozent in Hamburg. Aber solche Sätze sind von einer Unschärfe, die schon 2006 zu Kritik an der Studie geführt haben. Es kann auch ein besonders ausgeprägter Stolz auf die eigenen Heimat sein, der die Zustimmung zu solchen Sätzen fördert. Das würde erklären, warum es auch in Hamburg hohe Zustimmung gab.

Auch bei der Ausländerfeindlichkeit liegen Bayern und das ostdeutsche Land Sachsen-Anhalt gleichauf: Bayern mit 39,1 Prozent und Sachsen-Anhalt mit 39,3 Prozent - wer die Lebenswirklichkeit in den Ländern aber vergleicht, weiß, dass die einen solche Einstellungen vielleicht in ihrem Herzen tragen, die anderen aber auf der Zunge.

© SZ vom 27.11.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: