Lebenskosten
Mehr Mieterinnen und Mieter sollen profitieren: St.Galler Stadtrat plant Anpassungen am Fonds für günstige Wohnungen

Die Stadt St.Gallen hat seit über 30 Jahren einen Fonds, mit dem sie Wohnungen verbilligen kann. Doch schon seit einiger Zeit wird das Geld kaum noch angetastet. Dabei liegen noch 5,3 Millionen im Fonds.

Marlen Hämmerli
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Ein Beispiel für günstigen Wohnraum: das Jugendstilhaus am Pfauengässlein beim Platztor.

Ein Beispiel für günstigen Wohnraum: das Jugendstilhaus am Pfauengässlein beim Platztor.

Bild: Marius Eckert

Die Stadt St.Gallen sitzt auf rund sechs Millionen Franken, die zur Vergünstigung von Wohnraum vorgesehen sind. Nur wurde dieses Geld in den vergangenen Jahren kaum noch angerührt. Das soll sich jetzt ändern.

Der Stadtrat sieht für das Reglement, das die Nutzung des Geldes regelt, drei Änderungen vor. Dadurch soll der Fonds zugänglicher und attraktiver werden. Dass die Stadt den Zwölf-Millionen-Fonds und seine Nutzung geprüft hat, geht auf eine Motion der Mitte/EVP-Fraktion zurück. Diese hatte bemerkt, dass der Fonds, der seit 1991 existiert, kaum noch zum Einsatz kommt.

Fonds sollte Wohnungsnot lindern

Der Fonds geht auf eine Volksinitiative zurück, die zum Ziel hatte, günstigen Wohnraum in der Stadt St.Gallen zu erhalten. In den 1980er-Jahren war die Situation auf dem St.Galler Wohnungsmarkt dramatisch. Es gab so wenige freie Wohnungen, dass von einer Wohnungsnot die Rede war. Vor allem günstiger Wohnraum fehlte. Als Folge wurde im Sommer 1989 eine Initiative eingereicht. 1991 nahmen die städtischen Stimmberechtigten das «Reglement zur Erhaltung preisgünstiger Wohnungen» an. Damit einher ging ein Rahmenkredit von zwölf Millionen Franken.

Das Geld wird seither genutzt, um den Mietzins von dazu berechtigten Mieterinnen und Mietern zu verbilligen. Aufgrund der Initiative kauft die Stadt seit Beginn der 1990er-Jahre Häuser mit preisgünstigen Wohnungen. Diese Liegenschaften gibt sie im Baurecht an gemeinnützige Wohnbauträger ab. Der Zwölf-Millionen-Kredit kommt dann Mieterinnen und Mietern zugute, die in einem solchen Haus wohnen und gemäss Kriterien des Bundes zu dieser Hilfeleistung berechtigt sind. Mit dem Geld aus dem Fonds kann bis zu einem Drittel des Mietzinses gedeckt werden.

Ob die Subventionsempfänger weiterhin für die Unterstützung berechtigt sind, kontrolliert die Stadt alle zwei Jahre aufgrund der Steuerunterlagen. Die Verbilligung ist auf zehn Jahre beschränkt, kann aber für eine Liegenschaft auf Gesuch hin um drei Jahre verlängert werden.

Derzeit fliesst kein Geld mehr

In den Anfangsjahren wurde der Fonds rege beansprucht, wie der Stadtrat in der Vorlage schreibt. Seit über 15 Jahren sei die Nachfrage jedoch markant zurückgegangen. Bisher wurden 445 Wohnungen subventioniert und rund 6,3 Millionen Franken ausbezahlt, schreibt der Stadtrat in der Vorlage. Aktuell gibt es aber keine Liegenschaften mehr, deren Mieterinnen und Mieter Unterstützungsgelder erhalten.

Bei allen Liegenschaften ist die Frist von zehn Jahren, während derer der Fonds genutzt werden kann, verstrichen. In den vergangenen Jahren sind zudem keine neuen Grundstücke mehr hinzugekommen. «Das tiefe Zinsniveau in den letzten Jahren dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass der Kredit an Attraktivität verloren hat», folgert der Stadtrat mit Blick auf die Hypothekarzinsen.

Die verbleibenden sechs Millionen im Fonds sollen nicht liegen bleiben, sondern auch künftig für günstigen Wohnraum eingesetzt werden – auch wenn heute in St.Gallen keine Wohnungsnot mehr herrscht. Das zeigt ein Blick auf die Leerwohnungsziffer und die durchschnittlichen Mietzinsen.

Mietzins in St.Gallen am tiefsten

Am Stichtag standen 2023 in St.Gallen 2,08 Prozent oder 937 Wohnungen leer. Schweizweit waren es 1,15 Prozent, im Kanton St.Gallen 1,42 Prozent. In der Stadt seien es vor allem 3- und 4-Zimmer-Wohnungen, die unvermietet bleiben, schreibt der Stadtrat.

Von den zehn grössten Schweizer Städten zahlte man 2022 in St.Gallen für eine 4,5-Zimmer-Wohnung den tiefsten Mietzins. Im Median waren es 1760 Franken, wie eine Erhebung des Vergleichsportals Comparis zeigte. In Lugano und Biel, die ähnlich gross sind wie St.Gallen, lag der Mietzins für eine 4,5-Zimmer-Wohnung bei 1850 und 1890 Franken.

Auch die Stadt St.Gallen selbst stelle der Bevölkerung günstige Wohnungen zur Verfügung, schreibt der Stadtrat. Die Stadt besitze 130 Wohnliegenschaften mit 590 Wohnungen. Der Mietzins ohne Nebenkosten liege im Schnitt bei 134 Franken pro Quadratmeter, bei den 3-Zimmer-Wohnungen seien es 142 Franken pro Quadratmeter. Das seien rund 20 Prozent weniger als der durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine 3-Zimmer-Wohnung in St.Gallen und 27 Prozent weniger als der vom Bund empfohlene Mietzins.

Es bleibt ein Ziel der Stadt, günstigen Wohnraum zu fördern, wie aus der Vorlage hervorgeht. Darin verweist der Stadtrat auf den Gegenvorschlag zur Initiative «Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus», den die städtischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger 2013 annahmen. Zusätzlich hat der Stadtrat sich in seiner Wohnraumstrategie von 2020 das Ziel gesetzt, attraktiven Wohnraum zu bauen und zu erneuern, aber auch den Zugang zu günstigem Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu wahren.

Geld soll für günstigen und guten Wohnraum benutzt werden

Im Zuge der Wohnraumstrategie hatte die Stadt festgestellt, dass 79 Prozent aller Wohnungen in St.Gallen 40 Jahre und älter sind. Es hat freie Wohnungen, der Ausbaustandard genügt den Ansprüchen aber nicht. Auch bei günstigen Wohnungen fehle es an der baulichen Qualität, schreibt der Stadtrat. Daher solle das Geld aus dem Zwölf-Millionen-Fonds künftig für günstigen und gleichzeitig qualitativ guten Wohnraum eingesetzt werden. Um das zu erreichen, sieht der Stadtrat drei Änderungen vor.

Die Laufzeit des Kredits soll von 10 auf 20 Jahre verlängert werden. Dies würden auch gemeinnützige Bau- und Wohnbaugenossenschaft begrüssen, die zur Nutzung des Fonds befragt wurden, schreibt der Stadtrat.

Zusätzlich soll es künftig möglich sein, dass der Kredit nach einer Gesamtsanierung einer Liegenschaft ein zweites Mal beansprucht wird. Und es sollen mehr Mieterinnen und Mieter von einer Vergünstigung profitieren können. Wer bezugsberechtigt ist, richtet sich auch nach dem steuerbaren Einkommen und dem Vermögen. Die entsprechenden Limiten wurden seit 1990 nie angepasst; sie basieren auf einem Bundesgesetz. Der Stadtrat sieht im Reglement daher eine Änderung vor: Künftig darf das steuerbare Einkommen maximal 66’250 Franken betragen, das Vermögen insgesamt 190’800 Franken.

Über diese Anpassungen entscheidet das Stadtparlament. Die Vorlage ist für die nächste Sitzung vom 19. März traktandiert.