Basketball:Tingeln zwischen den Welten

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Große Hoffnung: Die 17 Jahre alte Emily Bessoir (links) beeindruckte bei Jugendturnieren und Talentsichtungen die internationalen Scouts und Gegnerinnen. (Foto: Tim Cowie/Getty Images)

Gerade war Emily Bessoir im NBA-Talentcamp. Nun bangt sie mit der TS Jahn München um die Zweitliga-Playoffs.

Von Andreas Liebmann, München

Senegal und Australien haben etwas gemeinsam, worauf man erst mal kommen muss: Sie haben vier Mal so viele international beachtete Basketballtalente wie Deutschland - zumindest wenn es nach der Teilnehmerliste des Nachwuchscamps "Basketball without Borders" geht. Zu dem lädt die amerikanische Profiliga NBA jedes Jahr die weltweit vielversprechendsten Teenager ein, diesmal laut Pressemitteilung "die 63 besten Jungen und Mädchen im Highschool-Alter aus 31 Ländern". Japan, Argentinien, Frankreich, Puerto Rico, Brasilien, China, Japan und Nigeria brachten immerhin je dreimal so viele Teilnehmer wie Deutschland in diesen erlauchten Kreis, der Mitte Februar in Charlotte, North Carolina, zusammenkam - was in Summe aber auch nur jeweils drei ergab. Denn Deutschland wurde nur von einer Spielerin vertreten: Emily Bessoir.

Zugegeben, diese Länderstatistik ist nicht ganz sauber, weil aus Deutschland noch zwei Jungs nominiert waren, an dem Trainingscamp mit Coaches aus der NBA teilzunehmen, Franz Wagner (Alba Berlin) und Kay Bruhnke (Baunach/Breitengüßbach). Der eine war wegen eines Spiels unabkömmlich, der andere verletzt. So wurde es also wieder eine One-Woman-Show. Die 17-jährige Münchnerin Emily Bessoir war vor einem Jahr schon einmal dabei, damals in Los Angeles, als einzige Deutsche. Als erste Deutsche überhaupt, seit dieses Global Camp 2015 Premiere hatte. Sie stand damals Gary Payton gegenüber, einem der besten Spielmacher der neunziger Jahre, hörte dem legendären Center Dikembe Mutombo zu, sie war in den Trainingseinheiten so nervös, dass sie zu Beginn kaum den Ball führen konnte, erlebte alles mit, was es rund um das parallel stattfindende All-Star-Wochenende der NBA zu sehen gab. Und sie war "megastolz".

Daran hat sich 2019 nichts geändert. Gar so aufgeregt war sie in Charlotte, wo diesmal das All-Star-Wochenende stattfand, aber nicht mehr. "Ganz cool" sei es gewesen, erzählt sie, viele neue Leute, viele neue Coaches. Nikola Jokic von den Denver Nuggets war dabei, Nikola Vucevic von Orlando Magic, oder, wie vor einem Jahr, Jennifer Azzi, ein Hall-of-Fame-Mitglied des US-Frauenbasketballs. "Ich wusste schon, was ungefähr auf mich zukommt, deshalb war es diesmal entspannter", erzählt Bessoir. An verschiedenen Stationen hätten die Coaches an den drei Trainingstagen jeweils sehr auf Details geachtet, die sie nun bald umsetzen will.

Für Emily Bessoir war das mal wieder ein Tingeln zwischen den Welten. Am Dienstag vor elf Tagen ist sie nach einer Woche aus North Carolina zurückgekehrt, am Mittwochmorgen schulterte sie ihre Schultasche. Deutsch, Wirtschaft, Geschichte, Sport - neun Schulstunden standen für die Gymnasiastin an. Sie geht in die elfte Klasse. Einiges an Stoff habe sie nachzuholen, aber die Prüfungszeit sei zum Glück schon vorbei gewesen, anders als vor einem Jahr, als sie direkt aus der NBA-Glitzerwelt in ein paar Schulaufgaben stolperte. Und am Abend ging es dann wieder ins Vereinstraining, zurück in ihre Rolle als Hoffnungsträgerin eines Münchner Zweitligateams.

Man kann die Liste der Campteilnehmer ja auch völlig anders interpretieren: Die TS Jahn München, für die Bessoir spielt, hatte genauso viele Talente von internationalem Rang in dieses Camp gebracht wie ganz Russland, die Türkei, Mosambik oder Uruguay. Eine eben. Und diese eine hatte ihrer Mannschaft zuletzt gewaltig gefehlt. Im Endspurt um einen der vier Playoff-Plätze in der zweiten Liga Süd, den das Team längst gesichert zu haben schien, war es deshalb zuletzt noch einmal eng geworden. Erst hatte Bessoir wegen einer inzwischen ausgestandenen Entzündung im Fuß gefehlt, weshalb das Jahn-Team exakt zu fünft, also ohne Auswechselspielerin, beim Tabellenführer Heidelberg antrat; und dann, während sie in Charlotte Teil des NBA-Wochenendes war, unterlag ihr Team dem Tabellenvorletzten Ludwigsburg zu Hause. "Es ist schwierig, wir haben einen kleinen Kader und viele Verletzungen", erzählt Bessoir. Bei dem verkorksten Münchner Auftritt hatte sie nicht nur mit ihrer Länge von 1,92 Meter unter den Körben gefehlt, sondern auch mit ihrer Einstellung. Zumindest blickte sie nach ihrer Rückkehr gleich mal auf das bevorstehende Auswärtsspiel beim Zweiten Bamberg, mit den mutigen Worten: "Es wird nicht einfach, aber ich glaube, dass wir da gewinnen können."

Emily Bessoir behielt Recht. Ihr Team hätte am vergangenen Sonntag wirklich gewinnen können. Vor dem Schlussviertel führte es, doch am Ende stand eine 59:61-Niederlage. Bessoir erzielte 14 Punkte und holte elf Rebounds. Ein Spiel haben die Münchnerinnen, die auf Rang vier abgerutscht sind, nun noch vor sich, an diesem Sonntag daheim gegen den Dritten Speyer-Schifferstadt. Sie sollten gewinnen, denn Verfolger Würzburg hat noch theoretische Chancen, die Jahn-Frauen vom vierten Playoff-Platz zu verdrängen.

Etwas Kurioses gab es noch an Bessoirs zweiter Einladung. Ihr Vater Bill kommt aus den USA. Vor einem Jahr trafen sie während des Camps in Los Angeles seinen Bruder, Emilys Onkel Bob, der dort als Beleuchter für Hollywood-Filme arbeitet. Dieses Jahr machte ihr Vater die Reise erneut mit - denn in Charlotte lebt seine Schwester. Sollte Emily Bessoir dem Jahn treu bleiben, muss ihr Team nächstes Jahr nicht befürchten, dass das Toptalent erneut eine Woche zu "Basketball without Borders" entschwindet. Denn erstens ist sie zu alt für eine dritte Teilnahme. Und zweitens gäbe es gar keinen passenden Veranstaltungsort - Bill Bessoir hat nur zwei Geschwister.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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