Fünfte Jahreszeit
Zwölf-Stunden-Tage, selbst verschuldetes Ohrensausen und eine Beizentour der speziellen Art: Das Prinzenpaar übernimmt am Gümpelimittwoch das Fastnachts-Zepter in Wil

Carmen Mettler und Philipp Guldimann gehen als Prinzenpaar in die zweite Runde. Bis zum Aschermittwoch sind sie im Amt. Sie blicken auf unvergessliche Episoden im Jahr 2023 zurück und wollen ihre letzte Amtszeit so richtig auskosten.

Gabriela Hagen
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Das Prinzenpaar posiert in ihren Kostümen in der Altstadt von Wil.

Das Prinzenpaar posiert in ihren Kostümen in der Altstadt von Wil.

Bild: Andrea Tina Stalder

Acht Tage bunter, ohrenbetäubender Ausnahmezustand stehen Carmen Mettler und Philipp Guldimann bevor. Acht «sehr volle, sehr heftige Zwölf-Stunden-Tage, mit selbst verschuldetem Ohrensausen bis zum nächsten Mittag», sagt Guldimann. Er spricht aus Erfahrung, denn das Prinzenpaar geht diesen Mittwoch in die zweite Amtszeit.

Die fünfte Jahreszeit hat für Mettler und Guldimann schon vor Tagen mit der Inauguration, sprich, der Amtseinführung zum Prinzenpaar Carmen I. und Philipp I. begonnen. Heute, am Gümpelimittwoch, übernimmt das Prinzenpaar im Rathaus die Stadt. Als Zeichen der Übernahme erhalten sie vom Stadtrat das Zepter und gravierte Halsketten. Die offizielle Eröffnung erfolgt dann am Abend, mit den Wiler Tüüfel, dem Herold, der die Bullen verliest, und Guggenmusiken aus Wil und der Umgebung. Das närrische Prinzenpaar übernimmt bis Aschermittwoch symbolisch die Regentschaft über die Stadt Wil.

Das Programm des Prinzenpaares ist pickepacke voll. An den Fastnachtsumzügen von Wil, Lenggenwil und Sirnach winken sie von den Umzugswagen und werfen Bonbons in die Menge. An den Kindermaskenbällen in Bronschhofen, Rossrüti und Wil prämieren sie Kostüme und halten Reden, am Donnerstagabend sind sie bei der Fasnachtseröffnung in Sirnach dabei. Am Hofnarrenball am Freitag sind sie genauso vor Ort, eröffnen den Ball mit einem Tanz und kleiden den neu vorgestellten Hofnarren ein, wie am Guggenkonzert samstags.

Gratisdrinks in achtzehn Beizen

Nach dem Fastnachtsgottesdienst am Sonntag begleiten sie den Umzug durch Wil zum Bleicheplatz, wo der Nörgeli verbrannt wird. Besuche in Alters- und Pflegeheimen stehen genauso auf dem Programm wie die Tour durch achtzehn dekorierte Beizen in und um Wil. «In den Beizen werden uns oft Gratisdrinks offeriert», sagt die Prinzessin. Wie hält das die Leber aus? Prinz Philipp I. schmunzelt: «Wir Würdenträger geben uns nicht die Kante. Nur das Käntli.» Den Abschluss bildet das traditionelle Stockfischessen der Fastnachtsgesellschaft Wil (FGW) am Aschermittwoch.

Es könnte der Eindruck entstehen, dass es sich bei der Sozialpädagogin und dem Bereichsleiter um «angefressene» Fastnächtler handelt, die tief mit der FGW verbunden sind. Stimmt nicht: Bisher sind sie weder Mitglieder der FGW noch eingefleischte Fans der fünften Jahreszeit.

Carmen Mettler und Philipp Guldimann starten am Mittwoch in die zweite Amtszeit als Prinzenpaar.

Carmen Mettler und Philipp Guldimann starten am Mittwoch in die zweite Amtszeit als Prinzenpaar.

Bild: Andrea Tina Stalder

Sie sind von Patrick Galli, Präsident der FGW, vergangenes Jahr privat für die Aufgabe des Prinzenpaares angefragt worden und haben zugesagt. «Eine Tradition bleibt nur lebendig, solange Menschen mitmachen und sie schätzen», sagen Mettler und Guldimann übereinstimmend. Das erste Jahr sei überwältigend und anstrengend gewesen, die zweite Amtszeit wollen sie nun mehr geniessen. Es wäre schade, das Amt des Prinzenpaares nur für ein Jahr innezuhaben, sagen die beiden.

Das Paar erinnert sich gerne an unvergessliche Episoden im vergangenen Jahr. Guldimann fällt ein, in seiner ersten Rede die Fastnachtsgesellschaft mit «geschätzte Untertanen» angesprochen zu haben. Die Hälfte der Anwesenden habe darüber gelacht, die andere den Fauxpas weniger lustig gefunden.

Prinzessin Carmen I. musste einem verzweifelten Mädchen am Kindermaskenball verständlich machen, dass sie nicht an deren Kindergeburtstag im Sommer teilnehmen könne. Insignien wie Zepter oder Kette, die daheim vergessen und panikartig gesucht wurden. Oder Böller, die neben dem Sponsorenzelt viel zu früh explodierten und jemanden vor Schreck das Cüpli auf das Kleid von Prinzessin Carmen I. schütten liess.

Fastnacht kann auch nerven

Nebst Krone, Ketten, Zepter und dem Fastnachtshut spielen die hochwertigen Kostüme des Prinzenpaars eine zentrale Rolle. Schwerer bordeauxroter Samt mit goldenen Verzierungen für beide. Prinzessin Carmen I. trägt einen ausladenden, mehrlagigen Reifrock, der herausfordernd sein kann, wie sie sagt. Vor allem beim Gang auf die Toilette, fügt sie an.

«Die Kostüme haben etwas Majestätisches und geben ein erhabenes Gefühl», sagt der Prinz. Die Körperhaltung ändere sich, sobald sie in die gemieteten Kostüme schlüpften. Die Prinzessin sagt: «Das straff sitzende Oberteil und die Krone auf dem Kopf sorgen dafür, dass ich aufrecht stehe.» Der Prinz hatte eine kleine Kostümauswahl: «Ich bin das Problem. Zu gross, zu lange Arme, zu viel Bauch.»

Begleitet wird das Prinzenpaar bei jedem Auftritt vom Herold, der das Prinzenpaar ankündigt, und den «Fanfaren», das sind aktive Jungwächtler, die lautstark mit Fanfaren und Pauken für die nötige Aufmerksamkeit sorgen. Sie sind auch eine Art Personenschutz für das Prinzenpaar. «Als Würdeperson werde ich nicht angemacht. Da passen die Fanfaren auf», sagt die Prinzessin.

Es gibt auch Aspekte an der Fastnachtsgaudi, die das Prinzenpaar nerven. Prinz Philipp sagt: «Es gibt wahnsinnig viele schlechte Lieder, die zum Après-Ski passen, aber für mich nicht zur Fastnacht.» Überhitzte Beizen und betrunkene Menschen fallen für das Prinzenpaar auch in die Nerv-Kategorie.

Die Fastnachtszeit sei extrem intensiv und voller Leben, sie müsse aber auch wieder enden, sagt Philipp Guldimann. Carmen Mettler ist froh, nach der Fastnacht «wieder ein normales Kontingent an Schlaf zu bekommen».