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Aufstände in Haiti Ein Land kommt nicht zur Ruhe

Im Karibikstaat herrscht grosse Armut, kriminelle Banden terrorisieren die Bevölkerung. Wie konnte es so weit kommen? Bilder aus einem Land in Aufruhr.

Während einer Demonstration gegen kriminelle Banden und mangelnde Sicherheit in der Nähe des Amtssitzes des Premierministers in Port-au-Prince brennen Reifen (7. August 2023). 

In Port-au-Prince brennen Reifen, Mülltonnen und Polizeiautos. Die Proteste der haitianischen Bevölkerung werden lauter und heftiger. Die Demonstranten beklagen vor allem die hohe Bandenkriminalität im Land. «Wir können so nicht mehr leben», sagte einer der Protestteilnehmer der Nachrichtenagentur Reuters. «Wir fordern Panzer», ein anderer. 

Demonstranten versuchen, ein Auto umzuwerfen, um eine Strasse zu blockieren (7. August 2023).  

Polizisten gehen bei einem Protest in der Nähe des Amtssitzes des Premierministers in Deckung (7. August 2023). 
Protestierende bei einer Kundgebung gegen die die mangelhafte Sicherheitslage im Land. Die Zahl der Entführungen hat in den letzten Jahren massiv zugenommen (7. August 2023). 

Immer wieder kidnappen bewaffnete Gruppen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince Anwohner. Vor allem die Zahl entführter Frauen und Kinder steigt laut Unicef «alarmierend». Allein in der ersten Hälfte des Jahres gab es fast so viele Entführungen wie im gesamten vergangenen Jahr. Insgesamt hat sich die Zahl zwischen 2019 und 2022 versiebzehnfacht.

Kinder verlangen an einer Demonstration die Freilassung der entführten Krankenschwester Alix Dorsainvil und ihrer Tochter (29. Juli 2023). 
Protestierende verlangen während einer Demonstration die Freilassung einer entführten Krankenschwester (3. August 2023). 

Die kriminellen Gruppen kontrollieren Schätzungen der UNO zufolge ungefähr 80 Prozent der Hauptstadt. Die Einsatzkräfte im Land sind überfordert. Die Menschen sind verängstigt. Ende Juli campieren viele Haitianer vor der US-amerikanischen Botschaft, um dort Schutz zu suchen. Doch die haitianische Polizei räumt das Camp, auch unter Einsatz von Tränengas. Wenig später ziehen die USA ihr Botschaftspersonal aus Haiti ab.

Menschen, die von bewaffneten Banden aus ihren Häusern in Tabare vertrieben wurden, campieren vor der US-amerikanischen Botschaft (25. Juli 2025). 

In einigen Orten haben sich mittlerweile Bewohner zusammengeschlossen, um selbst gegen die Banden vorzugehen. Diese Spirale der Gewalt verschärft die ohnehin prekäre Lage in Haiti: Fast die Hälfte der elf Millionen Einwohner leidet den UNO zufolge unter Hunger. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich in Haiti sind enorm, der politischen Elite wird vorgeworfen, sich auf Kosten der Menschen zu bereichern.

Mütter warten darauf, dass ihre Kinder von Ärzten im Fontaine-Krankenhaus im Slum Cite Soleil in Port-au-Prince untersucht werden. Viele Kinder des grössten Slums der von Banden heimgesuchten haitianischen Hauptstadt sind unterernährt (4. August 2023). 
Gesundheitspersonal registriert ein unterernährtes Kind im Fontaine-Krankenhaus in Port-au-Prince (4. August 2023). 

Seit dem verheerenden Erdbeben 2010 mit mehr als 220’000 Toten ist Haiti von internationaler Entwicklungshilfe abhängig. Gewalt und Armut treiben die Menschen in die Flucht: Knapp 74’000 Haitianer haben im vergangenen Jahr ihre Heimat verlassen.

Haitianer warten in Dajabon darauf, die Grenze zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti zu passieren (19. November 2021). 

Viele flüchten zunächst in die Dominikanische Republik, mit der sich Haiti die Insel Hispaniola teilt. Das deutlich wohlhabendere Nachbarland schiebt allerdings jährlich Zehntausende haitianische Geflüchtete wieder ab. Fast die Hälfte der Flüchtenden wählt deshalb den Weg durch das mittelamerikanische Festland und den gefährlichen Darién-Dschungel zwischen Kolumbien und Panama.

Haitianische Migranten klettern einen schlammigen Hangweg im Darién-Dschungel in Kolumbien hinunter (20. November 2022).

Der Weg führt durch sehr unwegsames Gelände nach Mexiko und in die USA. Immer wieder verunglücken zahlreiche Menschen. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil viele Leichen nie gefunden werden. Die Menschen fliehen vor dem wachsenden Elend in ihrem Land, das auf eine lange Geschichte zurückgeht: Vor mehr als 200 Jahren rebellierten die versklavten Einwohner Haitis erfolgreich gegen die französischen Kolonialherren. Doch Napoleons Frankreich drohte mit einem erneuten Angriff und verlangte hohe Reparationszahlungen. Der junge Staat musste Kredite bei französischen Banken aufnehmen, die die Wirtschaft in ihrer Entwicklung lange lähmten. 

Eine haitianische Migrantin, die ihren kleinen Knaben im Arm hält, läuft in einem Fluss im Darién-Dschungel in Kolumbien (20. November 2022).

Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren: In Haiti leben fast 60 Prozent der Bevölkerung in Armut. Der Staat gilt als korrupt. Seitdem Präsident Jovenel Moïse vor knapp zwei Jahren ermordet wurde, führt eine Interimsregierung die Amtsgeschäfte. Neuwahlen sind seit 2018 immer wieder ausgesetzt worden. Inzwischen hat die Interimsregierung wegen der eskalierenden Gewalt bei der UNO um eine internationale Eingriffstruppe angefragt, mit Erfolg: Kenia hat angekündigt, 1000 Polizeikräfte nach Haiti schicken zu wollen. Auch die USA sicherten ihre Unterstützung zu.