Lallende Jäger auf der Pirsch

Tierschützer haben im Kanton Graubünden eine Initiative für eine naturverträgliche und ethische Jagd lanciert. Diese fordert unter anderem eine Promillegrenze für Jäger – völlig unnötig aus Sicht der Ostschweizer Jäger.

Rahel Haag und Gjon David
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Wenn Jäger in Flur und Wald unterwegs sind, dann bitte nüchtern. (Bild: Urs Jaudas)

Wenn Jäger in Flur und Wald unterwegs sind, dann bitte nüchtern. (Bild: Urs Jaudas)

Mitte September hat der Verein Tierschutz Schweiz eine Initiative lanciert, die unter anderem eine Blutalkoholgrenze von 0,5 Promille für Jäger im Kanton Graubünden fordert. Den Tierschützern geht es dabei um eine naturverträgliche und ethische Jagd. Nun hat der Verein ein Jahr Zeit, um 3000 Unterschriften zu sammeln.

Atemlufttest vor der Jagd

«Wir fordern schon seit Jahren eine Anpassung der Jagdverordnung», sagt Reinhold Zepf, Präsident des Thurgauischen Tierschutzverbandes (TTSV). Die Einführung einer Blutalkoholgrenze im Thurgau würde er für sinnvoll halten. «Ich kann mir vorstellen, dass ein Jäger schneller abdrückt, wenn er getrunken hat.» Zudem gebe es die gleiche Regelung in vielen Bereichen des Lebens. «Ein Boot darf man schliesslich auch nicht betrunken steuern», sagt er. Die Durchsetzung hält er allerdings für schwierig. «Dann müsste vor der Jagd ja immer ein Atemlufttest durchgeführt werden.»

Im Gegensatz dazu halten die Jäger aus dem Thurgau, St. Gallen und beiden Appenzell nur wenig von der Forderung nach einer Promillegrenze. «Im Thurgau wäre die Einführung einer Blutalkoholgrenze eine Überregulierung, die es nicht braucht», sagt Roman Kistler, Chef der Jagd- und Fischereiverwaltung. Der Grund: Heutzutage gehe jeder mit dem Auto auf die Jagd. Und im Verkehr gibt es diese Regelung bereits. «Kein Jäger will riskieren, seinen Führerausweis zu verlieren», sagt er.

Dieser Meinung ist auch Alfred Moser von der Jagd- und Fischereiverwaltung Appenzell Innerrhoden: «Die meisten Jäger fahren mit dem Auto zur Jagd und halten sich auch strikt an die Verkehrsregeln.» Moser ist seit 30 Jahren selber oft mit Jagdgesellschaften unterwegs. «Die Jäger sind in den vergangenen Jahren viel disziplinierter geworden.» Er bestreitet nicht, dass ab und zu getrunken wird. «Aber man muss ganz klar unterscheiden, ob vor oder nach der Jagd Alkohol konsumiert wird.» In den vergangenen 30 Jahren habe er noch nie erlebt, dass ein Kollege betrunken auf die Jagd gekommen sei.

Unheilige Allianz

«Diese Initiative schiesst übers Ziel hinaus», sagt Walter Schmid, Vizepräsident des Vereins Jagd Thurgau. Hier sei es zu einer unheiligen Allianz gekommen. «Enttäuschte Jäger verbünden sich mit Jagdgegnern», sagt er. Im Bündnerland gebe es Jäger, die nicht mit der Nachjagd einverstanden seien. Zur Nachjagd kommt es, wenn die Jäger die zum Abschuss freigegebenen Tiere nicht innerhalb der vorgesehenen Jagdsaison erlegen können. «Eine Verbesserung im Jagdbetrieb sollte nicht über eine Initiative, sondern in der Zusammenarbeit von Kanton und Jagdorganisation erreicht werden.»

Die Einführung einer Blutalkoholgrenze hält auch Schmid für unnötig. Bei einer Jagd seien immer mehrere Jäger anwesend, die aufeinander aufpassten. «Diese würden eingreifen, wenn ein Jäger betrunken wäre – zu ihrem eigenen Schutz.» Ausserdem liege der Jagderfolg im Vordergrund, sagt Willi Moesch von der Jagdverwaltung Appenzell Ausserrhoden. «Die Jäger wollen während der Jagd fit sein, damit sie auch Erfolg haben beim Schiessen. Niemand will da betrunken unterwegs sein.»

«Ein echtes Problem ist es nicht»

Auch Rolf Domenig, Präsident Revierjagd St. Gallen, sieht keinen Handlungsbedarf für eine Promillegrenze: «Mir scheint diese Diskussion einzelner Tierschützer nur ein vorgeschobener Vorwand zu sein, um sich in Szene zu setzen. Ein echtes Problem ist es sicher nicht.» Im Kanton St. Gallen könne im Gegensatz zum Kanton Graubünden das Jagdgebiet auch mit dem Fahrzeug befahren werden. «Erst ab einer vernünftigen Distanz geht man zu Fuss. Damit bleibt aber auch kaum jemand tagelang in Hütten, sondern man kehrt nach der Jagd wieder nach Hause zurück», sagt Domenig. Dabei sei selbstverständlich das Strassenverkehrsgesetz mit der Promillegrenze zu beachten, auch darum werde auf der St. Galler Jagd kaum Alkohol konsumiert.