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Analyse zu Deutschlands FinanzchaosDer Besserwisser ist auf einmal ratlos

Muss als Erstes seine Koalition zusammenhalten: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz.

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2 Minuten und 47 Sekunden kurz ist das Video, in dem sich Olaf Scholz Ende letzter Woche zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts erklärte. Er sagte nichts, was er nicht auch schon am Tag danach hätte sagen können: dass Deutschland weiter in den klimafreundlichen Umbau seiner Industrie investieren, die Energiepreise dämpfen und die Ukraine unterstützen werde – auch wenn nun dummerweise fast 200 Milliarden Euro dafür fehlen.

Wo diese Mittel in den kommenden Jahren herkommen sollen, dazu sagte der Kanzler kein Wort. Bald zwei Wochen nach dem Urteil, mit dem das höchste deutsche Gericht Scholz’ Umgehung der Schuldenbremse für «nichtig» erklärt hatte, kam diesem kein Fehlereingeständnis über die Lippen, kein Wort der Reue.

Die Kritik an ihm wurde in den letzten Tagen recht grundsätzlich, auch von Medien, die den Sozialdemokraten sonst eher wohlgesinnt sind. Der «Spiegel» überschrieb seine siebenseitige Titelgeschichte mit «Absturz eines Besserwissers». «Diese Krise trifft den Kern der Marke Olaf Scholz», kommentierte die «Süddeutsche Zeitung». In beiden Fällen bezog sich die Kritik nicht nur auf dessen Stil, sondern auf die «Methode», ja dessen «System», Politik zu machen.

Seine Verteidiger sagten bisher immer, Scholz könne zwar nicht reden, dafür aber umso besser regieren.

Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren wird Scholz’ Regieren von wiederkehrenden Klagen begleitet. Er sei ein Zauderer, heisst es, der alles endlos hin und her überlege, hinter verschlossenen Türen selbstverständlich. Anders als der grüne Vizekanzler Robert Habeck lasse er die Öffentlichkeit nie an seinem Nachdenken teilhaben – und wundere sich dann, dass niemand verstehe, was er eigentlich wolle.

Scholz sei ein Schweiger, selbst wenn er rede, heisst es, weil er sich wahlweise schlecht oder gar nicht erkläre. Anders als die ebenfalls wortkarge Vorgängerin Angela Merkel sage er in der Regel nicht mal dann etwas Interessantes, wenn er sich endlich entschieden habe – sondern wiederhole nur die Formelsätze, die ihm zuvor dazu gedient hätten, lästige Fragen abzuwehren.

Scholz’ Verteidiger haben dessen Methode bisher immer mit dem Hinweis gerechtfertigt, der Kanzler könne zwar vielleicht nicht reden, dafür aber umso besser regieren. Andere handelten durch Worte, er mit Taten. Er habe zwar kein Charisma, dafür einen Plan. Er sei vielleicht nicht interessant, dafür verlässlich und berechenbar.

Die Umwidmung von alten, ungebrauchten Schulden für neue Zwecke war Scholz’ Idee – und nicht die unwichtigste.

All diese Erzählungen werden von dem Fiasko um seine rechtswidrigen Schuldentöpfe jetzt vor aller Augen widerlegt und geben den Blick auf einen anderen Scholz frei: den Besserwisser, der Medien und Kritiker insgeheim belächelt, aber nicht einmal ein Budget aufzustellen vermag, das der Verfassung genügt. Den vermeintlichen Profi, der sich als Trickser herausstellt und der drittgrössten Volkswirtschaft der Welt ein Finanzchaos einbrockt, das im Ausland Unglauben und Hohn hervorruft.

Die Umwidmung von alten, ungebrauchten Schulden für neue Zwecke war Scholz’ Idee. Der Hamburger war damals designierter Kanzler, aber auch noch Finanzminister. Der Trick war keine Nebensächlichkeit, sondern die Geschäftsgrundlage, auf der seine weltanschaulich disparate Ampel-Koalition überhaupt zusammenkam: SPD und Grüne bekamen das Geld, das sie für ihre Pläne brauchten, die FDP das rhetorische Bekenntnis zur Schuldenbremse, das ihr Chef Christian Lindner benötigte. «Mit Geld, das man nicht hat», meinte die «Zeit», «wurde ein Konsens finanziert, den es nicht gab.»

Scholz setzte sich damals nicht nur über viele Warnungen hinweg, sondern versäumte es später auch, Alternativen vorzubereiten, falls das Verfassungsgericht diesen Weg annullieren sollte. Entsprechend ratlos wirkt die Regierung nun. Der Kanzler muss nicht nur den Haushalt sanieren, sondern verhindern, dass seine Koalition auseinanderbricht. Immerhin scheuen alle drei Regierungsparteien Neuwahlen, das diszipliniert.

Laut einer RTL-Befragung vertrauen nur noch 24 Prozent der Deutschen Scholz’ Kompetenz.

In der jüngsten Umfrage des ZDF wird Scholz so schlecht benotet wie noch nie. Laut einer RTL-Befragung vertrauen nur noch 24 Prozent der Deutschen seiner Kompetenz. Gleichzeitig wächst die Kritik aus den eigenen Reihen. In der Asylpolitik («Wir müssen endlich im grossen Stil abschieben») bediene sich Scholz einer «rassistischen» Sprache, klagen die Jungsozialisten. Viele Bundestagsabgeordnete meinen, es genüge nicht mehr, dass der Kanzler sich bloss darin gefalle, die grünen und liberalen Streithähne zu moderieren. Er müsse endlich selbst führen, und zwar sozialdemokratisch.

Zur Halbzeit steht Scholz’ Wiederwahl jedenfalls in weiter Ferne. Seine Partei ist in den Umfragen um 10 Prozentpunkte abgesunken, etwa auf das Niveau der Grünen. Der Kanzler hat seinen Nimbus des führungsstarken Machers weitgehend eingebüsst.

Dabei ist Scholz nicht alles missglückt: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine rief er eine Zeitenwende aus, verschaffte der Bundeswehr 100 Milliarden, führte Deutschland aus der Abhängigkeit von russischem Gas und machte es zum zweitgrössten Unterstützer Kiews. In der Asylpolitik zog er die Schraube an – wenn auch erst, als die Umfragewerte der AfD längst das ganze Land verunsicherten.

Wie Scholz die Folgen des Urteils von Karlsruhe bewältigen will, muss sich erst noch zeigen. Heute Dienstag erklärt er sich dazu erstmals im Bundestag. Allzu viel erwarten sollte man besser nicht.

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