Medienpreise für frische Zugänge und Teamwork

Fünf hervorragende journalistische Arbeiten wurden gestern mit dem Ostschweizer Medienpreis 2010 ausgezeichnet. Die meisten davon zeichnen sich durch Teamarbeit aus.

Marcel Elsener
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Ausgezeichnete Medienleute: Riccarda Simonett, Roger Berhalter, Katja Fischer, Coralie Wenger, Milo Rau und Eveline Falk (von links). (Bild: Ralph Ribi)

Ausgezeichnete Medienleute: Riccarda Simonett, Roger Berhalter, Katja Fischer, Coralie Wenger, Milo Rau und Eveline Falk (von links). (Bild: Ralph Ribi)

St. Gallen. Bier. Tätowierungen. Stephanie Glaser. Nicht gerade Medienstoffe, die uns in Zeiten der Krise und zugespitzter sozialer Verhältnisse vom Hocker reissen. Ein Alltagsgetränk, fast wie das tägliche Brot. Hautritzungen, die so unverschämt trendy geworden sind, dass viele sie wieder wegmachen wollen. Und die grosse Berner Actrice, unlängst 90 geworden, auf allen Kanälen überpräsent.

Doch geht es bei herausragenden journalistischen Arbeiten eben nicht nur um das Was, sondern ebenso sehr um das Wie.

Neues ausprobiert – im Team

Und so handelt der prämierte Tagestext nicht einfach von Bier, sondern ist ein origineller (Blind-)Testbericht, der sich auf den zweiten Blick «als eine Art Konsumentenjournalismus-Glosse entpuppt», wie die Jury meint.

Im protokollartigen Service-Text «Quöllgarten? Sonnenfrisch?», erschienen auf der neu eingeführten Seite «zoom» des Tagblatts, probten Roger Berhalter und Katja Fischer im Zusammenspiel mit zwei (ebenfalls nur als Kürzel genannten) Kollegen exemplarisch das Teamwork «in Zeiten von Newsroom und Konvergenz». Und gaben sich selbstironisch alle Blösse – beim Erkennen der acht meist regionalen Biere lagen sie fast immer daneben.

Zudem reduzierten sie «to the max»: «In seiner Verdichtung wirkt der Text <multimedial>, fast wie ein Online-Artikel», staunt die Jury.

Eine Teamarbeit offensichtlich auch die Serie von Porträts an der St. Galler Tattoo Convention, für die Tagblatt-Fotografin Coralie Wenger den Medienpreis erhält. In einer winzigen Ecke des überfüllten Gossauer Fürstenlandsaals improvisierte sie mit ihrem Lichtreflektor, den die Journalistin (Katja Fischer, erneut) die ganze Zeit halten musste, wie die Fotografin dankend schreibt.

Die missliche Situation sei ihren Porträts nicht anzumerken, vielmehr zeigten sie laut Jury «Kenntnisse in der grossen Tradition der Porträtfotografie» und «Gespür und Respekt für die Individualität dieser Menschen».

Im Mini Cooper zum Bodensee

Der St. Galler Fernsehjournalistin Eveline Falk (SF) gelang es, Stephanie Glaser für einen dreitägigen Ausflug im Mini Cooper an den Bodensee zu gewinnen – ein unerwarteter und intimer Zugang zu einer anfänglich

grantigen Glaser, mit dem wunderbaren Ergebnis «eines unterhaltsamen, ungeschönten, ehrlichen und gelungenen Porträts einer populären Schauspielerin», so Jurypräsident Kurt Felix. Zu verdanken, wie die Preisträgerin betonte, wiederum «vor allem dem Team» mit Kameramann Andreas Baumberger und Tonoperateur Markus Greber.

Eine andere Perspektive für ein breitgeschlagenes Thema suchte auch die Radio-DRS-Redaktorin Riccarda Simonett: An der Seite der amerikanischen Fotografin

Julia Calfee lauschte sie in deren Wohncontainer ob Vals «den letzten Gesängen der Gletscher». Dabei schaffte sie es, anerkennt die Jury, «Fakten geschickt mit Emotionen zu verbinden» und uns mit einem «tiefgründigen Interview» zum Nachdenken zu bringen.

Mustergültige Reportage

Der Reportage-Preis der zehnten Medienpreis-Verleihung ging an Milo Rau für seine «mustergültige», lange, aber nie langweilige Geschichte aus dem Post-Ceausescu-Rumänien (siehe «focus»).

Rau lobte jene, die den dafür nötigen Platz bereitstellten – in diesem Fall 30 000 Zeichen im «Saiten». Als Festredner dankte Regierungsratspräsident Willi Haag den Medienschaffenden für die «nicht leichte tägliche Aufgabe, höchsten Ansprüchen zu genügen».

Doch der überraschendste Gast gestern im Pfalzkeller war jemand anders: die bezaubernde Stephanie Glaser, eigens nochmals in die Ostschweiz gereist.

Tattoo-Ikonen: Belinda Beato und die Legende Herbert Hoffmann. (Bilder: Coralie Wenger)

Tattoo-Ikonen: Belinda Beato und die Legende Herbert Hoffmann. (Bilder: Coralie Wenger)