Am Morgen nach dem großen Polizeieinsatz ist im Wohngebiet Sommerberg in Unterkirnach wieder etwas Ruhe eingekehrt. Der 62-Jährige Ex-Soldat, der am Dienstag, 23. Januar, wegen einer Zwangsräumung gedroht hatte, sein Haus niederzubrennen, war zunächst in ärztlicher Obhut in einem Krankenhaus. Am Mittwochnachmittag wurde ein Haftbefehl erlassen und in Vollzug gesetzt, teilten die Ermittler am Mittwoch um 16.43 Uhr mit.

Seine Nachbarn, die vorsorglich evakuiert worden waren, konnten nach bangen Stunden bereits am Dienstagabend gegen 21.30 Uhr in ihre Häuser zurückkehren.

Ermittlungen laufen auf Hochtouren

„Die Ermittlungen laufen heute Vormittag erst richtig an“, berichtete Polizei-Pressesprecherin Nicole Minge am Morgen. Die Beamten rechneten im Lauf des Tages mit neuen Erkenntnissen, auch darüber, inwieweit der Mann tatsächlich bewaffnet war.

Das Haus des 62-Jährigen im Panoramaweg, in dem dieser sich über Stunden hinweg verbarrikadiert hatte, war auch am Mittwochmorgen, 24. Januar, noch immer abgesperrt.

Die Polizei hatte den Mann im Laufe des Dienstags zwar überredet, eine Box mit Sprengstoff vor seine Haustür zu stellen, sodass diese von einem Roboter abgeholt werden konnte. Zunächst war hier aber auch am Mittwochmorgen nicht klar, ob sich noch weiterer Sprengstoff oder ähnliche Gefahrenquellen in dem Gebäude befinden.

Was hat den Mann zur Aufgabe bewegt?

Über einen Zeitraum von zwölf Stunden hinweg hat die Polizei mit dem 62-Jährigen verhandelt, bevor dieser am Ende aufgab und sich festnehmen ließ.

Was bei solchen Verhandlungen genau gesagt werde, wie die Polizei dabei vorgegangen sei, machte Polizeisprecher Marcel Ferraro auf Nachfrage zwar nicht öffentlich.

Dennoch erklärt er allgemein, dass die speziell geschulten Beamten in einer solchen Situation eine Bindung zu den Personen aufbauen müssten.

So werde zwar über die persönliche Situation und mögliche Auswege gesprochen. Doch bei mehrstündigen Gesprächen gehe aus auch mal um banale Dinge wie Fußball, erklärte Ferraro.

Ziel ist das freiwillige Aufgeben

Demnach hatte es offenbar keine Verhandlung im eigentlichen Sinne mit dem Mann gegeben, war den Angaben des Polizeisprechers zu entnehmen. „Im Grunde werden nicht immer Forderungen gestellt.“ Vielmehr gehe es der Polizei in diesen Gesprächen darum, die Personen zu einer freiwilligen Aufgabe zu überreden.

Benzindämpfe lösen heftige Beschwerden aus

Nach Informationen unserer Zeitung ist es dem Mann kurz vor seiner Aufgabe körperlich sehr schlecht gegangen. Benzindämpfe im Haus hätten bei ihm Bauchschmerzen und Übelkeit verursacht.

Die Polizei verwies allerdings nur allgemein auf eine ärztliche Versorgung des Ex-Soldaten. Der Mann hatte laut Staatsanwaltschaft und Polizei selbst angegeben, dass er im Haus Benzin ausgeschüttet habe.

So erhöhte die Polizei den Druck auf den Ex-Soldaten

Die Polizei hatte nach SÜDKURIER-Informationen am Abend den Druck auf den Mann erhöht. So seien den Angaben zufolge immer wieder Fahrzeuge mit Martinshorn an dem Haus vorbeigefahren, um die Aufmerksamkeit des Verdächtigen aufrecht zu erhalten.

Zusätzlich sollen die Einsatzkräfte immer wieder Scheinwerfer ein- und ausgeschaltet haben. Da sich die Straßenlaternen nicht für einzelne Straßen ausschalten ließen, soll das Licht vor dem Haus durch einen gezielten Schuss auf die Laterne reduziert worden sein.

Sprecher Marcel Ferraro vom Polizeipräsidium Konstanz bestätigte dies nicht, dennoch sagte er: „Licht ein wichtiges einsatztaktisches Mittel, wenn wir nichts sehen, können wir nur schwer arbeiten.“

Sprengstofferlaubnis sorgte für Verunsicherung

Die genaue Bedrohungslage werde im Nachhinein noch geprüft, wie Polizeisprecher Ferraro erklärt. Dennoch sei zu beachten, dass Sportschützen – wie der 62-Jährige – in den meisten Fällen über eine Sprengstofferlaubnis verfügten. Diese sei notwendig für das Wiederbefüllen der Munition.

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Nach und nach kehrt Ruhe ein

Nachdem der Mann sich nach fast zwölf Stunden um kurz nach 20 Uhr ergeben hatte und sich widerstandslos festnehmen ließ, rückten nach Angaben von Polizeisprecherin Nicole Minge am späten Dienstagabend nach und nach auch die zahlreichen Polizeikräfte wieder ab.

Nach dem Großeinsatz, an dem auch vermummte und schwer bewaffnete Spezialeinheiten teilgenommen hatten, erlebten die Menschen im Panoramaweg und in den umliegenden Straßen eine ruhige Nacht – soweit dies nach den Aufregungen des Tages überhaupt möglich war.

Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungsverfahren ein

Wie die Staatsanwaltschaft Konstanz am Mittwoch auf dpa-Anfrage mitteilte, wird dem Mann Bedrohung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall und die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten vorgeworfen.

Wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilte, wurde in dem Haus des Mannes eine gewisse Menge Sprengstoff gefunden. Details dazu blieben zunächst offen. Auf den Mann waren bisherigen Erkenntnissen der Polizei zufolge mehrere Lang- und Kurzwaffen angemeldet, außerdem war er im Besitz einer Sprengstofferlaubnis und Mitglied im Schützenverein.

Offenbar mussten die Nachbarn frieren

Die Ausnahmesituation hatte nicht nur die direkten Nachbarn, sondern auch Anwohner der angrenzenden Straßen in Aufruhr versetzt. So mancher musste wohl auch frieren: Offenbar war aus Sicherheitsgründen das Gas in dem Wohngebiet abgestellt worden.

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Feuerwehr steht beratend zur Seite

Auch für die Mitglieder der Unterkirnacher Feuerwehr war der Dienstag kein Tag wie jeder andere. Gegen 9 Uhr sei man alarmiert und für den sogenannten Bereitstellungsraum angefordert worden, sagt Kommandant Tobias Weißer. Wenig später war eine Löschgruppe mit einem Löschfahrzeug vor Ort.

Der Unterkirnacher Kommandant Tobias Weißer – hier bei einer Probe 2023 – war mit seiner Mannschaft ebenfalls vor Ort.
Der Unterkirnacher Kommandant Tobias Weißer – hier bei einer Probe 2023 – war mit seiner Mannschaft ebenfalls vor Ort. | Bild: Cornelia Putschbach

Das bedeutet: Die Feuerwehrleute stehen parat, falls sie benötigt werden – immerhin hatte der 62-Jährige damit gedroht, das Haus anzuzünden. „So lange es keine Feuerwehr-Lage ist, sind wir auch komplett der Polizei unterstellt und folgen nur ihren Anweisungen.“

Unterstützung für die Gemeinde

Letztlich endete der Einsatz glimpflich. „Ich war vor allem beratend bei der Einsatzleitung tätig und wir haben im Hintergrund die Gemeinde unterstützt und beispielsweise Verpflegung organisiert“, schildert Weißer, seit zwei Jahren Kommandant der Abteilung Unterkirnach.

Einsatz dauert mehr als zwölf Stunden

Auf einen längeren Einsatz habe man sich schon eingestellt, wenngleich bei einer so dynamischen Lage nicht klar war, wie lange er tatsächlich dauern würde. Letztlich waren es mehr als zwölf Stunden: Nachdem der im Haus verbarrikadierte Mann gegen 20.30 Uhr aufgegeben hatte und festgenommen wurde, war die Feuerwehr gegen 23 Uhr wieder im Gerätehaus.

Am Mittwochmorgen waren zwölf Mann mit zwei Fahrzeugen ebenfalls wieder vor Ort, um den Brandschutz für die laufenden Ermittlungen sicherzustellen. Der Mann hatte offenbar Benzin im Haus verschüttet.

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