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Klimawandel und steigender Meeresspiegel Tuvalu droht zu versinken – und will einen digitalen Klon schaffen

Schönes neues Metaversum: Tuvalu will im Kampf gegen den Klimawandel eine digitale Version seines Landes in der virtuellen Welt erschaffen. 

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Eigentlich ist der kleine Inselstaat ein kleines Paradies: türkisblaues klares Wasser, weisser Korallensand, Palmen, ein meist blauer Himmel. Tuvalu liegt mitten im Pazifischen Ozean, auf halbem Weg zwischen Australien und Hawaii. Die durchschnittliche Höhe des Inselstaates liegt nur 1,8 Meter über dem Meeresspiegel und sogar nur einen halben Meter über dem Pegelstand einer normalen Gezeitenflut. Die höchste Erhebung ist viereinhalb Meter hoch. Das wird für die rund 11’000 Bewohner immer mehr zum Problem.

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Die drei Koralleninseln und sechs Atolle, aus denen das Land besteht, machen weniger als 26 Quadratkilometer aus. Gemäss den jetzigen Modellen zum Anstieg des Meeresspiegels wird die Hälfte der Fläche der Hauptinsel Funafuti innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte von den Gezeiten überflutet werden. Bis zum Jahr 2100 sollen 95 Prozent der Landfläche von den periodisch auftretenden Springfluten überschwemmt werden.

An vielen Stellen nur einige Meter breit und nur wenig über dem Meeresspiegel gelegen: Ansicht des Funafuti-Atolls von Tuvalu. 
Die Küstenerosion macht auch den Pflanzen zu schaffen: Palmen auf einer Insel des Funafuti-Atolls haben ihren Halt verloren und sind umgefallen.  

In den letzten vier Jahrzehnten ist der lokale Meeresspiegel in Tuvalu um 3,9 mm pro Jahr angestiegen, das ist doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Das Wasser steigt so schnell, dass fast alle Bewohner des Hauptatolls Funafuti Episoden davon erzählen können, wie sie knietief im Wasser stehen. Sei es während einer Springflut oder weil das Meerwasser durch den porösen Boden in der Mitte des Atollstreifens an die Oberfläche drückt. Zudem sind entlang der Küstenlinie überall Zeichen von Erosion auszumachen: Häuser, die aufgegeben wurden, weil sie zu nahe ans Meer gebaut wurden, Palmen, die wegen der Abtragung des Ufers ihren Halt verloren haben, Uferbereiche, die wegerodiert sind.

Gefährdete Nahrungssicherheit

Der steigende Meeresspiegel stellt auch ein grundlegendes Problem für die Trinkwasserversorgung und die Ernährungssicherheit auf der Inselgruppe dar. Die für die tägliche Versorgung mit Nahrungsmitteln wichtigen Nutzpflanzen wie Kokosnüsse und Pulaka – eine lokale, essbare Gummibaumpflanze – gehen in den stark versalzten Böden zunehmend ein. Brunnen und Grundwasser versalzen ebenfalls. Frische Lebensmittel werden darum immer seltener, sodass die Bevölkerung zunehmend auf importierte Produkte zurückgreift, die verhältnismässig teuer sind.

Um sich vor dem Meer zu schützen, helfen sich immer mehr Bewohner von Tuvalu auch mit improvisierten Ufermauern. 
Vom Meer bedroht: Viele Bewohner Tuvalus leben auf den schmalen Streifen der Atolle, die nur wenige Meter aus dem Meer herausragen. 

Das Leben vom Fischen und vom Anbau von Kulturpflanzen stellt in Tuvalu eigentlich einen zentralen Bestandteil der traditionellen, auf Selbstversorgung ausgerichteten Lebensweise dar, die durch die Klimaerwärmung aber immer mehr infrage gestellt wird: «Das ist die einzige Art und Weise, wie wir überleben können, mit unseren lokalen Lebensmitteln», erklärt ein Vorarbeiter gegenüber dem «Guardian». «Aber es wird immer schwieriger, die Lebensmittel vom Land zu bekommen, die Plantagen werden durch das Salzwasser beschädigt, sogar das Land wird vom Meer weggenommen.»

Umsiedlung nach Neuseeland

Die immer schwereren Lebensbedingungen und die düsteren Zukunftsprognosen lasten schwer auf den rund 11’000 Einwohnern der Inselgruppe. Rund ein Fünftel von ihnen hat sich bereits ausserhalb von Tuvalu niedergelassen, viele von ihnen in Neuseeland. Im Rahmen der Migrationsvereinbarung, der sogenannten Pacific Access Category, können pro Jahr 150 Bewohner der Inselstaaten Kiribati, Tuvalu, Fidschi und Tonga nach Neuseeland übersiedeln.

Natürlicher Küstenschutz: Mangrovenplantagen werden dazu genutzt, die Uferzonen vor Erosion und Sturmfluten zu schützen. 
Aufgeschüttetes Land: Leute spielen Volleyball auf einem zurückgewonnenen Landstück. 

Der Wechsel des Lebensstils, mit dem zwangsläufig auch eine Veränderung der Identität einhergeht, lastet allerdings auf nicht wenigen der unfreiwilligen Emigranten schwer. Mit dem Wegzug aus Tonga gehen traditionelle Werte verloren: «Der Wechsel von einer Selbstversorgergesellschaft zu einer stark kommerzialisierten Gesellschaft ist sehr, sehr schwierig», erklärt ein nach Neuseeland emigrierter Familienvater gegenüber dem «Guardian». «Wenn man hier kein Geld hat, kann man nicht überleben. Nicht so wie auf den Inseln: Wenn du kein Geld hast, hast du deine Familie, dein kleines Land, deinen Fisch.»

Rückgewinnung von Land

Lange nicht alle sind jedoch bereit, aus Tuvalu wegzuziehen. Die Regierung hat 2017 in Zusammenarbeit mit dem Green Climate Fund und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen das Tuvalu Coastal Adaptation Project lanciert. Ziel ist es, mit Strandaufschüttungen, mit Pflanzen verstärkten Deichen, aber auch Beton- und Steinverkleidungen auf drei der neun bewohnten Inseln dreieinhalb Quadratkilometer erhöhtes, sicheres Land zu schaffen, das dem ansteigenden Meeresspiegel widerstehen kann. Insgesamt sollen 2,7 Kilometer gefährdete Küstenlinie verstärkt werden. Wenn sich das Projekt bewährt, soll in einem zweiten Schritt die ganze Fläche des Hauptatolls Funafuti angehoben werden.

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Eine digitale Nation

Auch wenn ein Teil der neun Inseln Tuvalus im Rahmen der Küstenschutzprojekte angehoben werden wird, wird sich die Geografie des Inselstaats durch den Anstieg des Meeresspiegels in den nächsten Jahrzehnten zwangsläufig verändern. Deshalb hat die Regierung das Future Now Project lanciert. Das Vorhaben zielt zum einen auf eine Sicherung der Staatlichkeit und der Seegrenzen von Tuvalu nach internationalem Recht ab, auch wenn Tuvalu in Zukunft nicht mehr oder nur noch teilweise physisch existieren sollte. Zudem soll eine digitale Nation erschaffen werden.

Diese soll einerseits die für eine Nation zentralen regierungstechnischen und bürokratischen Aufgaben umfassen. Verwaltungssysteme und konsularische Dienste sollen in die Cloud verlagert werden, damit weiterhin Wahlen stattfinden und abgehalten werden können. «Wenn wir eine vertriebene Regierung oder eine über die ganze Welt verstreute Bevölkerung haben, würden wir so über einen Rahmen verfügen, der sicherstellt, dass wir uns weiterhin koordinieren, unsere Dienstleistungen erbringen, unsere natürlichen Ressourcen in unseren Gewässern verwalten können», erklärte der Aussenminister von Tuvalu, Simon Kofe, gegenüber dem «Guardian».

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Neben den zentralen, staatlichen Aufgaben sollen aber auch das Land an sich und die Kultur und Geschichte Tuvalus digitalisiert werden. Dies soll mittels eines digitalen Zwillings im Metaverse realisiert werden. So sollen die neun Inseln des Staates mithilfe von Satellitenbildern, Fotos und Drohnenaufnahmen in einer präzisen digitalen Kopie nachgebaut werden.

Einen Eindruck davon gab die aufgezeichnete Ansprache von Kofe anlässlich des COP-27-Klimagipfels in Sharm al-Sheikh vergangenes Jahr. Für diese wurde eine fotorealistische Kopie der Insel Te Afualiku erzeugt.

Soll im schlimmsten Fall virtuell erhalten bleiben: Tänzerinnen bei einem traditionellen Fest in Funafuti, Tuvalu.  
Reiche Kultur: Zwei Frauen posieren anlässlich eines Fests in traditioneller Kleidung. 

Zudem sollen auch die Sprache und die zahlreichen Traditionen des Inselstaats im Metaverse erhalten werden. In welcher Form dies genau geschehen soll, ist zurzeit noch unklar. Auch, ob die Tuvaluaner mittels Avatare auf diese digitale Kopie zugreifen werden. Momentan führt Tuvalus Regierung Gespräche mit Unternehmen, die auf die Realisierung von virtuellen 3-D-Welten spezialisiert sind.

Atolle verändern sich ständig

Trotz der düsteren Zukunftsaussichten gibt es auch Grund zur Hoffnung: Laut einer neueren Studie sind im Besonderen die grösseren von Tuvalus Atollen besser fähig, sich dem Klimawandel und einem ansteigenden Meeresspiegel anzupassen, als bisher gedacht. Die gesamte Landfläche habe zwischen 1971 und 2014 um 74 Hektaren zugenommen, das entspricht drei Prozent von Tuvalus geografischer Ausdehnung. Acht von neun Atollen hätten eine Vergrösserung der Landfläche verzeichnet. Während dieses Zeitraums ist an einigen Küstenabschnitten neues Land dazugekommen, während andere Teile an das Meer verloren gingen.

Küstengeomorphologe Paul Kench, der die Untersuchung leitete, erklärte gegenüber ABC News, dass die Inseln von Tuvalu «schon immer wandelbar» gewesen seien und dass sie «ihre Position auf der Riffoberfläche anpassen», wenn sich Wellen, Strömungen und Meeresspiegel änderten. Dies sei ein kontinuierlicher Anpassungsprozess.

Tuvalus früherer Premierminister Enele Sopoaga kritisierte an der Studie jedoch, dass sie nicht berücksichtigt habe, ob das neue geschaffene Land wirklich bewohnbar sei. Auch können die Forscher nicht voraussagen, ob sich die Anpassungsfähigkeit der Atolle bei einem beschleunigten und massiven Anstieg des Meeresspiegels erhalten wird.