Gespräch

Ausstellung „Aufleben“ – 75 Jahre jüdisches Leben in Frankfurt nach dem Holocaust

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AUTOR/IN
Martin Gramlich

Die jüdische Gemeinde in Frankfurt zählt zu den bedeutendsten in Deutschland und birgt eine Geschichte, die sich über 900 Jahre erstreckt. In den dunklen Zeiten des Holocaust wurden 30 000 Jüdinnen und Juden aus Frankfurt ermordet. Lediglich 200 Menschen überlebten – eine Zäsur von beispielloser Tragik. Doch bereits kurz nach dem Kriegsende begann sich erneut eine jüdische Gemeinde in der Stadt zu formieren.

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Titel nimmt Bezug auf den hebräischen Trinkspruch „Lachaim“

Die am 19. Dezember eröffnete Ausstellung „Aufleben“ im Ignatz Bubis Gemeindezentrum beleuchtet die 75-jährige Geschichte seit der Wiederbegründung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Kulturdezernent Marc Grünbaum erläutert im SWR2 Gespräch, dass der Titel nicht nur auf den hebräischen Trinkspruch „Lachaim“ (auf das Leben) Bezug nimmt, sondern auch das Wortspiel „Aufleben“ einschließt. Es reflektiert das wiederaufgelebte jüdische Leben in Frankfurt und symbolisiert das Leben des jüdischen Volkes.

Verbundenheit mit der Stadt trotz Nazivergangenheit einzelner Behördenmitglieder

Die Ausstellung stellt eine Herausforderung dar: Sie erzählt von schwierigen Anfängen, gezeichnet von menschlichen Schicksalen und Verlusten. Dennoch betont Grünbaum die Offenheit und Verbundenheit der Stadt Frankfurt mit dem jüdischen Leben, trotz des Bewusstseins über die Nazivergangenheit einzelner Behördenmitglieder.

Grünbaum wünscht sich, „dass die Ausstellung nicht nur die eigene Geschichte nach innen hin vermittelt, sondern auch nach außen wirkt, sodass die Menschen in der Stadtgesellschaft die jüdische Gemeinde besser verstehen und erfassen können.“

Verspätete Aufarbeitung 60 Jahre Auschwitz-Prozesse: Als die deutschen Verbrechen vor Gericht kamen

Der Auschwitz-Prozess habe dazu beigetragen, dass „die Westdeutschen auf die Verbrechen in Auschwitz aufmerksam“ wurden, sagt die Historikerin Annette Weinke im Gespräch mit SWR2.

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20.12.1963 Der Frankfurter Auschwitz-Prozess beginnt

Am 20. Dezember 1963 beginnt der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess. Initiiert wurden die Prozesse vom Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Sein Ziel war es, die Verantwortlichen im Vernichtungslager Auschwitz zur Rechenschaft zu ziehen.
Der Prozess hatte auch eine starke politische Bedeutung: 1961 fand in Jerusalem der Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann statt, im Frühjahr 1963 hatte die DDR Bundeskanzleramtschef Hans Globke wegen seiner Nazivergangenheit verurteilt. Die Bundesrepublik war in der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen somit ein Nachzügler.
Gleichzeitig stand die Öffentlichkeit den Prozessen gespalten gegenüber. Es gab ein großes Bedürfnis, nicht an die die NS-Zeit erinnert zu werden. Ein öffentlicher Prozess, der die Vergangenheit wieder aufwühlen würde, würde dem Ansehen Deutschlands schaden, so eine weit verbreitete Meinung.
Diesen Zwiespalt spiegelt der Kommentar von Werner Ernenputsch im zweiten Teil dieser Aufnahme. Zunächst zu hören ist aber die Live-Reportage vom Hessischen Rundfunk von der Prozesseröffnung im Frankfurter Römer.
Im Sitzungssaal des Frankfurter Stadtparlaments beginnt der Prozess gegen 22 Angeklagte. Vor Saalgeräuschen im Hintergrund eröffnet Richter Hans Hofmeyer den Prozess. Es werden Angaben zur Person der Angeklagten und der Geschworenen gemacht und Einzelheiten des Gerichtssaals beschrieben.
Von den Verhandlungstagen ab 1964 existieren zahlreiche Aufnahmen – einzelne davon im Archivradio, die meisten aber auf den Seiten des Fritz-Bauer-Instituts.

Meilenstein in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen Unbedingte Empfehlung: Serie „Deutsches Haus“ auf Disney+ über den Auschwitz-Prozess

Vor 60 Jahren begann in Frankfurt der Auschwitz-Prozess – ein Meilenstein in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Deutschland. Die Autorin Annette Hess erweckt diese Zeit in der Disney+-Serie „Deutsches Haus“ zum Leben.

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