Outdoor-Pressenkonferenzen
Warum Bundesräte im Freien parlieren

Nach Couchepin und Blocher setzt Ueli Maurer die Tradition fort: Er ruft zu Pressekonferenzen im Freien auf. Das sei gut für die Volksbindung, meinen Experten.

LORENZ HONEGGER
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Bundesräte im Freien
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Alt Bundesrat Pascal Couchepin spazierte 2008 in Zimmerwald BE. key
Alt Bundesrat Christoph Blocher sprach 2006 auf dem Üetliberg. key

Bundesräte im Freien

Das Bild ist vier Jahre alt und doch längst legendär: Mit einer sibirischen Pelzmütze auf dem Schädel postierte sich im Dezember 2006 der damalige Justizminister Christoph Blocher auf dem Üetliberg und holte zu einer «Standortbestimmung vor dem Wahljahr 2007» aus. Im Schein der Sonne warnte er vor einem «Rückfall in die realitätsfremden Neunzigerjahre», «ein Jahrzehnt der Illusionen und Fehleinschätzungen».

Die Kampfrede hoch über dem Zürcher Nebelmeer verfehlte ihre Wirkung nicht. Verärgert über den medienwirksamen Auftritt ihres Kontrahenten sagte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (SP) am folgenden Wochenende in einer Sonntagszeitung, es gehe nicht an, dass Bundesratskollege Blocher für die Ankündigung der Üetliberg-Pressekonferenz «die Infrastruktur seines Departements benutzt und in dessen Namen ein Communiqué veröffentlicht», was letztlich nur dem Wahlkampf seiner Partei diene.

Geschadet hat der Auftritt Blochers Partei wahrlich nicht: Die SVP, in Sachen Politmarketing ungeschlagen, erreichte bei den Parlamentswahlen im folgenden Herbst 28,9 Prozent Wähleranteil.

Ueli Maurer marschiert heute

Das Kommunikationsmittel der Outdoor-Pressekonferenzen bleibt denn auch en vogue: Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) bestellt heute den Tross der Bundeshausjournalisten zum zweiten Mal nach Adelboden, wo er Heimatrecht geniesst. Um 7.45 Uhr karrt das Verteidigungsdepartement (VBS) die Journalisten per Car ins Berner Oberland. Das VBS empfiehlt «winterfeste Kleidung und robustes Schuhwerk».

Fern der sterilen Atmosphäre des Medienzentrums an der Bundesgasse wird sich der Verteidigungsminister mit den Journalisten auf eine Winterwanderung begeben. Der präventiven Selbstgeisselung nicht abgeneigt, wird Bundesrat Maurer die Gelegenheit nutzen, um auf neue Missstände in der Armee aufmerksam zu machen, was zweifelsohne in einem Lamento über das knappe Armeebudget münden wird.

Couchepins Pressespaziergänge

Vielleicht wird Maurer auch die eine oder andere politische Bombe platzen lassen. So, wie es alt Bundesrat Pascal Couchepin (FDP) zu tun pflegte. Der Unterwalliser galt als Spezialist der Kommunikation im Freien: Im Laufe seiner zwölfjährigen Amtszeit lud er alljährlich,
jeweils während des medialen Sommerlochs, zu einer Wanderung auf der Sankt-Peters-Insel und später in der Berner Gemeinde Zimmerwald.

Auf einem seiner Märsche lancierte er den Plan für die Erhöhung des AHV-Alters oder er versprach tiefere Krankenkassenprämienerhöhungen. Auf seinem letzten Pressespaziergang Anfang September 2009 versuchte er mit Lob für den damaligen Finanzminister Hans-Rudolf Merz, Ruhe in die Geisel-Krise mit Libyen zu bringen.

«Starkes optisches Signal»

Der Zürcher PR-Experte Klaus J. Stöhlker ist sich sicher, dass «die Zahl der bundesrätlichen Medienausflüge zunehmen wird». Eine breite Berichterstattung sei den Magistraten garantiert, die Sonntagsmedien würden selbst Tage später noch über die PR-Märsche berichten. Auch er habe in früheren Jahren für Polit-Kunden zu diesem Mittel gegriffen. «Die Auftritte eignen sich ideal als optisches Signal in den Massenmedien. Die Bundesräte können symbolisch zeigen, dass sie sich um das Volk kümmern.» Namentlich die Fernsehstationen seien dankbar für die attraktiven Bilder.

Alles «ein Teil des Showgeschäfts», meint Stöhlker. Das beste Bild gebe eindeutig Christoph Blocher her – «nach wie vor ein Meister der Symbolik».