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Britische Millionenstadt ist bankrottNach Jahren des Booms – ein Gerichts­entscheid stürzt Birmingham in die Pleite

Die britische Regierung wird nicht helfen: Dunkle Wolken über Birmingham, das in finanzielle Schieflage geraten ist.

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Noch in den letzten Jahren glaubte Birmingham, allen Grund zur Zuversicht zu haben. Besser als andere britische Kommunen hatte sich «die zweite Stadt Englands», wie sie genannt wird, vom Corona-Einbruch erholt.

Jahr auf Jahr vermochte Birmingham neue Investitionen an Land zu ziehen. Einen regelrechten «Boom» machten Wirtschaftsexperten aus. Und mit der Ausrichtung der Commonwealth-Spiele im Vorjahr festigten die «Brummies» ihr kommunales Selbstbewusstsein und erheischten weltweiten Beifall. Vom «Anbruch eines goldenen Jahrzehnts» für Birmingham war überall die Rede.

Umso tiefer ist der Sturz, den die Millionenstadt nun erleben muss. Vor wenigen Tagen wurde sie, zum Schock ihrer Bewohner, vom Gemeinderat für bankrott erklärt. Die Stadtkasse kann die in die Höhe geschnellten Kosten der städtischen Dienstleistungen und sonstigen Verpflichtungen nicht mehr abdecken. Schon 2024 droht im Haushalt ein beispielloses Milliardenloch.

Nachzahlungen bei Frauenlöhnen in Milliardenhöhe

Dabei besteht das aktuelle Problem darin, dass die Stadt nach einem Gerichtsbeschluss unverzüglich 700 Millionen Pfund aufbringen muss, um den benachteiligten weiblichen Beschäftigten die ihnen zugesprochene Entschädigung zu bezahlen. Über eine Milliarde Pfund hat der Labour-Stadtrat in dieser Sache bereits ausgegeben. Nun gibt die Kasse nichts mehr her.

Tory-Premier Rishi Sunak weigert sich, Birmingham mit staatlichen Mitteln zu helfen. Sein Kommunalminister Michael Gove schickt stattdessen Regierungskommissare nach Birmingham, die die Kontrolle über die Finanzen und die politischen Geschäfte dort übernehmen sollen. Das könne «ziemlich brutal» werden, hat der Chef des Informationsverbandes englischer Kommunalverwaltungen, Jonathan Carr-West, gewarnt.

Was die Stadt noch an grösseren Sachwerten besitzt, muss sie womöglich privatisieren.

Nicht nur muss Birmingham befürchten, dass es ab sofort keinen Penny mehr hat für den Erhalt seiner Parks, das Reinhalten der Strassen, die Beschaffung neuer Bücher für die öffentlichen Bibliotheken oder für kulturelle Projekte irgendwelcher Art.

Was die Stadt noch an grösseren Sachwerten besitzt, muss sie womöglich in Kürze spektakulären Notverkäufen zuführen, also privatisieren. Darunter befinden sich das Alexander-Stadion, in dem die Commonwealth-Spiele stattfanden, die erst vor zehn Jahren eröffnete imposante zehnstöckige Stadtbibliothek, das Städtische Museum samt der Kunstgalerie, eine Reihe kostbarer alter Gebäude, diverse Ländereien, Strassenzüge mit städtischen Mietskasernen – und sogar das historische Rathaus am Victoria Square.

«Inkompetenz und Misswirtschaft» oder «brutale Austeritätspolitik»?

Sein viel gerühmtes Messe- und Ausstellungszentrum, mitten in der Stadt, kann Birmingham ja schon nicht mehr verkaufen: Das ist bereits vor ein paar Jahren, als man dringend Kapital brauchte, für über 300 Millionen Pfund abgestossen worden. Dieses Mal ist die Lage allerdings ernster. Mit den üblichen Mitteln kann sich die Stadt nicht mehr über Wasser halten.

Regierungskommissare aus London übernehmen in Birmingham die Kontrolle. Wie der Betrieb des öffentlichen Sektors aufrechterhalten bleiben soll, steht in den Sternen geschrieben.

Durch «Inkompetenz und Misswirtschaft» habe die von Labour dominierte Stadtregierung Birmingham in die Pleite getrieben, liess Tory-Premier Sunak aus London verlauten. Labour wiederum wirft den Tories vor, die Stadt «an den Rand des Abgrunds» getrieben zu haben mit ihrer seit 2010 verfolgten «brutalen Austeritätspolitik».

Auch andere Kommunen haben finanzielle Probleme

Tatsächlich haben Tory-Regierungen die staatlichen Zuwendungen, auf die alle Gemeinden angewiesen sind, kontinuierlich und drastisch beschnitten – um rund 40 Prozent in den zehn Jahren bis 2020. Zugleich ist der dringende Bedarf an Dienstleistungen, insbesondere bei der Fürsorge für ältere, ärmere und bedürftige Bürgerinnen und Bürger, steil angestiegen. Und zuletzt trieb auch die Inflation die Kosten auf beispiellose Art in die Höhe.

Nicht nur Birmingham hat solche Probleme zu spüren bekommen. Gleich mehrere englische Stadtverwaltungen – wie die von Woking, Croydon oder Slough – haben sich in den letzten Monaten für zahlungsunfähig erklären müssen. Mehr als zwei Dutzend Städte – teils mit Labour-, teils mit Tory-Mehrheiten – stehen auf der Liste derer, die möglicherweise schon bald in derselben Lage wie Birmingham sein werden. Zu ihnen gehören Bradford, Guildford, Hastings, Southampton und Coventry.

«Bittere Konsequenzen» für einzelne Gemeinden

Fraglos sei das System der Finanzierung englischer Gemeinden «völlig im Eimer», bilanziert das renommierte Institut für Finanzstudien in London. Dem stimmen auch viele konservative Stadträte zu, denen rapide das Geld ausgeht. Die Steuern wagen die wenigsten Stadträte in Grossbritannien, zu Zeiten rekordhoher Lebenshaltungskosten, weiter zu erhöhen. Die geschrumpften staatlichen Zuwendungen aber garantieren nicht einmal mehr das Minimum.

Von einem «Augenblick der Ernüchterung», der für einzelne Gemeinden «bittere Konsequenzen» haben werde, spricht Jonathan Carr-West, Experte für Kommunalpolitik. Und Carl Chinn, Lokalhistoriker, findet es «empörend», wenn nun Birminghams kostbare und oft geschichtsträchtige Gebäude und sonstige öffentliche Einrichtungen und Anlagen so einfach veräussert würden: «Die sind nicht Eigentum des Stadtrats, eines Ministers oder eines Bürgermeisters. Sie gehören der Bevölkerung hier, den Bürgern von Birmingham.»

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