„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist seit Jahren ein Kultfilm im TV-Weihnachtsprogramm. An der Stelle, an der früher das Ford-Autohaus Andelfinger stand, gab es einige Jahre nach dem Abriss eine Brache. Jetzt soll dort zwischen Volksbank und Hotel „Adler“ ein Pflegeheim gebaut werden. Was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben? Der Märchenfilm wurde 1973 noch zu DDR-Zeiten auf Schloss Moritzburg bei Dresden gedreht. Und dort erlebte Karl-Josef Andelfinger, Inhaber der Ford-Werkstatt in Pfullendorf ein Abenteuer, das eigentlich auch filmreif wäre. Es geht um Schätze, um die Rote Armee, einen Lastwagen mit Holzvergaser und die Krone Heinrichs IX. von Frankreich. Auch eine bildhübsche Prinzessin darf nicht fehlen.

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Krone war zunächst in Sigmaringen versteckt

Ludwig IX. von Frankreich, genannt „der Heilige“.
Ludwig IX. von Frankreich, genannt „der Heilige“. | Bild: Kreisarchiv

Wir schreiben das Jahr 1945. Der Krieg ist für Deutschland verloren. Dresden ist ein Trümmerhaufen. Und doch steuert ein Lastwagen in Richtung des Wasserschlosses Moritzburg. Prinz Ernst Heinrich von Sachsen, zwei seiner Söhne und die beiden Pfullendorfer Anton Stadler und Karl-Josef-Andelfinger sind unterwegs in geheimer Mission. Sie wollen die Krone des französischen Königs Ludwig IX. (1214 bis 1270) in Sicherheit bringen. Ludwig wurde 1297 heiliggesprochen. Seine Krone hat für die Franzosen eine ganz besondere Bedeutung. Man hatte sie bereits 1944 im Schloss in Sigmaringen versteckt, um sie vor der deutschen Besatzung in Frankreich zu retten. Als das Schloss von den Nazis beschlagnahmt wurde, schmuggelte der Prinz die wertvolle Insignie in die Moritzburg bei Dresden. Doch schon bald rückte die Rote Armee an. Also musste die Krone wieder abgeholt werden. Doch wie sollte das machbar sein in einem vom Krieg zerrissenen Land? Es brauchte dazu Mut, eine gewisse Risikobereitschaft und einen Lastwagen. Beides gab es in Pfullendorf.

Schätze werden im Park des Barockschlosses Moritzburg vergraben

Im Wasserschloss Moritzburg nahm Karl-Josef Andelfinger die wertvolle Krone in Empfang.
Im Wasserschloss Moritzburg nahm Karl-Josef Andelfinger die wertvolle Krone in Empfang. | Bild: Sylvio Dittrich/Schlösserland Sachsen

Prinz Heinrich war der dritte Spross des letzten sächsischen Königs Friedrich August III. und lebte mit seiner Familie im Barockschloss Moritzburg. Dort erlebte man die Bombardierung Dresdens am 13./14. Februar 1945 und war dann im März 1945 vor der anrückenden Roten Armee in Richtung Sigmaringen geflüchtet. Zuvor vergrub man jedoch in Kisten verpackte Wertgegenstände im Schlosspark. Vieles davon wurde von den russischen Besatzern gefunden und abtransportiert, einige Kunstgegenstände wurden erst 1995 entdeckt und ausgegraben. Die Königskrone war da jedoch längst in Sicherheit.

Total erschöpft in Krauchenwies angekommen

Nachts kam die wertvolle Fracht in Krauchenwies an.
Nachts kam die wertvolle Fracht in Krauchenwies an. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Prinz Heinrich hatte seinen Freund Andelfinger um Hilfe gebeten. Und der hatte sich nicht versagt. Es war eine mehrtägige, abenteuerliche Fahrt von Sigmaringen nach Dresden und dann wieder zurück. Der Ford soll total verdreckt und verbeult im Schlosspark in Krauchenwies angekommen sein. Die Adeligen und ihre Begleiter aus Pfullendorf waren total erschöpft. Aber die Krone war gerettet. Fürst Friedrich und Fürstin Margarethe von Sigmaringen nahmen den goldenen und mit Edelsteinen besetzten Stirnreif in Empfang.

„Hoheit, heb‘ de Sack auf!“

Wolfgang Hügle, Neffe von Karl-Josef Andelfinger, war damals fünf Jahre alt und hat noch zwei Aspekte besonders in Erinnerung. „Zum einen die Schilderung meines Onkels vom zerstörten Dresden und zum andern bei den besonderen Reiseumständen, die später oft zitierte Aufforderung des Fahrers Anton Stadler an einen der mitfahrenden Prinzen: „Hoheit, heb‘ de Sack auf!“, erzählt er. Das hatte mit dem Holzvergaser zu tun. Die Firma Andelfinger war an diesem kriegstechnischen Versuchsprogramm beteiligt. Das Fahrzeug musste also zum Betrieb laufend mit „Tankholz“ beheizt und gewartet werden. Der Nachschub bei größeren Fahrten wurde mit Tankholz-Säcken auf der Ladepritsche gesichert.

Holz musste unterwegs geklaut werden

Walter Rusch, Sohn von Karl-Josef Andelfinger: „Die Retter mussten immer nachts fahren, damit sie nicht entdeckt wurden.“
Walter Rusch, Sohn von Karl-Josef Andelfinger: „Die Retter mussten immer nachts fahren, damit sie nicht entdeckt wurden.“ | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Den heute 76 Jahre alten Walter Rusch kann man in der Altstadt immer wieder mal treffen. Die Geschichte über die Rettung der Königskrone hat ihn schon als Kind fasziniert. Vielleicht auch deshalb, weil er ein uneheliches Kind von Karl-Josef Andelfinger ist. „Die Retter der Krone mussten immer nachts fahren, damit sie nicht entdeckt wurden“, sagt er. Schließlich waren tagsüber noch immer Jagdbombergeschwader der Alliierten unterwegs, die Bahnlinien und Straßen absuchten. Vielleicht war es in der Dunkelheit auch einfacher, an Holz für den Betrieb des Holzvergasers des Lastwagens zu kommen. „Es musste halt geklaut werden“, schmunzelt Rusch. Probleme bereitete den Männern im Lastwagen aber weniger das Holz für den Antrieb, sondern ein Motorschaden noch in Sachsen. Stadler und Andelfinger konnten den aber selbst beheben.

Prinzessin oder Dinge von Wert mitnehmen?

Mit im Fahrzeug saß auch die bildhübsche Prinzessin Iniga von Thurn und Taxis. Eine Anekdote erzählt davon, dass der Platz im Lastwagen knapp war. Der Prinz von Sachsen und seine Helfer hätten die Wahl gehabt, entweder noch mehr Schmuck und andere wertvolle Dinge mitzunehmen oder die Prinzessin. Die Männer hätten sich dann für Iniga entschieden. Wolfgang Hügle hat noch nie davon gehört. Er fügt aber hinzu: „Das würde zu meinem Onkel passen, aber bestätigen kann ich das nicht.“ Treuhänder der Krone blieb Heinrich von Sachsen. Als er nach Irland emigrierte, reiste er über Paris und übergab das wertvolle Stück an den französischen Staat. Sie wird im Louvre aufbewahrt und jedes Jahr am 25. August, dem Gedenktag des Heiligen Ludwig, öffentlich ausgestellt.

Erinnerungen von Wolfgang Hügle

Wolfgang Hügle, Neffe von Karl-Josef Andelfinger, erinnert sich.
Wolfgang Hügle, Neffe von Karl-Josef Andelfinger, erinnert sich. | Bild: privat

„Charme und Geschäftssinn „

Wolfgang Hügle ist 81 Jahre alt, Leitender Regierungsschuldirektor i.R. und kam 1991 als „Aufbauhelfer“ des Oberschulamts Tübingen nach Leipzig, um dort im Rahmen der Transformation des DDR-Schulsystems die Abteilung Gymnasien und die reformierten Gymnasien in der Stadt und im Regierungsbezirk Leipzig mit aufzubauen. Er wohnt seit 1995 in Naunhof im Landkreis Leipzig. Karl-Josef Andelfinger war sein Onkel.

Herrr Hügle, wie kam es dazu, dass Ihr Onkel zum Retter der Königskrone wurde?

Es waren sicher die besonderen persönlichen Beziehungen zum Fürstenhaus Sigmaringen, aber auch die Einsicht, was angesichts der Kriegslage auf dem Spiel stand. Dass Karl Andelfinger Initiative zeigte, wenn Not am Mann war, hat er ja auch unmittelbar danach am 22. April 45 bei der Übergabe der Stadt gezeigt.

Warum hatte Karl-Josef Andelfinger so gute Kontakte zum Fürstenhaus?

Mein Onkel hatte die Gabe, Charme mit Geschäftssinn zu verbinden. Er war ein liberaler Mensch und ein sehr erfolgreiche Verkäufer. Mit seinem Autoservice konnte er den „Sigmaringern“ in schwierigen Zeiten die Mobilität vermitteln, die gewünscht war. Mit meinem Onkel durfte ich öfters nach Krauchenwies mitfahren, wo die „Sigmaringer“ nach der Beschlagnahme des Schlosses residierten. Dem Ansinnen von Prinz Heinrich von Sachsen, die Fahrt nach Dresden zu unternehmen entsprach Karl sicher auch auf Bitten der Fürstin Margarethe v. Hohenzollern–Sigmaringen, der Schwester des sächsischen Prinzen. Karl hatte bei ihr so ein „Stein im Brett“.

Ihr Onkel war Inhaber des größten Ford-Autohauses in Süddeutschland. Wie kam es dazu?

Meine Großeltern hatten in der Heiligenberger Straße ein Kolonialwarengeschäft ergänzt mit allerlei technischem Gerät und früh auch schon eine Zapfsäule für Benzin. Karl war technisch sehr interessiert und die Familie wagte dann den Einstieg in das Autogeschäft mit der Übernahme der Ford-Vertretung und dem Neubau der Werkstatt noch vor der Weltwirtschaftskrise. Karls Stützen in der. J. Andelfinger KG waren dann meine Eltern in Werkstatt und Büro.

Hat man Ihrem Onkel eigentlich die Rettungsaktion gedankt?

Nicht dass ich wüsste.