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Klotens Nervensäge Marchon«Meine Freundin fragt: ‹Hey, wie kannst du so austicken?›»

Heissblütig: Im Derby knöpfte sich Marc Marchon den ZSC-Stürmer Justin Sigrist vor, der dem Kampf nichts entgegenzusetzen hatte und dennoch einen Restausschluss kassierte.

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Marc Marchon schlendert durch die Katakomben der Stimo-Arena, vorbei an einer Gruppe Kinder. Einige bleiben ehrfürchtig stehen. «Marc! Marc!», ertönt es. «Ich komme gleich», entgegnet der Mann, der bereits in seiner siebten Saison in Kloten steht, dem Club auch nach dem Abstieg 2018 die Treue hielt und zur Integrationsfigur wurde.

Den EHC nannte der gebürtige Zuger seinen Herzensverein. «Ich kann mir nur noch schwer vorstellen, Kloten wieder zu verlassen», sagte Marchon im vergangenen Winter gegenüber dieser Redaktion – und unterzeichnete ein halbes Jahr später und unmittelbar vor dem Saisonstart einen Vertrag beim SCB. Ist der 28-Jährige ein Verräter? Wechselt er des Geldes wegen?

«Nein», betont Marchon. «Einen ganzen Sommer lang führte ich Gespräche und hätte nicht gedacht, dass ich diesen Weg einschlagen würde. Ich fühle mich wohl in Kloten, habe viele Freunde gefunden und schweren Herzens so entschieden.» Er wolle aber einen Schritt machen, sich weiterentwickeln, etwas gewinnen. «Zu Spielern wie Tristan Scherwey schaute ich hoch. Es ist beeindruckend, zu sehen, wie viele Emotionen er ins Spiel bringt und dennoch skort.»

Auch Marchon weiss, wie man Emotionen entfacht. Auf dem Eis ist der Stürmer eine Nervensäge. Er provoziert und verteidigt sein Revier – koste es, was es wolle. Das stellte er nicht zuletzt im Pre-Playoff gegen den SCB unter Beweis, und das bekam unlängst auch ZSC-Stürmer Justin Sigrist zu spüren, der im Faustkampf Marchon nichts entgegenzusetzen hatte. «Meine Freundin fragt jeweils: ‹Hey, wie kannst du so austicken? Sonst bist du auch nicht so. ›» Auf dem Eis befände er sich jedoch wie in einem Film. Er brauche Emotionen, sonst mache es keinen Spass.

Marchon und das «Smile»-Tattoo

Dass Marchon Scherwey erwähnt, passt. Auch mit dem Berner Powerstürmer würde sich wohl keiner freiwillig anlegen. Doch auch Scherwey ist neben dem Eis ein komplett anderer Mensch, ist nahe am Wasser gebaut und sagt von sich: «Ich bin weicher und sensibler als andere. Manchmal ein Riesen-Weichei.» Es kam schon vor, dass Spieler zum SCB wechselten, die zuvor über Scherwey hergezogen waren, sich dann aber beeindruckt von dessen Persönlichkeit zeigten. Ähnlich verhält es sich bei Marchon.

«Oft ist es so, dass jene, die sich auf dem Eis am verrücktesten verhalten, ganz coole Typen sind», sagt der Mann, den man einfach mögen muss. Marchon ist freundlich und zuvorkommend, hat Humor und stets ein Lächeln im Gesicht. «Smile» ist auf seinen linken Oberschenkel tätowiert. Ein Freundschaftstattoo, das er sich gemeinsam mit einem Kollegen und der Slalom-Spezialistin Aline Danioth stechen liess.

Bald sind sie Teamkollegen. Letzte Saison gerieten der Berner Romain Loeffel und Marchon im Pre-Playoff aneinander. Für einmal musste auch der Klotener einstecken.

«Ich bin ein crazy Typ, der viel Spass im Leben hat und diesen auch braucht, um nicht nur an Eishockey zu denken», so Marchon, der negative Menschen nicht ausstehen kann. Mit seinem siebeneinhalb Jahre jüngeren Bruder Joel, der auf diese Saison hin aus der kanadischen Juniorenliga zurückgekehrt ist, lebt er in einer WG. «Ich dachte, es würden mehr Partys stattfinden, aber es ist ziemlich ruhig bei uns Marchons», sagt Marc lachend.

Einen Ämtliplan gebe es nicht. Werde sein Bruder, der insbesondere für den Garten verantwortlich sei, nachlässig, mache er ihn darauf aufmerksam. Ein Altersunterschied sei nicht auszumachen. «Schliesslich bin ich im Kopf manchmal auch noch 20.» Doch im Grossen und Ganzen sei er erwachsener geworden. «Ich spüre das Alter, mag auch nicht mehr so viele Partys feiern.» Zur Erinnerung: Marchon ist 28.

Gurken? Nur in einem Glas Gin Tonic

Das Leben des Stürmers dreht sich allerdings nicht nur um Partys und Sport. Stets kümmerte er sich auch um seine berufliche Ausbildung. Nachdem Marchon seine Lehre als Elektromonteur abgebrochen hatte, weil ihn sein Lehrmeister nicht mehr für die Trainings freistellen wollte, arbeitete er als Maler auf dem Bau, wovon unlängst auch seine Schwester profitierte. Als die Wände gestrichen werden mussten, übernahmen kurzerhand der Bruder und Teamkollege Mischa Ramel, der eine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt absolvierte und im Winter nachts auf den Strassen den Schnee räumte.

Im Sommer schloss Marchon seine Weiterbildung zum CAS-Sportmanager ab, nun strebt er den Bachelor in Betriebsökonomie und Sportmanagement an. «Ich habe ja Zeit», sagt der Stürmer, der weder Obst noch Salat und Gemüse essen kann, weil das Gesunde Brechreiz in ihm auslöst. Marchon versuchte es schon mit Kinesiologie und Akupunktur. Vergeblich. Gurken? Vertrage er höchstens in einem Glas Gin Tonic, scherzte er neulich.

«Jeder weiss, dass ich Kloten liebe. Ich will, dass wir unsere Ziele erreichen, und werde alles dafür tun.»

Marc Marchon

Heute trifft Marchon zum zweiten Mal auf seine künftigen Teamkollegen. Vor dem ersten Duell dachte er, es könnte speziell werden. Doch dann sei es ein gewöhnliches Spiel gewesen. Wohl, weil er mit seinen Gedanken noch komplett in Kloten sei, mutmasst der Aggressivleader. «Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, beim SCB zu spielen», sagt er. «Jeder weiss, dass ich Kloten liebe. Ich will, dass wir unsere Ziele erreichen, und werde alles dafür tun.»

Trotz zuletzt vier Niederlagen aus fünf Partien, Rang 13 und nur vier gesunden ausländischen Feldspielern bleibt der Stürmer positiv. «Wir wollen möglichst lange am Pre-Playoff dranbleiben und müssen nun halt noch härter arbeiten», sagt er. Es sind Probleme, die der SCB nach vier Jahren Dauerkrise nicht mehr hat.