Heimat von Metzgern, Falknern und Veganern:Münchens zweitältestes Haus zerfällt

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Seit Frühjahr 2020 steht das Zerwirkgewölbe leer. (Foto: Robert Haas)

Die Fundamente des 750 Jahre alten Zerwirkgewölbes zerbröseln. Die Immobilienverwaltung des Freistaats will nur das Nötigste in die Sanierung stecken, den Rest soll der neue Nutzer zahlen. Doch wer das nach drei Jahren Leerstand sein soll, ist offen.

Von Ulrike Steinbacher

Falkner und Theaterleute, Brauer, Metzger, Veganer - sie alle sind schon ein- und ausgegangen im Haus an der Ledererstraße 3 in der Altstadt, dem Zerwirkgewölbe. Seit drei Jahren aber steht dieser Gewerbebau aus dem Mittelalter leer, und wie es mit ihm weitergeht, ist offen. Der Freistaat, dem Münchens zweitältestes Haus gehört, weiß offenbar nicht so recht, was er damit anfangen soll. Gerade hat die Immobilien Freistaat Bayern (Imby), die die staatlichen Immobilien verwaltet, bei Staatskanzlei und Ministerien herumgefragt, ob jemand dafür Verwendung hat. Hinzu kommt: Das denkmalgeschützte Bauwerk an der Ecke Lederer- und Sparkassenstraße ist hochgradig sanierungsbedürftig.

Der Brief an Staatskanzlei und Ministerien, der der SZ vorliegt, attestiert dem gut 750 Jahre alten Haus einen "dem Alter entsprechenden baulichen Zustand". Errichtet wurde es unterhalb der ersten Münchner Stadtmauer, die dort verlief, wo heute die Burgstraße liegt. Und offenbar steht es auf äußerst wackeligem Boden. "Zwingend notwendig", schreibt die Imby, seien eine Gründungssanierung und ein Konzept zur Standsicherung der Wände. An den Fundamenten komme es zu Absenkungen, unterhalb der Bodenplatte seien sie nicht ausreichend tragfähig. Wegen der Setzungen hätten sich entlang der Fassade und an einem Fenstersturz Risse gebildet, die ein Tragwerksplaner überwache.

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"Gemäß der letzten Information hat die Rissbildung im Dezember stark zugenommen", heißt es in dem Schreiben. Daher soll das Haus als zusätzliche Notsicherung durch zwei Fenster im zweiten Stock und an der Südseite zusammengespannt werden. In Auftrag gegeben hat die Imby außerdem eine Unterfangung, also eine Sicherung unterhalb der Fundamente. Dafür wird Expansionsharz in den Boden injiziert, um ihn zu verdichten. Den Rest der Sanierung aber soll der nächste Nutzer übernehmen. "Weitere Maßnahmen haben durch die neue grundbesitzbewirtschaftende Dienststelle zu erfolgen", teilt die Imby den zwölf Ministerien und der Staatskanzlei mit.

Wer das sein wird, ist noch offen. Am 31. März ist die Frist für die ressortübergreifende Staatsbedarfsprüfung abgelaufen. "Einzelne Rückmeldungen" seien "positiv ausgefallen" und würden nun vertieft beurteilt, teilt die stellvertretende Imby-Geschäftsführerin Christine Hahn mit. Zu weiteren Fragen könne sie noch keine Angaben machen, ihre Behörde sei aber "zuversichtlich, dass das historisch bedeutende Gebäude in Zukunft einer nachhaltigen Nutzung zugeführt werden kann".

Davon hat das Zerwirkgewölbe, das innen im Wesentlichen aus zwei übereinander liegenden Hallen mit Kreuzgratgewölbe besteht, schon einige gesehen. Seinen Namen verdankt es den Wildmetzgern. Gemeint ist damit das Zerwirken, also Zerlegen von Wildbret, und die Jagd ist auch Thema der beiden Fresken an der südlichen und der östlichen Außenmauer. Als die Metzger einzogen, waren die Verwendung als herzogliches Falkenhaus (um 1600) und die Karriere als kurfürstliches Brauhaus (bis 1708) respektive Nebengebäude der Brauerei Hofbräu (bis 1808) schon Geschichte.

Zwei Hallen mit Kreuzgratgewölbe liegen in dem Gebäude übereinander, die untere 3,5 Meter hoch, die obere 4,5 Meter. Im Bild das italienische Restaurant Fedora, das bis 2019 im Parterre untergebracht war. (Foto: Stephan Rumpf)

Wildbret gab es auch nach dem Zweiten Weltkrieg in dem schmucklosen Gebäude wieder zu kaufen. Ende der Achtzigerjahre war damit Schluss, danach eröffnete das Gärtnerplatztheater eine Studiobühne, in den Nullerjahren folgte die Bayerische Theaterakademie. Kurz danach zogen Club- und Gastroszene ein, zuerst das Zerwirk samt veganem Restaurant, der Hip-Hop-Club Crux , der Neo-Bayer Spezlwirtschaft, der jetzt in Sendling zuhause ist, und der Italiener Fedora.

Ende 2019 wollte der Pächter Hofbräu aus dem Zerwirkgewölbe eine Art Mini-Ausgabe des Original-Hofbräuhauses am Platzl nebenan machen, also die drei Gaststätten zu einer zusammenfassen, und ließ deshalb die Mietverträge mit den bestehenden Wirten auslaufen. Zuvor sollte das Gebäude aber gründlich saniert werden, wofür die Kosten seinerzeit auf 7,5 Millionen Euro geschätzt wurden. Beides scheiterte in der Corona-Krise, die Nutzungsüberlassung zwischen Imby und Hofbräu wurde im Oktober 2020 einvernehmlich beendet.

Ein Umbau würde mindestens zehn Millionen Euro kosten

Wie die vier Geschosse mit einer Bruttogrundfläche von jeweils 305 Quadratmetern künftig verwendet werden könnten, falls kein Ministerium zugreift, hat die Imby vorab prüfen lassen. Eine Machbarkeitsstudie kommt zu dem Schluss, dass dort - eine grundlegende Sanierung vorausgesetzt - Büros ebenso möglich wären wie Wohnungen oder Gastronomie oder Nutzungen aus dem Kulturbereich.

30 Büro-Arbeitsplätze in den hohen Gewölbehallen im Erdgeschoss und im ersten Stock plus 18 weitere im zweiten wären laut Studie denkbar, dafür müsste der Denkmalschutz allerdings den Abbruch der historischen Binnenwände im zweiten Obergeschoss genehmigen. Auch "ein loftartiges Wohnkonzept" mit "äußerst großzügigem Wohnen" für eine "begrenzte Personenzahl" ließe sich realisieren. Im Erdgeschoss gäbe es aber kaum Privatsphäre.

Eine Tafel an der Mauer weist auf die Geschichte des Gebäudes hin. (Foto: Robert Haas)

Die Studie favorisiert stattdessen eine Mischnutzung, auch um das Denkmal Zerwirkgewölbe wieder öffentlich zugänglich zu machen. Sie schlägt für Erdgeschoss und erste Etage wegen der zentralen Lage entweder Gaststätten vor, auch wenn dafür die Anforderungen der Bauvorschriften und damit die Kosten besonders hoch wären, oder aber ein Infozentrum mit Kartenvorverkauf im Erdgeschoss und eine Kleinkunstbühne im ersten Stock. Im zweiten Stock könnten Büros entstehen, im Dachgeschoss Lagerflächen.

Am günstigsten käme laut grober Kostenschätzung der Umbau in ein Wohngebäude. Dafür nennt die Machbarkeitsstudie, die 2021 in Auftrag gegeben wurde, Zahlen, die schon mit dem Baukostenindex für die Jahre 2024 bis 2025 hochgerechnet sind. Demnach würde die Wohn-Version grob 7,6 Millionen Euro kosten, die Gaststätten-Variante wäre mit 13,6 Millionen Euro die teuerste, eine Mischnutzung, die auch von der Imby selbst empfohlen wird, käme auf 10,4 Millionen Euro.

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