DIETER LEDER

Davon ist Gemeindereferentin Andrea Stöckler überzeugt: „Gott hat Humor!“ sagt sie und fängt herzlichst an zu lachen. „So was habe ich noch nie erlebt...“ - vor lauter Lachen kann Andrea Stöckler ihren Satz gar nicht beenden und fährt fort: „Ich dachte zuerst, das ist ein verspäteter Aprilscherz.“ Doch spätestens seit dem Weißen Sonntag weiß sie genau, dass Gott wirklich Humor hat.

Die Sonne scheint, Überlingen ist erfüllt von warmer Frühlingsluft. Es ist der 3. April, Weißer Sonntag. Nach dem Gruppenfoto in der Franziskanerkirche stellen sich die Kommunionskinder in der Kirche auf für den feierlichen Ausmarsch. Draußen wartet schon die Stadtkapelle, um die Prozession zum Hochamt in das Münster zu geleiten.

Im Kommunionsunterricht hat Andrea Stöckler alles mehrfach mit den Kindern geprobt, auch die Aufstellung für die Prozession ins Münster. Sie erteilt letzte Anweisungen, zusammen mit Pfarrer Karl-Heinz Berger bringt sie Ruhe und Ordnung in die aufgeregten Kinderschar. Pfarrer Berger hält noch eine Ansprache an die Kinder, betet für sie und segnet sie. Alles ist fertig, der geordnete Ausmarsch aus der Franziskanerkirche kann losgehen.

Doch dann kommt es zu einem ungewöhnlichen Zwischenfall. Im vorderen Teil der Prozession stimmt die Aufstellung nicht mehr. Anstatt in Zweierreihen stehen bei den Jungs in einer Reihe plötzlich drei Kinder. „Ich dachte zuerst, da fehlt einer“, sagt Andrea Stöckler später. Aber eigentlich waren beim Foto kurz davor ja noch alle Kinder anwesend. Sie geht nach vorne, kontrolliert nochmals, dass jeder seinen für die Prozession zugeteilten Partner hat. Alles stimmt. Dann entdeckt sie unter den Jungs ein unbekanntes Gesicht: „Ja, wer bist Du denn?“ fragte sie völlig konsterniert den ihr gänzlich unbekannten, im schwarzen Anzug gekleideten und mit Kommunionskerze ausgestatteten Knaben. Der antwortet ganz ruhig und selbstsicher: „Maurice!“ „Und was willst Du hier?“ „Die Kommunion!“

Andrea Stöckler bringt so schnell nichts aus der Fassung, da aber verschlägt es ihr die Sprache. Da steht plötzlich in der Prozessionsaufstellung ein ihr unbekannter Junge, der nie zum Kommunionsunterricht erschienen ist. Pfarrer Berger kommt hinzu, sie erklärt ihm die Situation. „Als das Kerlchen so geschniegelt vor mir stand, völlig unvorbereitet, noch nie gesehen, da war sofort klar: Das Kind darf man nicht wegschicken“, erklärt Pfarrer Berger im Nachhinein seine Entscheidung. Er blickt kurz nach oben für die göttliche Bestätigung und verkündet: „Maurice darf mit zur Kommunion.“ Und so marschieren letztlich 45 Kinder ins Münster, während nur 44 Kinder im vorbereitenden Unterricht anwesen waren.

„Oh je“, dachte Andrea Stöckler. „Wie der das wohl alles schafft, so ganz ohne Probe?“ Aber ihre Sorge ist völlig unbegründet. Leon, ein Klassenkamerad von Maurice, gibt ihm während der Kommunion heimlich Zeichen und Anweisungen und dank der guten Auffassungsgabe und Selbständigkeit von Maurice klappt alles. Er fällt unter den anderen Kindern bei der feierlichen Kommunion nicht weiter auf. Und so schnell, wie Maurice gekommen war, verschwindet er auch nach der Kommunion wieder.

Vier Tage später ist Maurice wieder da, er kommt mit seinen Eltern Stephanie und Dennis sowie seiner kleinen Schwester Sky ins Pfarrbüro. Nicht dabei ist sein elfjähriger Bruder Noah. „Der ist der eigentliche Familienmanager“ erklärt Stephanie. Sie und ihr Mann sind selbstständig und haben wenig Zeit. „Wir sind ein durchorganisiertes Familienchaos“, sagt sie. „Wir regen uns zuerst auf, dann lachen wir.“

Im Januar ist die Familie nach Überlingen gezogen, da lief eigentlich schon der Kommunionsunterricht. Aber irgendwie kam Maurice nicht dazu. Sein Bruder Noah jedenfalls schickte am Samstagnachmittag um kurz vor 15 Uhr seinem Vater eine WhatsApp-Nachricht, dass am nächsten Tag Kommunion sei. „Wir konnten es zunächst nicht glauben“ sagt Dennis, „dann haben wir die Bestätigung im Internet gefunden.“

Lachend gesteht Stephanie: „Wir sind sofort nach Friedrichshafen gefahren und haben Maurice für die Kommunion 20 Minuten vor Ladenschluss neu eingekleidet. Nur das Gotteslob und seinen Rosenkranz haben wir nicht gefunden. Noch sind nicht alle Umzugskisten ausgepackt.“ Auch Freunde hätten sie noch in der Nacht angerufen und zur Kommunion eingeladen, „aber so kurzfristig hatten die keine Zeit.“

Das Chaos geht am nächsten Tag, dem Weißen Sonntag, weiter. Maurice und seine Eltern gehen ins Münster, aber da ist niemand. Passanten schicken sie zur Franziskanerkirche, „nur die kannten wir nicht.“ Doch endlich finden sie die richtige Kirche und die anderen Kommunionskinder doch noch und Maurice reiht sich im letzten Moment einfach in die Aufstellung ein.

„Da Gott offensichtlich so viel Humor hat, uns den Jungen unvorbereitet zuzuschicken, geht es absolut nicht, mit irgendwelchen Ordnungen zu reagieren“, sagt Pfarrer Berger. „Wir sind eine spontane Kirche und sehr flexibel“, sagt auch Andrea Stöckler und erklärt die weitere Vorgehensweise: „Wir werden das Pferd jetzt eben von hinten aufzäumen.“ Nach der Kommunion holt Maurice in Einzelstunden den Kommunionsunterricht nach. Nach so viel Aufregung bei der Kommunion soll das nächste Kirchenfest für Stephanie und Dennis etwas geordneter ablaufen. Da die beiden nunmehr schon im Pfarramt waren, haben sie umgehend ihre kleine Tochter Sky zur Taufe angemeldet.

 

Kommunion

Bei der Erstkommunionsfeier empfangen die Kinder zum ersten Mal Jesus Christus im Zeichen von Brot und Wein. Die wichtigsten Voraussetzungen für den Empfang der heiligen Kommunion sind die Taufe, der Glauben sowie der vorherige Empfang des Bußsakraments.

Für die Kommunion werden die Kinder langfristig in der Erstkommunionsvorbereitung in dieses wichtige Kirchenfest eingewiesen. Bei zahlreichen Treffen, in Gottesdiensten sowie in vielen Gruppenstunden lernen und erfahren die Kinder in der Seelsorgeeinheit Überlingen, wie Jesus sich den Menschen zugewandt hat. Sie lernen ihn kennen und dürfen Freunde von ihm werden.

Den Abschluss bildet die Kommunionsfeier, die bevorzugt am Weißen Sonntag, dem ersten Sonntag nach Ostern, stattfindet. (dle)