"Blackfacing" am Bolschoi-Ballett:Russisch Schwarz

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Misty Copeland, amerikanische Primaballerina und Instagram-Star. (Foto: Darren Thomas/dpa)

Das Moskauer Bolschoi-Ballett malt zwei Tänzerinnen schwarz an für eine Inszenierung von "La Bayadere". Die amerikanische Primaballerina Misty Copeland spricht von Diskriminierung.

Von DORION WEICKMANN

Nordamerikas Ballettdirektoren haben ihre Lektion gelernt. "Black is beautiful" gilt seit einiger Zeit auch für "Schwanensee", das Primat des Hellhäutigen ist passé. Dennoch produziert der Einsatz schwarzer Tänzer in der ersten Reihe immer noch Schlagzeilen. So hat etwa das New York City Ballet unlängst seinen "Nussknacker" mit einer dunkelhäutigen Marie modernisiert und viel Aufmerksamkeit dafür bekommen. Indes kriegt niemand so viel Reichweite wie Misty Copeland, afroamerikanische Primaballerina des American Ballet Theatre. Wenn Mistyonpointe Bilder und Kommentare auf Instagram postet, folgen ihr fast 1,8 Millionen Fans. Für ihre Gegner kann das verdammt unangenehm werden, wie das Moskauer Bolschoi erfahren musste.

Eine Nachwuchstänzerin der Elitekompanie hatte über die sozialen Medien ein Bild geteilt, in ausgesprochen unvorteilhafter Optik: Zu sehen waren zwei rußschwarz angemalte Mädchen in Mini-Tuniken, grotesk gestylt für eine Probe von "La Bayadère". Das 1877 uraufgeführte Werk erzählt das Liebesdrama einer indischen Tempeltänzerin und gehört weltweit zum Kernbestand des Repertoires. Traditionell werden weiße Teints dafür kastanienbraun ge-schminkt. Dieses Blackfacing geißelt Copeland schon lange als Provokation und Diskriminierung. Nun hat sie die Maskerade auch dem Bolschoi angekreidet.

Die Reaktion aus dem Bolschoi lassen ahnen, dass postkoloniale Debatten dort offenbar noch nicht angekommen sind. Man habe "La Bayadère" nie anders inszeniert, ließ Generaldirektor Wladimir Urin wissen, und werde das auch in Zukunft so halten. Wie lange eine solche Mumifizierung der Klassik noch Publikum anzieht, sei dahingestellt. Sicher ist, dass die Äußerungen des Bolschoi-Chefs genauso unqualifiziert ausfielen wie die seiner Gegenspielerin Misty Copeland, die den russischen Rassismus pauschal als "Realität der Ballettwelt" bezeichnete. Tatsache ist, dass über den Umgang mit dem Erbe bereits gestritten wird, nur eben nicht in Moskau.

Am allerschlimmsten agierte freilich einmal mehr der Teil der Netzmeute, der seinen Ressentiments gern die Zügel schießen lässt. "Du bist eine dumme untalentierte N. . . -Ballerina" geiferte ein Bärtiger aus dem Nirgendwo Richtung Copeland. Bloß gut, dass der Mann gerade mal 44 Follower hat. Obwohl das 44 zu viel sind.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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